Kaufen die USA die Ukraine auf?
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USA fordern Bodenschätze im Wert von 500 Milliarden Dollar. Kiew möchte den Betrag auf 90 Milliarden senken. Kommt (k)eine Einigung zustande, droht der Ukraine der Kollaps.
In Kriegen wird nur selten um "Freiheit", "Demokratie", "westliche Werte" oder Frauenrechte gekämpft – fast immer sind es handfeste materielle Interessen, um die gefochten wird. Der Krieg in der Ukraine stellt hier keine Ausnahme dar, wie immer deutlicher wird.
Das Land spielte schon zuvor eine privilegierte Rolle in den Plänen der Europäer als Energielieferant. In der Ukraine sollten erhebliche Mengen an grünem Wasserstoff produziert werden, die dann über – teils bestehende – Pipelines in die Europäische Union transportiert werden sollten.
Aber auch die Bodenschätze weckten das Interesse. In einer Studie warb die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung dafür, dass europäische Unternehmen privilegierten Zugang zu ukrainischen Bodenschätzen erhalten sollten. Und dafür lohnt es sich, Kiew in der Abwehrschlacht gegen Russland beizustehen.
Während die Europäer noch sehr zögerlich sind, ihre Interessen am natürlichen Reichtum der Ukraine offen zu artikulieren, geht die neue US-Regierung mit brachialer Offenheit vor. Mineralien, Öl, Gas und Einnahmen aus Häfen und anderer Infrastruktur im Wert von 500 Milliarden US-Dollar soll Kiew zahlen, fordert die Regierung von Donald Trump.
Dagegen wehrt sich die Selenskyj-Regierung bislang noch – nicht im Grundsatz. In Kiew ist man noch bestrebt, den Betrag nach unten zu verhandeln, auf ein Maß, das mehr den US-amerikanischen Hilfen entspricht. Laut New York Times (NYT) ist die aktuelle Forderung etwa viermal so hoch wie die Hilfen. Und laut Bloomberg möchten die ukrainischen Verhandler den Betrag auf etwa 90 Milliarden US-Dollar kürzen.
Koloniale Anklänge bei US-Forderungen
Wie Telepolis bereits berichtet hat, wird so mancher Kritiker bei diesem Vorgehen an den Kolonialismus früherer Zeiten erinnert. Und die Trump-Regierung ist bisher nicht einmal bemüht, diesen faden Beigeschmack zu verdecken.
So sagte Trump laut Bloomberg etwa vor einem Publikum der Conservative Political Action Conference, dass die USA das in die Ukraine investierte Geld zurückbekommen werden. "Wir fordern Seltene Erden und Öl – alles, was wir bekommen können".
USA wollen weitreichende Kontrolle
Auch US-Finanzminister Scott Bessent machte am Samstag in der Financial Times (FT) deutlich, was man jetzt von Kiew erwartet. Mit Blick auf die natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen würde der Handlungsspielraum der ukrainischen Regierung für die Zukunft deutlich eingeschränkt.
Die Bedingungen unserer Partnerschaft sehen vor, dass die Einnahmen, die die ukrainische Regierung aus natürlichen Ressourcen, Infrastruktur und anderen Vermögenswerten erzielt, einem Fonds zugewiesen werden, der sich auf den langfristigen Wiederaufbau und die Entwicklung der Ukraine konzentriert, wobei die USA bei diesen zukünftigen Investitionen wirtschaftliche und Governance-Rechte haben werden.
Scott Bessent
Das soll natürlich nur zum Wohle der ukrainischen Wirtschaft erfolgen, die scheinbar bisher wenig Glück mit den "hohen Standards in Bezug auf Transparenz, Rechenschaftspflicht, Unternehmensführung und rechtlichen Rahmenbedingungen" gesegnet war. Auch der krassen Korruption, von der die Ukraine nach wie vor geprägt ist, soll damit ein Riegel vorgeschoben werden.
Der Fonds, über den die USA zu 100 Prozent die Kontrolle ausüben, soll das Geld wieder in Schlüsselsektoren der Ukraine investieren. Die Ukrainer werden wohl kaum Mitspracherecht bei den Investitionsentscheidungen haben, was die Schlüsselsektoren allmählich in das Eigentum von US-Unternehmen überführen dürfte. Bessent macht schon mal deutlich, dass alle vom Wiederaufbau ausgeschlossen sein werden, "die nicht zur Verteidigung der Souveränität der Ukraine beigetragen haben".
Streit um Sicherheitsgarantien verzögert Abkommen
Bislang verwehrt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Unterschrift unter dem Dokument, weil es keine expliziten Sicherheitsgarantien für sein Land enthält. Die USA garantieren weder die zukünftige Sicherheit der Ukraine, noch versprechen sie weitere militärische Unterstützung, berichtet die NYT. Selbst das Wort "Sicherheit" sei aus dem jüngsten Entwurf gestrichen worden. Bessent betonte, dass die geplante Wirtschaftspartnerschaft das Fundament für einen dauerhaften Frieden darstellen würde.
Die Bedingungen für die "Wirtschaftspartnerschaft" fallen laut NYT immer mehr zum Nachteil der Ukraine aus, je länger Kiew die Unterschrift verweigert. Und schon jetzt hat das Zögern der ukrainischen Seite zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch mit Trump geführt. Dieser hatte Selenskyj öffentlich als "Diktator" bezeichnet.
Problematisch ist, dass selbst nach Unterzeichnung des Abkommens nicht ausgemacht ist, dass sich die Ukraine als souveräner Staat nachhaltig zum Positiven entwickelt. Wie die NYT anmerkt, könnten dem Land schon unter den aktuellen Bedingungen die Gelder entzogen werden, "die derzeit hauptsächlich in das Militär und die Rüstungsindustrie des Landes investiert werden und die nach Kriegsende zum Wiederaufbau des Landes beitragen könnten".
In der Debatte geht es nicht nur um die Rückzahlung der Hilfen über einige Jahre hinweg, sondern über viele Jahrzehnte. Denn im vergangenen Jahr betrugen die tatsächlichen Einnahmen der Ukraine aus Ressourcen lediglich 1,1 Milliarden US-Dollar.
Ob es in naher Zukunft mehr werden könnte, ist offen. Neue Rohstoffvorkommen zu erschließen, wird wohl mehrere Jahre dauern, werden ukrainische Beamte zitiert. Es seien zudem noch umfangreiche Erkundungen notwendig, um den wahren Wert der kritischen Mineralien abschätzen zu können.