Kein Schutz für österreichischen Whistleblower
Julian H. ist der Mann hinter dem Ibiza-Video und dem Sturz der rechtskonservativen Regierung in Wien. Jetzt wurde er aus Deutschland abgeschoben und kam umgehend in Haft
Am Dienstag wurde der österreichische Privatdetektiv Julian H. aus Berlin nach Wien ausgeliefert und kam sofort in Untersuchungshaft. Zuvor saß er bereits seit dem 10. Dezember in Berlin in Untersuchungshaft. Dort kämpften er und sein Anwalt, der Medienrechtler Johannes Eisenberg, vergeblich gegen die Auslieferung.
Denn Julian H. hat Geschichte geschrieben. Er war für das Ibiza-Video verantwortlich, das im Mai 2019 zum Rücktritt der rechtskonservativen österreichischen Regierung führte. In dem zwei Jahre zuvor gedrehten Video gerierten sich der damalige Vorsitzende der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Hans-Christian Strache, und der FPÖ-Spitzenpolitiker Johann Gudenus als korrupte Machtmenschen, die mit einer vermeintlich russischen Oligarchin stundenlang verhandelten. Dabei ging es auch um die mögliche Übernahme der konservativen Kronen-Zeitung.
Nachdem Ausschnitte der heimlich aufgenommenen und später veröffentlichen Videoaufnahme des Treffensbekannt geworden waren und die rechte Regierung geplatzt war, wurden in der Wiener Innenstadt Partys mit vielen Tausenden Menschen gefeiert.
Die Unterstützung des Verantwortlichen Julian H. blieb hingegen sowohl in Deutschland als auch in Österreich weitgehend aus.
Wie naiv war Julian H.?
Vielleicht lag es daran, dass Julian H. offiziell nicht wegen dem Erstellen des Videos, sondern wegen Drogen- und Waffenhandel sowie Erpressung ausgeliefert wurde. In einem Interview mit der Tageszeitung jungen Welt bezeichnete Anwalt Eisenberg diese Vorwürfe als "frei erfunden".
Personen aus dem Umfeld von Julian H. hätten aus Rachelust falsche Aussagen gemacht, um seinen Mandanten zu belasten. Etwas pathetisch bezeichnete Eisenberg Julian H. als "Helden, der Europa vor der Geisel einer Machtübernahme durch die rechte FPÖ gerettet hat" und dafür jetzt verfolgt werde. Schließlich verglich Eisenberg Julian H. sogar mit dem Wikileaks-Gründer Julian Assange.
Etwas Nüchterner kam ein Interview daher, dass die linksliberale tageszeitung wenige Tage vor der Auslieferung mit Julian H. telefonisch geführt hat. Dort bestätigte der Mann, dass er sich an der Erstellung des Videos ursprünglich nur beteiligt hatte, weil er einem Freund helfen wollte. Die politische Dimension der Angelegenheit sei ihm erst später bewusst geworden.
Er habe das Video im Mai 2019 veröffentlicht, weil Strache als Vizekanzler das habe umsetzen wollen, was er auf Ibiza angekündigt hatte, etwa die Mediengleichschaltung.
Julian H. bestätigte allerdings auch, dass sein Freund, ein Rechtsanwalt, der von Anfang an in die Angelegenheit involviert war, das Video für hohe Beträge an Strache und sein Umfeld verkauften wollte. Er beteuerte, dass er damit nichts zu tun gehabt habe. Ihm sei es auch nicht darum gegangen, die österreichische Regierung zu stürzen. Er sei dann selber über die Folgen überrascht gewesen.
Ob diese Aussagen den Tatsachen entsprechen oder ob es sich um Schutzbehauptungen handelt, lässt sich nicht klären. Es bleibt so die Frage, ob Julian H, so naiv ist, wie sich in dem taz-Interview gab.
Doch auch unabhängig davon, ist die schnelle Auslieferung zu verurteilen. Denn egal, worin die Motive der Videoaktion gelegen haben: Fakt ist, dass er damit eine zum Teil korrupte Regierung stürzte und er daher auch von Teilen des österreichischen Staatsapparates zum Feindbild wurde.
Verbindung zur Wirecard-Affäre
Kurz vor der Auslieferung hatte sich noch die SPD-Bundestagsabgeordnete Cancel Kiziltepe für Julian H. eingesetzt. "Eine Auslieferung von Ibiza--Video Macher Julian H. an Österreich muss gestoppt werden! Es gibt Hinweise, dass er aus politischen Gründen ausgeliefert werden soll. Er ist den korrupten rechten Netzwerken in Österreich ein Dorn im Auge", twitterte die Bundestagsabgeordnete.
Zuvor hatte Julian H. auf eigene Initiative im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags ausgesagt, der auch die Kontakte von ehemaligen Managern zu Geheimdiensten ermitteln will. Sehr konkret waren seine Aussagen nicht. So wurde der Auftritt von einigen Medien als Versuch von Julian H. interpretiert, vor der Auslieferung noch einmal auf sich aufmerksam zu machen.Im taz-Interview klang er pessimistisch:
Das Deprimierende ist, dass das kaum jemanden interessiert, außer mir. Ehrlich gesagt, rechne ich inzwischen mit dem Schlimmsten. Die Frage ist nur, wie schlimm das Schlimmste wird.
Julian H
Unabhängig wie man Julian H. einschätzt, er hatte den Schutz vor der österreichischen Justiz verdient. Daher wäre es zu hoffen, dass das Verfahren jetzt in Österreich ausgiebig beobachtet wird. Es wäre auch eine Geste der Solidarität für den Whistleblower.
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