Keine neuen Ukraine-Hilfen vorerst: Kippt die Stimmung in den USA?
Bild: California National Guard / CC BY 2.0 Deed
Ein Regierungsstillstand wurde im US-Kongress verhindert. Für Kiew bedeutet das: kein neues Geld erst mal. Auch in EU brodelt es. Signale für eine Abwendung in Raten?
Es ging am Wochenende um die Abwendung eines Regierungsstillstands in den Vereinigten Staaten. Der sogenannte Shutdown hätte dramatische Konsequenzen gehabt: keine Gelder mehr für Regierungsbeamte bzw. Zwangsurlaub, keine Finanzierung mehr für essenzielle Leistungen für Millionen US-Amerikaner:innen.
Um das abzuwenden, waren vor allem die Demokraten im US-Kongress gezwungen, ein Bauernopfer hinzunehmen: keine neuen Ukraine-Gelder. Das war die Forderung vor allem von republikanischer Seite. So konnte ein Übergangshaushalt beschlossen werden, aus dem die ukrainischen Unterstützungsgelder gestrichen wurden.
Der republikanische Senator Rick Scott erklärte danach, dass die Menschen in seinem Bundesstaat Florida zwar den Ukrainern helfen wollten. Aber sie wollten auch US-Amerikanern helfen. Die Befürworter einer Fortsetzung der Ukraine-Hilfe im Repräsentantenhaus und im Senat zeigten sich empört, hatten aber keine andere Wahl, als die Abstimmung über ein neues, milliardenschweres Kriegspaket auf später zu verschieben.
Der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer und der republikanische Minderheitenführer Mitch McConnell gaben daraufhin eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie versprachen, die Zeit zu nutzen, um die Gelder für Waffen und nichtmilitärische Hilfe in den kommenden Wochen wieder auf den Tisch zu legen. US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, sich für die Fortsetzung der Hilfen einzusetzen. Er forderte den Kongress auf, schnell neue Unterstützungsgelder freizugeben.
Doch das wird nicht leicht werden. Denn die Abstimmung spiegelt eine wachsende Ablehnung, insbesondere in den Reihen der Republikaner, wider. Sie stellen sich immer zahlreicher gegen einen, wie sie es nennen, "Blankoscheck" für die Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion.
Die USA haben der Ukraine im letzten Jahr 113 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, von denen mehr als 40 Milliarden für kriegsbezogene Unterstützung bestimmt sind. Kritiker sagen, der Konflikt sei zu einem Zermürbungskrieg verkommen.
Es werde zudem zu wenig unternommen, das Blutvergießen zu stoppen und eine Verhandlungslösung zu finden, um die Ukraine vor der Zerstörung zu bewahren. Andere verweisen darauf, dass das Geld besser im eigenen Land oder für andere militärische Herausforderungen wie China ausgegeben werden sollte.
Unterstützer Kiews aus den Reihen der Demokraten empörten sich am Samstag auf Twitter und kritisierten, die Republikaner verfolgten eine Agenda im Sinne des russischen Präsidenten Wladimir Putin und müssten gestoppt werden. "Wir müssen aufhören, naiv zu sein in Bezug auf das, was gerade in Washington passiert", so Simon Rosenberg, langjähriger demokratischer Stratege.
Es gibt eine mit Russland verbündete amerikanische Fünfte Kolonne, die daran arbeitet, die Vereinigten Staaten und unsere Kriegsanstrengungen in der Ukraine zu untergraben.
Zwei sehr unterschiedliche Washington-Besuche Selenskyjs
Der Stimmungswechsel in den Vereinigten Staaten über die Kriegsdauer lässt sich an zwei Besuchen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington gut ablesen. Als Selenskyj im Dezember letzten Jahres vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses sprach, waren die Republikaner ein entscheidender Faktor für die weitere Unterstützung der USA für den Kampf des Landes gegen die russische Invasion. Die Rede wurde von den Abgeordneten mit großem Beifall gefeiert.
Als der ukrainische Präsident dann am 21. September dieses Jahres erneut in die US-Hauptstadt zurückkehrte, fand er eine stark veränderte politische Szenerie vor. Immer mehr Republikaner im Kongress äußerten offen ihre Abneigung oder sogar Ablehnung gegenüber der weiteren Finanzierung der Ukraine. "Es sind nicht nur Mitglieder der extremen Rechten", sagte ein republikanischer Berater im Repräsentantenhaus, dem Anonymität gewährt wurde, um frei sprechen zu können, gegenüber Politico.
[Mainstream-Republikaner sind] sympathisch in der Sache, aber sie wollen kein Geld für einen Konflikt verschwenden, der jahrelang dauern kann.
Diese Reaktionen sind bezeichnend für eine größere Bewegung innerhalb der GOP ("Grand Old Party", Partei der Republikaner) gegen weitere bedingungslose Hilfe. Laut Dan Caldwell, Vizepräsident des konservativen Center for Renewing America, hat sich der Trend in der Partei seit letztem Sommer in diese Richtung entwickelt und in den letzten Monaten noch beschleunigt. Mehr und mehr prominente Republikaner stellen die Hilfen infrage, was sich auch in den TV-Duellen bei den Vorwahlen zeigt.
Die wachsende Ablehnung von Unterstützungsgeldern spiegelt die Veränderungen in der öffentlichen Meinung der Republikaner außerhalb des Establishments in Washington wider. Eine CNN-Umfrage vom letzten Monat ergab, dass 71 Prozent der Republikaner der Meinung sind, dass der Kongress keine neuen Mittel bewilligen sollte.
Gleichzeitig zeigt die Wahl in der Slowakei, bei der die Smer-Partei von Ex-Ministerpräsident Robert Fico gewinnen konnte, dass es auch in der EU mehr Uneinigkeit in Hinsicht auf die Unterstützung der Ukraine geben wird. Waffenlieferungen an die Ukraine hat Fico bereits ausgeschlossen. Er will Russland-Sanktionen nur zustimmen, wenn sie "der Slowakei nicht schaden".
Die Slowakei war bisher ein verlässlicher Unterstützer der Ukraine. Im Land befindet sich ein wichtiges Logistikzentrum, von wo aus dem ukrainischen Militär Nachschub geliefert wird.
Insgesamt rücken einige osteuropäische Staaten von bedingungslosen Hilfen für die Ukraine ab. Mit Polen gibt es wegen ukrainischer Getreidelieferungen, die als Konkurrenz für polnische Landwirte angesehen werden, Spannungen. Polen hat nun angekündigt, keine Waffen mehr zu liefern, nachdem Selenskyj Warschau vorgeworfen hatte, Gehilfen von Putin zu sein.
Auch Victor Orbán in Ungarn kritisiert Kiew scharf und droht dem Land, die Unterstützung auf internationaler Ebene zu entziehen. Die Fliehkräfte mit zunehmender Dauer des Ukraine-Kriegs und wachsender Perspektivlosigkeit der Kämpfe nehmen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa zu.