Kiew soll nicht mehr Kiew heißen. Aber was ist mit dem Kiewer Kotelett?

Seite 2: Kyiv statt Kiew und Freedom Fries statt Poutine!

Nach Karl Valentin hat jedes Ding drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische. Nun sind Namensgebungen oft Glücksache und können leicht schiefgehen, sei es bei Kindern, Kochrezepten, Autos oder politischen Parteien. Zu den besonders komischen darunter gehört die Absurdität, alltägliche Dinge umzubenennen, wenn der Zeitgeist es erfordert oder ermöglicht.

Die Umbenennung der US-amerikanischen Pommes Frites in "freedom fries", als Frankreich sich 2003 gegen die Irak-Invasion der USA stellte, haben wir alle noch im Hinterkopf. Freedom ist längst weggefallen, die "fries" sind geblieben.

Neue Umbenennungen werden jetzt gerade durch die russische Invasion der Ukraine ausgelöst. Weniger in Deutschland, aber international galt das "Chicken Kiev" als klassisches Restaurantgericht. Es besteht aus einer Roulade aus Hühnerbrust, die in Kräuterbutter gerollt und dann paniert und gebraten wird.

Viele Restaurants bieten es nun auf der Speisekarte als "Chicken Kyiv" an, auch bekannt als Kiewer Kotelett. Die in Deutschland übernommene russische Schreibweise von "Киев" als Kiew wird sicher auch ohne das Hühnergericht schnell dem Zeitgeist weichen. Die Medien sind damit schnell bei der Hand, aber den Krieg wird das nicht zu beenden helfen.

Auch der russische Präsident kommt nicht überall ungeschoren davon. Seit den 1950er-Jahren hat sich von der Französisch sprechenden Provinz Quebec ausgehend ein populäres Fast Food-Gericht über ganz Kanada ausgebreitet, das aus mit Käsebruch überbackenen Pommes Frites und einer braunen Soße besteht, genannt "Poutine", wie die französische Schreibweise des Präsidenten.

Die Herkunft des Namens ist umstritten, hat aber mit Putin offenbar nichts zu tun. Trotzdem fangen die Restaurants an, die Kalorienbombe in "fry cheese gravy" umzubenennen.

Neu sind solche Namensänderungen allerdings ganz und gar nicht. Im Ersten Weltkrieg wurden die scherzhaft "Krauts" genannten Deutschen in den USA plötzlich unpopulär und mit ihnen ihre vermeintliche Lieblingsspeise, das politisch völlig unverdächtige Sauerkraut.

Es wurde zu "liberty cabbage" umgetauft und Millionen von Deutsch-Amerikanern assimilierten sich so schnell wie möglich zu unauffällig echten Amerikanern. Die Sauerkrautproduzenten, deren Umsätze schrumpften, unterstützten die Umbenennung und warben in den Medien für Hilfen der Regierung.

Gleichzeitig geschah Ähnliches mit den Deutschen in Australien. So wie der Krieg den Amerikanern das Sauerkraut verleidet hatte, verleidete er den Australiern die "Berliner Donuts". Teile Australiens hatten zu dieser Zeit viele deutsche Einwanderer, sodass die Berliner alltäglich geworden waren. Doch mit der antideutschen Stimmung während des Krieges änderte die Gewerkschaft der Konditoren den Namen in "Kitchener Bun".

Der britische Feldmarschall Lord Kitchener war zu Beginn des Ersten Weltkriegs auch Kriegsminister, also schon von Amts wegen gegen alles Deutsche. Damit bekamen die unschuldigen Berliner Pfannkuchen den undeutschesten Namen, den das traditionelle Gebäck nur bekommen konnte.

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