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Killer-Spiele

Der Held aus "Assassin’s III" ist ein amerikanischer Ureinwohner

"Hitman: Absolution" von Square Enix und Ubisofts "Assassin’s Creed III"

Ubisoft und Square Enix interpretieren den Begriff "Assassine" für ihre aktuellen Spiele unterschiedlich: Ubisoft knüpft mit "Assassin’s Creed" an die alte Bruderschaft des Namens an, die im mittelalterlichen Orient politisch motiviert mordete. Square Enix nennt die Hauptfigur aus "Hitman: Absolution" einen "Original Assassin", was durchaus als augenzwinkernde Kampfansage an den Konkurrenten zu verstehen ist und sich vor allem auf die Bedeutung des Wortes als lautlosen Killer bezieht. Beide Serien gehen bereits in die fünfte Runde und wecken entsprechend hohe Erwartungen.

"Assassin’s Creed III"

Das Setting von Ubisofts [1] "Assassin’s Creed"-Serie [2] ist mit seinen zwei Zeitebenen ideal für ein Videospiel: Desmond Miles erlebt Ereignisse der Vergangenheit in der virtuellen Realität der Maschine "Animus". Obwohl er sich dort frei bewegt, kann er durch sein Handeln in der Vergangenheit anders als die Figuren mancher Science-Fiction-Geschichten nicht die Gegenwart beeinflussen. Dabei geht es in beiden Zeitebenen primär um den Kampf zwischen den Assassinen und den Templern.

Desmonds Heute bildet jeweils den Rahmen und nimmt deutlich weniger Zeit ein als die historischen Geschehnisse auf der virtuellen Ebene. Assassin’s Creed III [3] ist trotz der römischen Ziffer bereits das fünfte Hauptspiel, hat aber die dritte Hauptfigur auf der Vergangenheitsebene. Nach Altair, der im ersten Teil zur Zeit der echten Assassine in der Zeit des späten 12. Jahrhunderts im Nahen Osten lebte, und Ezio, der in den drei weiteren Spielen durch das Italien des 15. Jahrhunderts reiste, lebt der Protagonist von "Assassin’s Creed III" im Amerika zur Zeit der Unabhängigkeitskriege in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Held mit Namen Ratonhnhaké:ton oder einfach Connor ist der Sohn eines englischen Einwanderers und einer amerikanischen Ureinwohnerin, der im Mowak-Dorf seiner Mutter aufgewachsen ist.

Damit vertritt er im Lauf des Games neben den Interessen der Assassinen-Bruderschaft auch die der amerikanischen Ureinwohner. Auf persönlicher Ebene kommt der Konflikt mit seinem Vater hinzu, der die Feindesseite vertritt.

Ubisoft Montreal [4], die Entwickler der "Assassin’s-Creed"-Hauptserie, verbinden in der Erzählung geschickt die Ereignisse um die Amerikanische Revolution mit dem Konflikt zwischen Assassinen und Templern und dem Überlebenskampf der Ureinwohner. So ist die legendäre Boston Tea Party nicht nur der Kampf der Bevölkerung gegen die englischen Steuergesetze, der wesentlich zum Ausbruch der Revolution beitrug. Connor will mit dem Vernichten des Tees auch verhindern, dass die Widersacher das Geld zum Kauf der Jagdgründe seines Volkes erwirtschaften. Und immer wieder ist ein wichtiger Feind ein Mitglied der Templer.

Spielerisch setzt "Assassin’s Creed III" auf dasselbe Open-World-Konzept wie die Vorgänger. Connor bewegt sich relativ frei in den Städten Boston und New York sowie dem wilden Grenzland.

Connor bewegt sich durch Stadt, Land und auch Meer

Nach der relativ geradlinigen Einführung bestimmt der Gamer selbst das Wechselspiel zwischen eigener Erkundung und Fortführen der Hauptmission. Sie ist jeweils als einer von vielen Wegpunkten auf der Karte markiert und treibt die Erzählung voran.

Seinen Stützpunkt hat Connor im Grenzland auf einem Gehöft des alten Achilles Davenport, der ihn anfangs in der Kunst der Assassinen unterrichtet und ihm den Konflikt mit den Templern schildert. Die Basis baut der Protagonist im Laufe der Zeit durch zahlreiche Nebenmissionen aus. Nachdem er beispielsweise Handwerker in der Wildnis aus Gefahrensituationen befreit, bieten diese ihre Dienste an. Die zur Produktion benötigten Materialien findet Connor zum Großteil durch Jagen und Sammeln im Grenzland oder durch Handel und Missionen in den Städten.

Die Wildnis ist deutlich ausgefeilter als in den Vorgängern. Die Berge besteigt der Protagonist auf ähnliche Weise wie die Häuser seit Anbeginn der Serie. Im Grenzland lauern Gefahren in Form von Wölfen und anderen Raubtieren, deren Überraschungsangriffe der Spieler mit Quick-Time-Events abwehren muss.

In den Bäumen kann Connor sich bei Schleichmissionen den Blicken der Soldaten, Wilderer und Tiere entziehen und Überraschungsangriffe ausführen. Im Winter bewegt er sich zudem schneller über starke Äste als durch den tiefen Schnee.

Hangelparcours

Die jahreszeitlichen Wechsel sind eine weitere Neuerung, die das Spiel bereichert. Schnee verlangsamt die Fortbewegung und zeigt verräterische Spuren der Gegner und des Helden. Ein dichter Schneesturm wiederum hilft bei der Tarnung. Eine weitere Neuerung sind Schiffe, die der Spieler in Seegefechte an der Ostküste Amerikas steuert.

Der offene Bereich ist größer als in den bisherigen "Assassin’s Creed"-Titeln und die optionalen Nebenmissionen halten den Spieler lange auf Trab. Sie erleichtern das Vorankommen, weil Connor mit Ihnen seine Ausrüstung verbessert und wie schon in den letzten beiden Teilen verbündete Assassinen herbeirufen kann, nachdem er einzelne Stadtviertel von der Vorherrschaft der Templer befreit hat.

Leider sind ausgerechnet die Hauptmissionen überwiegend mittelmäßig und können nicht mit denen von "Assassin’s Creed II" und auch der beiden Nachfolger mithalten. Spielerisch sind sie oft langatmig und im Gegensatz zum restlichen Spiel extrem geradlinig. Wirklich als stiller Assassine tritt Connor dabei selten auf. Die Tarnung hilft zwar und wurde in ihren Möglichkeiten beispielsweise in der Wildnis und durch mobile Verstecke erweitert, aber Connor ist in Kämpfen zu stark, als dass er das Entdecken fürchten müsste. Immerhin ist das Vermeiden von Aufmerksamkeit oft ein optionales Missionsziel, das Bonuspunkte bringt.

Connor ist auch im Kampf gegen Musketen meist überlegen

Nach den einzelnen Story-Missionen wird der Spieler jeweils durch ein Weiterführen des sehr gut gesponnenen Erzählfadens belohnt und darf sich danach neuen Nebenaufgaben widmen.

Grafisch hält "Assassin’s Creed III" in der getesteten PS3-Version den sehr hohen Standard der Serie. Gelegentlich kommt es zu leichten Rucklern, die aber nie das Spielgeschehen stören. Der Soundtrack ist hervorragend sowohl hinsichtlich der musikalischen Untermalung als auch der Geräuscheffekte. Den Entwicklern gelingt es sehr gut, den Spieler in die Zeit und Welt des Unabhängigkeitskrieges atmosphärisch hineinzuversetzen.

Connor im Gespräch mit George Washington

So ist es schade, dass "Assassin’s Creed III" ausgerechnet in seinem Kern schwächelt: Die Hauptmissionen sind mittelmäßige Action-Kost in einem Spiel, das darum herum extrem viel zu bieten hat: Zahlreiche interessante Nebenaufgaben und Sammlungen, ein eigenes Handwerks- und Handelssystem und nicht zuletzt eine packende Geschichte.

"Hitman: Absolution"

Auch Hitman: Absolution [5] ist das fünfte Spiel der "Hitman"-Serie von Square-Enix [6] beziehungsweise ursprünglich Eidos Interactive. Der vierte Teil erschien allerdings vor einer gefühlten Ewigkeit von sechs Jahren und damit ein Jahr vor dem ersten "Assassin’s Creed". Der stille Killer mit dem Codenamen 47 hat eine lange Auszeit hinter sich und landet in "Absolution" alleine in einer Verschwörung, bei der er recht bald lernt, dass er niemand vertrauen kann.

Agent 47

Das Ziel seiner ersten Mission ist Diana Burnwood, seine langjährige Kollegin und Retterin aus dem Ende von "Blood Money", dem direkten Vorgänger. Sie soll eine Verräterin sein, doch schnell wird dem Protagonisten und Spieler klar, dass es um mehr geht. Dianas letzter Wunsch ist, dass 47 ein Mädchen beschützt, womit er gleichzeitig zum nächsten Gejagten seines Arbeitgebers ICA, der Hitman-Vereinigung wird. Bald steht Agent 47 alleine gegen andere Killer, düstere Untergrundbosse und nicht zuletzt gegen die Polizei - die perfekte Voraussetzung für ein Schleich-Spiel.

Tatsächlich erfordert das Vorgehen innerhalb des von der Square-Enix-Tochter IO-Interactive [7] entwickelten Games eine dezentere Vorgehensweise als Ubisofts Spiel. Die Stärke des Protagonisten ist sein Agieren im Schatten und die Überraschung.

Für eine gute Wertung sollte der Spieler den Feindeskontakt minimieren. Tötet 47 einen Gegner, der nicht explizit ein Ziel ist, gibt es Punktabzüge, die bei Unbeteiligten noch höher ausfallen. Selbst das Betäuben bringt einen Malus, den der Spieler aber durch das Verstecken des Bewusstlosen wieder ausgleichen kann. Optimal läuft eine Mission, wenn niemand überhaupt mitbekommt, dass 47 anwesend war.

Versteckspiel im Museum

Die Dunkelheit ist dabei nicht die einzige Verbündete, sondern oft gibt es mehr oder weniger offensichtliche Möglichkeiten der Ablenkung. So kann 47 beispielsweise sein Fingerspitzengefühl zum Öffnen eines Safes einsetzen, dessen Inhalt die Polizisten mehr interessiert als ihre Wachrunde oder er versetzt schlicht den Kaffee eines Einsatzleiters mit Schlafmittel.

Daneben darf 47 sich wie schon in den älteren Games der Serie mit den Uniformen außer Gefecht gesetzter Gegner verkleiden. Einige Gebiete bieten nur wenig Deckung, aber beispielsweise im Blaumann eines Hausmeisters kommt der Hitman an vielen Wachen unerkannt vorbei. Die jeweiligen Berufskollegen muss er jedoch meiden, da sie den Trick durchschauen. Sobald eine Verkleidung enttarnt ist, funktioniert sie im weiteren Verlauf der aktuellen Mission überhaupt nicht mehr, was bisweilen frustriert, zumal es nicht sonderlich logisch erscheint.

Andere Fehler vergibt das Spiel deutlich großzügiger: Erkennt nur ein Gegner den Hitman als potenzielle Bedrohung, darf er sich zum Schein ergeben, um die Wache daraufhin mit einem Fausthieb zu betäuben. In stärker bewachten Zonen alarmiert das freilich die anderen Aufpasser, aber selbst im Feuergefecht hat der Spieler auf der normalen Schwierigkeitsstufe gute Chancen auf ein Durchkommen.

Gelegentlich verhält sich der Hitman wenig subtil

Selbstverständlich gibt es serientypisch diverse Methoden, die Zielperson ins Jenseits zu befördern. Ein gezielter Schuss ist Hitman-Veteranen zu einfallslos. Stattdessen suchen sie nach den mehr oder weniger offensichtlichen Alternativen wie den Drogen, die sie manipulieren oder einer Bombe für etwas mehr Aufsehen.

Das Spiel belohnt kreative Vorgehensweise mit Bonuspunkten und Achievements. Wer alles selbstständig entdecken möchte, sollte sich allerdings zumindest beim ersten Durchgang davor hüten die Liste der in der Mission verfügbaren Boni anzuschauen, da sie deutliche Spoiler auf die möglichen Methoden enthält. Gleichzeitig enthüllt sie, dass die spielerische Kreativität - wie in den meisten Videogames - relativ ist. Schließlich haben die Entwickler die verschiedenen Möglichkeiten mehr oder weniger offensichtlich ins Szenario eingebaut.

Square Enix möchte offensichtlich mit "Hitman: Absolution" ein breites Publikum ansprechen und hat fünf Schwierigkeitsstufen eingebaut. Die einfachste bietet aufgrund der geringen Gefahr quasi kein Schleicherlebnis und die höchste ist etwas für Puristen und heißt auch so. Der Spieler hat dabei lediglich das Zielkreuz und muss auf alle restlichen Anzeigen und Hilfen verzichten.

In den anderen Stufen gibt es eine permanente Minikarte, die alle Gegner der Umgebung auch jenseits geschlossener Türe und Wände zeigt. Zusätzlich hilft der Instinkt von 47 dem Spieler auf Knopfdruck beim Erkennen des Missionsziels und von Verstecken, funktioniert also ähnlich wie das Adlerauge in den "Assassin’s-Creed"-Games.

Daneben gibt es weitere Tricks wie eine verbesserte Tarnung in Verkleidung oder das gleichzeitige Ausschalten mehrerer Gegner. Diese Aktionen verbrauchen die begrenzte Instinktenergie, sind also nicht endlos verfügbar.

Aus sicherer Entfernung

Die Stärke der Serie und auch von "Hitman: Absolution" liegt in der relativ großen Entscheidungsfreiheit: Der Spieler kann immer wieder neue Ideen, unterschiedliche Methoden ausprobieren. Es gibt nicht wie meist in "Assassin’s Creed III" den einen richtigen Weg, eine Mission zu erfüllen.

Das Konzept steht leider bei "Hitman: Absolution" im Kontrast zum Punktesystem, das beispielsweise das Töten von Gegnern mit einem Malus bestraft. Das einzelne Ausschalten der Wachen mit den legendären "Sivlerballer"-Pistolen mag keine humane, aber eine effektive Variante sein. Wer nach seinen eigenen Regeln spielen möchte, wie es die "Hitman"-Games eigentlich fördern und fordern, sollte sich also zunächst von der Highscorejagd befreien. Wirkliche Bestwertungen sind ohnehin erst beim wiederholten Durchspielen möglich: Bestimmte Erfolge bringen einen prozentualen Bonus, der auch bei Wiederholungen zählt. Diese Aufgaben verhindern sich jedoch teilweise gegenseitig. So ist es beispielsweise unmöglich die Mission in einem Durchgang ohne Kostümierung zu schaffen und gleichzeitig alle Verkleidungen zu tragen.

Die Story ist vielleicht die schwächste Komponente von "Hitman: Absolution". Nach einer eindrucksvollen Intro verläuft sich die Erzählung in Belanglosigkeiten. So ist das Gesamte weniger ein packender Thriller als eine Aneinanderreihung von Missionen, die für sich gesehen allerdings interessant sind.

Open World Action und kreative Missionen

"Hitman: Absolution" belohnt experimentierfreudige Spieler mit interessanten Missionen, die einen hohen Wiederspielwert besitzen. Die Geschichte schwächelt, aber die einzelnen Szenarien sind grafisch und atmosphärisch sehr gut umgesetzt. Serienveteranen werden sich an einschneidenden Änderungen wie dem recht mächtigen Instinkt stören. Anfängern verzeiht das Spiel gelegentliche Fehler, belohnt aber gleichzeitig Geduld, Erkundung und vorsichtiges Voranschreiten. Insgesamt ist der neueste Teil dank dieser Balance mit Abstrichen eine gelungene Fortsetzung und gleichzeitig ein guter Einstieg für Neulinge.

Dagegen ist "Assassin’s Creed III" kein Stealth-, sondern ein Action-Game. Schleichen ist nur selten gefragt und der Held im Nahkampf zu stark, als dass er sich vor Entdeckung fürchten müsste. Dafür hat Ubisoft eine offene, weite, historische Welt mit zwei Städten und einer belebten Wildnis voller Aufgaben geschaffen und erzählt die Geschichte der Amerikanischen Revolution mit ihren Protagonisten von George Washington über General Lee bis zu Benjamin Franklin so, dass sie den Gamer ins Geschehen hineinzieht, auch wenn ausgerechnet die Hauptmissionen mit häufig unmotivierten Aufgaben den Spaß gelegentlich ausbremsen.


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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.ubi.com/de/
[2] http://assassinscreed.ubi.com/
[3] http://assassinscreed.ubi.com/ac3/de-DE/
[4] http://montreal.ubisoft.com/en
[5] http://www.hitman.com/
[6] http://eu.square-enix.com/de/home
[7] http://www.ioi.dk/