Kindergrundsicherung: Kirchen und SozialverbÀnde fordern Ende der Blockade

Bild: Gabriele Picello auf Pixabay
FDP und GrĂŒne streiten ĂŒber Kindergrundsicherung. Finanzminister Lindner möchte Mittel nicht aufstocken. Kirchen und SozialverbĂ€nde fordern, Kinderarmut endlich ernstzunehmen.
Die Regierungskoalition ist in vielen Fragen zerstritten und deshalb könnte der Kampf gegen Kinderarmut unter die RĂ€der kommen. Am Sonntagabend trafen sich die Spitzen von Sozialdemokraten, GrĂŒnen und Liberalen im Bundeskanzleramt, um einige Streitthemen aus dem Weg zu rĂ€umen.
Auf der Tagesordnung stand auch die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung. Zu welchem Ergebnis man in dieser Frage gekommen ist, war am spÀten Sonntagabend noch nicht bekannt.
Vor allem FDP und GrĂŒne lagen sich bei der Kindergrundsicherung in den Haaren. Familienministerin Lisa Paus (GrĂŒne) will die Mittel auf zwölf Milliarden Euro aufstocken, weil ihrer Meinung nach die bisherigen Hilfen nicht ausreichen, Kinderarmut wirksam zu bekĂ€mpfen.
Widerspruch kam dagegen von den Liberalen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) verwies darauf, dass die Koalition gerade erst das Kindergeld angehoben habe. Und FDP-Vize Johannes Vogel sagte gegenĂŒber dem Spiegel, Paus sei "auf dem völlig falschen Trip". Bei der Kindergrundsicherung gehe es schlieĂlich um "eine Reform der Sozialverwaltung" und nicht um zusĂ€tzliche Sozialleistungen [1].
Mit der Kindergrundsicherung sollen die staatlichen Leistungen fĂŒr Familien und Kinder gebĂŒndelt werden. Ab dem Jahr 2025 sollen familienpolitische Leistungen wie Kindergeld, BĂŒrgergeld fĂŒr Kinder und Kinderzuschlag zusammengefĂŒhrt werden. Die Hoffnung dabei ist, dass dadurch mehr Menschen die ihnen jetzt schon zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen werden.
Paus möchte nun, dass die Transferleistungen fĂŒr Kinder schon vor der geplanten EinfĂŒhrung der Kindergrundsicherung steigen. Ein Grund dafĂŒr ist die Inflation. "Da sind zwei Milliarden schnell weg, ohne dass wir eine strukturelle Verbesserung erzielt haben", betonte sie. Ein anderer Grund ist die verdeckte Armut, also der Fall, dass AnsprĂŒche auf Sozialleistungen bestehen, diese aber nicht bezogen werden.
Vor dem Treffen im Bundeskanzleramt hatten Kirchenvertreter noch einmal betont, dass Kinderarmut eines der gravierendsten Probleme in Deutschland sind. "Die soziale Herkunft, das belegen sÀmtliche Studien, wirkt sich auf Bildungschancen aus", sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus.
Durch Kinderarmut entstehe ein Schaden, der sich bis ins Alter hinein durch einen ganzen Lebensweg ziehe. Und vor diesem Hintergrund betonte Kurschus [2]: "100 Milliarden Euro fĂŒr die ArmutsbekĂ€mpfung wĂ€ren gut investiertes Geld".
Am Freitag hatte die PrĂ€sidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, gefordert, dass endlich damit aufgehört werde, die Kinderarmut als strukturelles Problem kleinzurechnen. "Eine gute Kindergrundsicherung darf nicht im Milliardenpoker um Verteidigungsausgaben und RĂŒckstellungen fĂŒr den Austausch von alten Ăl- und Gasheizungen auf der Strecke bleiben", betonte sie.
Eltern mit geringen Einkommen benötigten dringend Geld, um den Kindern gesunde Mahlzeiten, Kleidung und Spielsachen kaufen zu können, so Bentele. Und sie verwies auf Daten des Familienministeriums, nach denen Familien nach der Coronapandemie und den hohen Inflationsraten besonders belastet seien.
In einem Offenen [3] Brief hatten am Freitag Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Zukunftsforum Familie (ZFF) Bundesfinanzminister Christian Lindner aufgefordert, seine Blockadehaltung endlich aufzugeben.
"Seit Jahrzehnten stagniert die Armut von Kindern und Jugendlichen in unserem Land auf hohem Niveau", erklĂ€rte Michael GroĂ, Vorsitzender des PrĂ€sidiums des AWO-Bundesverbandes. Und das hat erhebliche Folgen fĂŒr die Kinder: "Ihr SelbstwertgefĂŒhl leidet, sie haben schlechtere Chancen auf ihrem Bildungsweg und ihr Risiko, krank zu sein, ist deutlich höher".
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-8096496
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/streit-um-die-kindergrundsicherung-armutszeugnis-a-ff232cab-419d-4f09-8959-dd10a6612cca
[2] https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/edk-chefin-kirchenasyl-russische-kriegsverweigerer-ukraine-putin-id237988861.html
[3] https://awo.org/offener-brief-von-awo-und-zff-bundesfinanzminister-lindner
Copyright © 2023 Heise Medien