Kindergrundsicherung: Kirchen und Sozialverbände fordern Ende der Blockade
FDP und Grüne streiten über Kindergrundsicherung. Finanzminister Lindner möchte Mittel nicht aufstocken. Kirchen und Sozialverbände fordern, Kinderarmut endlich ernstzunehmen.
Die Regierungskoalition ist in vielen Fragen zerstritten und deshalb könnte der Kampf gegen Kinderarmut unter die Räder kommen. Am Sonntagabend trafen sich die Spitzen von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen im Bundeskanzleramt, um einige Streitthemen aus dem Weg zu räumen.
Auf der Tagesordnung stand auch die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung. Zu welchem Ergebnis man in dieser Frage gekommen ist, war am späten Sonntagabend noch nicht bekannt.
Vor allem FDP und Grüne lagen sich bei der Kindergrundsicherung in den Haaren. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will die Mittel auf zwölf Milliarden Euro aufstocken, weil ihrer Meinung nach die bisherigen Hilfen nicht ausreichen, Kinderarmut wirksam zu bekämpfen.
Widerspruch kam dagegen von den Liberalen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) verwies darauf, dass die Koalition gerade erst das Kindergeld angehoben habe. Und FDP-Vize Johannes Vogel sagte gegenüber dem Spiegel, Paus sei "auf dem völlig falschen Trip". Bei der Kindergrundsicherung gehe es schließlich um "eine Reform der Sozialverwaltung" und nicht um zusätzliche Sozialleistungen.
Mit der Kindergrundsicherung sollen die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder gebündelt werden. Ab dem Jahr 2025 sollen familienpolitische Leistungen wie Kindergeld, Bürgergeld für Kinder und Kinderzuschlag zusammengeführt werden. Die Hoffnung dabei ist, dass dadurch mehr Menschen die ihnen jetzt schon zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen werden.
Paus möchte nun, dass die Transferleistungen für Kinder schon vor der geplanten Einführung der Kindergrundsicherung steigen. Ein Grund dafür ist die Inflation. "Da sind zwei Milliarden schnell weg, ohne dass wir eine strukturelle Verbesserung erzielt haben", betonte sie. Ein anderer Grund ist die verdeckte Armut, also der Fall, dass Ansprüche auf Sozialleistungen bestehen, diese aber nicht bezogen werden.
Vor dem Treffen im Bundeskanzleramt hatten Kirchenvertreter noch einmal betont, dass Kinderarmut eines der gravierendsten Probleme in Deutschland sind. "Die soziale Herkunft, das belegen sämtliche Studien, wirkt sich auf Bildungschancen aus", sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus.
Durch Kinderarmut entstehe ein Schaden, der sich bis ins Alter hinein durch einen ganzen Lebensweg ziehe. Und vor diesem Hintergrund betonte Kurschus: "100 Milliarden Euro für die Armutsbekämpfung wären gut investiertes Geld".
Am Freitag hatte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, gefordert, dass endlich damit aufgehört werde, die Kinderarmut als strukturelles Problem kleinzurechnen. "Eine gute Kindergrundsicherung darf nicht im Milliardenpoker um Verteidigungsausgaben und Rückstellungen für den Austausch von alten Öl- und Gasheizungen auf der Strecke bleiben", betonte sie.
Eltern mit geringen Einkommen benötigten dringend Geld, um den Kindern gesunde Mahlzeiten, Kleidung und Spielsachen kaufen zu können, so Bentele. Und sie verwies auf Daten des Familienministeriums, nach denen Familien nach der Coronapandemie und den hohen Inflationsraten besonders belastet seien.
In einem Offenen Brief hatten am Freitag Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Zukunftsforum Familie (ZFF) Bundesfinanzminister Christian Lindner aufgefordert, seine Blockadehaltung endlich aufzugeben.
"Seit Jahrzehnten stagniert die Armut von Kindern und Jugendlichen in unserem Land auf hohem Niveau", erklärte Michael Groß, Vorsitzender des Präsidiums des AWO-Bundesverbandes. Und das hat erhebliche Folgen für die Kinder: "Ihr Selbstwertgefühl leidet, sie haben schlechtere Chancen auf ihrem Bildungsweg und ihr Risiko, krank zu sein, ist deutlich höher".
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