Klagewelle: Muss die Scholz-Regierung Waffenexporte nach Israel stoppen?

Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Solidaritätskundgebung für Israel und gegen Antisemitismus.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Solidaritätskundgebung für Israel und gegen Antisemitismus. Bild: Timeckert / Shutterstock.com

Mehrere Klagen und Anzeigen laufen. Nicaragua und deutsche Anwälte verlangen Stopp von Militärexporten. Wie Israels Gaza-Krieg mit deutscher Hilfe betrieben wird.

Heute und morgen muss sich Deutschland wegen Beihilfe zu Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) verantworten. Nicaragua klagt die deutsche Regierung an, gegen die Völkermord-Konvention zu verstoßen.

Deutsche Waffen eingesetzt bei Völkerrechtsverletzungen?

Damit soll erreicht werden, dass Deutschland seine Waffenexporte nach Israel einstellt und die Finanzierung des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen UNRWA wieder aufnimmt.

Gleichzeitig hat eine deutsche Anwaltsgruppe gegen die Scholz-Regierung einen Eilantrag beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Damit soll ebenfalls die Genehmigung von Kriegswaffenexporten nach Israel gestoppt werden. Die Anwälte klagen im Namen von Palästinensern in Gaza.

Es gebe Grund zu der Annahme, so das Juristen-Team, dass die Waffen für Völkerrechtsverletzungen wie Völkermord und Kriegsverbrechen eingesetzt werden. Man verweist dabei auf die Entscheidung des Internationalen Gerichtshof (IGH) vom 26. Januar, der bereits vorläufig festgestellt hat, dass Israel im Gaza-Krieg plausibel Genozid begehe.

Verstoß gegen deutsches Kriegswaffenkontrollgesetz

Die Bundesregierung verstoße mit den Waffenlieferungen und Unterstützungsleistungen gegen Auflagen des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes, so die Berliner Anwälte. Danach dürfen Waffenexporte nicht genehmigt werden, wenn der Empfängerstaat, in diesem Fall Israel, damit gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verstößt.

Die Klage wird unterstützt von unterschiedlichen Organisationen, darunter European Legal Support Center, Palestine Institute for Public Diplomacy, Law for Palestine und Forensis.

"Da es Grund zu der Annahme gibt, dass diese Waffen eingesetzt werden, um schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen, wie z.B. Völkermord und Kriegsverbrechen, fordern die Antragsteller [Gaza-Bewohner], dass die deutsche Regierung ihr Recht auf Leben schützt", heißt es in einer Presseerklärung der Unterstützergruppen.

Trotz weltweiter Empörung: Bundesregierung liefert weiter Waffen

Die Anwälte betonten auf einer Pressekonferenz am Freitag, dass Deutschland eine "verfassungsmäßige Verantwortung hat, menschliches Leben zu schützen". Ahmed Abed, ein Anwalt, der palästinensische Familien in der Klage vertritt, sagte:

Die deutsche Regierung muss ihre Waffenexporte nach Israel stoppen, da sie gegen das Völkerrecht verstoßen. … Die Regierung kann nicht behaupten, dass sie sich dessen nicht bewusst ist.

Trotz der weltweiten Empörung über die israelische Kriegsführung in Gaza und der Missachtung Israels, den IGH-Anweisungen zu folgen, hält die Bundesregierung, wie auch die Biden-Regierung in den USA, weiter daran fest, Israel militärisch zu unterstützen. Man verweist dabei auf die historische Verantwortung Deutschland, die sich aus der Zeit des Nationalsozialismus und dem Holocaust ergebe.

Insgesamt sind in Bezug auf Deutschland mehrere Klagen und Anzeigen anhängig, die sich auf die Unterstützung Israels beim Krieg in Gaza beziehen. Schon im Februar stellten Anwälte einiger der gleichen Gruppen, die an der neuen Klage beteiligt sind, und der Politiker und Publizist Jürgen Todenhöfer Strafanzeige gegen deutsche Regierungsvertreter, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wegen "Beihilfe" zu Israels Völkermord in Gaza.

Zugleich hat eine Kanzlei im Namen eines palästinensischen Arztes aus Berlin Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht erhoben. Es geht um den Stopp der Waffenlieferungen. Die Klage läuft ebenfalls ab Februar.

Die Kläger können dabei auf andere erfolgreiche Klagen verweisen. So entschied ein niederländisches Berufungsgericht am 26. Februar, dass die Lieferung von Ersatzteilen für die Kampfjets F-35 an Israel gestoppt werden muss.

Deutschland ist zweitgrößter Waffenlieferant für Israel

Zudem läuft, wie schon erwähnt, die Klage Nicaraguas am IGH gegen Deutschland, in der die Regierung beschuldigt wird, Israel beim Völkermord an den Palästinensern zu unterstützen.

Deutschland ist einer der größten Waffenlieferanten Israels. Die Organisation Forensis – eine Schwesterorganisation von Forensic Architecture – hat diverse Daten aus Regierungsdokumenten und Monitoring-Gruppen ausgewertet.

Nach dem im März veröffentlichten Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri) stammen 30 Prozent der israelischen Waffenimporte in der Zeit von 2019 bis 2023 aus Deutschland. 69 Prozent werden von US-Firmen bereitgestellt.

In diesen fünf Jahren hat Deutschland Exportgenehmigungen nach Israel für Rüstungsgüter im Wert von über 1,1 Milliarden Euro ausgestellt.