Klagewelle gegen Bayer-Konzern: Krebs durch Pestizide?

Seite 2: Chronische Krankheiten gefährden Kinder und Landarbeiter

Inzwischen zeigen mehrere Studien, dass die Zunahme von Krebs und anderen chronischen Leiden in Brasilien sehr wohl mit der exponentiellen Zunahme des Pestizideinsatzes zu tun hat. Eine Studie von 2022 bringt so genannte Organochlorpestizide (die meisten der untersuchten Gruppe von Pestiziden) mit erhöhten Krebsraten bei Kindern und Erwachsenen in Verbindung.

Bereits 2013 veröffentlichte das Journal of Toxicology and Applied Pharmacology eine Analyse der wissenschaftlichen Literatur mit einer ganzen Reihe von Belegen, die hohe Pestizidexpositionen mit chronischen und teils tödlichen Krankheiten – wie verschiedenen Krebsarten, aber auch Diabetes, neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder amyotropher Lateralsklerose (ALS), angeborenen Fehlbildungen und Fortpflanzungsstörungen – in Zusammenhang bringen.

Weltgesundheitsorganisation und Toxikologen aus der ganzen Welt warnen teilweise seit Langem vor den katastrophalen Auswirkungen, die Pestizide auf die Umwelt, die menschliche Gesundheit und die Gesellschaft insgesamt haben.

Wenn Kinder in frühen und kritischen Entwicklungsphasen außergewöhnlichen Risiken ausgesetzt seien, könne dies für sie schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben: von Kopfschmerzen, Hautreizungen oder Übelkeit bis hin zu schweren Organschäden. Laut einem Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) von 2021 enden jährlich mindestens 11.000 Vergiftungsfälle tödlich. Betroffen sind vor allem Bauern und Landarbeiterinnen in den armen Ländern des globalen Südens.

Allerdings: Oft ist der kausale Zusammenhang zwischen Pestiziden und chronischen Erkrankungen nicht so einfach zu belegen, da die Symptome sich in der Regel erst nach vielen Jahren entwickeln und durch vielfältige Faktoren verursacht oder begünstigt werden.

USA: Kampf um Schadenersatz geht in die nächste Runde

Während in Brasilien an Krebs Erkrankte einen kausalen Zusammenhang mit Agrochemikalien möglichst zweifelsfrei nachweisen sollen, kämpfen Erkrankte in den USA bereits seit Jahren um Schadenersatz. Wie etwa der 83-jährigen Ernie Caranci, der Glyphosat für sein Krebsleiden verantwortlich macht und den Bayer-Konzern vor einem Gericht in Philadelphia verklagte.

Er bekam kürzlich 25 Millionen US-Dollar Schadenersatz sowie 150 Millionen Dollar Strafschadenersatz zugesprochen. Daraufhin kündigte Bayer an, dieses und ein anderes ähnliches Urteil anzufechten. Zuvor hatte der Konzern, der Glyphosat nach wie vor als ein "sicheres Mittel" verkauft, in neun Fällen gewonnen.

Seit Bayer 2018 mit 60 Milliarden Dollar Monsanto übernahm, brachte ihm der glyphosathaltige Unkrautvernichter Roundup jede Menge Ärger ein: Noch im selben Jahr setzte ein Urteil eine Klagewelle in Gang. 2020 legte Bayer ein milliardenschweres Programm auf, um den Großteil der Klagen – ohne Haftungseingeständnis – beizulegen.

Im Frühjahr sollen von inzwischen 154.000 angemeldeten Ansprüchen rund 109.000 verglichen worden sein oder die Vergleichskriterien nicht erfüllen. Mit einem extra dafür angelegten Budget von 6,4 Milliarden US-Dollar will Bayer die Vergleiche bestehender und künftiger Glyphosat-Klagen bestreiten.