Klima-Killer: Wie die Kriege in der Ukraine und Gaza die Welt aufheizen

Seite 2: Tabu: Militär als Klimabombe

Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass ihre Berechnung eine "erste Momentaufnahme" darstellt und einen konservativen, auf einige besonders Kohlestoff-intensive Bereiche limitierten Ansatz verfolgt. Zudem müssten die Militäroperationen im Westjordanland und die Schlagabtausche an der israelisch-libanesischen Grenze einbezogen werden.

Die beiden Kriegsstudien zu den Klimaeffekten in der Ukraine und Gaza folgen einer Reihe von wissenschaftlichen Versuchen, die die Emission von Treibhausgasen des militärischen Sektors global zu bestimmen. Denn bisher gibt es dazu kaum offizielle und umfassende Daten.

Das liegt daran, dass die an den Klimaabkommen teilnehmenden Staaten von den Vereinten Nationen nicht verpflichtet werden, die Kohlenstoffemissionen ihrer Armeen, Flugzeuge, Kriegsschiffe und Waffen zu melden. Das ist vor allem den Interventionen der US-Regierungen unter George W. Bush und Barack Obama zu verdanken.

Die 5,5-Prozent-Marke

Die Erfassung der weltweiten Militär-Emissionen ist daher schwierig. Nur relativ wenige Länder legen ihre diesbezüglichen Daten freiwillig gegenüber den UN offen. So zeigt der Military Emissions Gap, dass im Jahr 2023 nur vier Länder belastbare Daten zu militärischen Treibstoffemissionen vorlegten. Zudem neigen die Streitkräfte zur Geheimhaltung.

Ein Bericht des Conflict and Environment Observatory aus dem Jahr 2022 legt nach eigenen Recherchen nahe, dass das Militär für etwa 5,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist – aber das könnte die wahre Dimension unterschätzen. Schon damit wäre aber der Kohlenstoff-Fußabdruck des Militärs größer als der jedes einzelnen Landes, außer den USA, China und Indien.

Die Mengen an Treibhausgasen, die das US-Militär erzeugt, sind mit Abstand die höchsten im Vergleich mit den Streitkräften anderer Staaten. Die Emissionen des Pentagon liegen sogar höher als der jährliche Kohlenstoffausstoß von 150 individuellen Ländern und Regionen, einschließlich Norwegen, Irland und Aserbaidschan.

Das Pentagon ist Spitzenreiter

Das US-Verteidigungsministerium gibt für das Jahr 2022 an, dass die Streitkräfte geschätzt fast 50 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen haben. Und das sind nicht einmal alle Emissionen, da Angriffe und ihre Effekte nicht beachtet werden.

Das US-Militär ist damit der größte institutionelle Emittent. Das liegt an den globalen militärischen Operationen der USA, aber auch am Betrieb von mehr als 700 US-Militärstützpunkten weltweit.

Dabei werden nach Angaben von Neta Crawford, Autorin des Buchs "The Pentagon, Climate Change and War", 20 Prozent der jährlichen Militäremissionen allein dadurch ausgestoßen, dass die USA ihre fossilen Brennstoff-Interessen in der Golfregion sichern wollen. Einem Hotspot der Klimakrise, der sich doppelt so schnell erwärmt wie der Rest der bewohnten Welt.

Aus Klimasicht – und nicht nur deswegen – ist es sehr beunruhigend, dass die Welt immer stärker militarisiert und kriegerisch wird. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die Zahl der Konflikte in der Welt auf den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg geklettert.

Aufrüsten = Aufheizen

Zugleich nehmen die militärischen Ausgaben global immer mehr zu, während im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine vor allem europäische Länder und die EU Aufrüstungsoffensiven gestartet haben.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) prägte vor zwei Jahren den Begriff "Zeitenwende", der vor allem militärisch zu verstehen ist, um im gleichen Atemzug ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro einzurichten. Die deutschen Militärausgaben konnten damit im letzten Jahr erstmals seit Jahrzehnten die Nato-Vorgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Ein Rekord, der als Ausdruck von globalem Verantwortungsbewusstsein in Deutschland gewürdigt wird.

Bei der Diskussion um eine Fortführung des Ukraine-Kriegs, der Kämpfe Israels in Gaza und der Aufrüstung, sprich der Erzielung von "Kriegstüchtigkeit", wird jedoch praktisch nie über die damit verbundenen massiven Treibhausgas-Emissionen und die Effekte auf die Klimakrise gesprochen.

Dabei fordern Klimawissenschaftler, Umweltorganisationen und zivilgesellschaftliche Akteure schon seit vielen Jahren, die "Klima-Killer" Militär und Krieg endlich in den Fokus zu nehmen. Es wird vor allem verlangt, dass die Emissionen der Armeen von ihrer Sonderbehandlung befreit und in die UN-Berichte aufgenommen werden, damit man nach Wegen suchen kann, sie zu reduzieren.

Die falsche Risikobewertung

Dann wären die Staaten verpflichtet, diesen Sektor zu dekarbonisieren, also emissionsfrei zu machen.

Am besten wäre es natürlich, die Militärs zu schrumpfen, die laufenden Kriege so schnell wie möglich zu beenden und Konflikte in Zukunft zivil zu lösen. Aber der gegenwärtige Trend geht in die andere Richtung.

Neta Crawford, Professorin für Internationale Beziehung an der Oxford University, hält das für fatal:

Wir bereiten uns ganz einfach auf die falschen Risiken vor, indem wir zu sehr auf das Militär setzen, während wir in Wirklichkeit eine viel schlimmere Notlage haben, mit der wir alle konfrontiert sind. Die Verlagerung militärischer Ressourcen in die [Energie-]Wende ist eine "niedrig hängende Frucht".