Klimagas unter die Erde
Statt den Ausstoß von Kohlendioxid zu vermindern, sucht Spanien ein unterirdisches Lager, um es dort verschwinden zu lassen und so die Klimaschutzziele zu erfüllen
Die spanische Regierung hat ein Pilotprojekt angekündigt, mit dem das Treibhausgas Kohlendioxid unter Druck in den Untergrund gepumpt werden soll. So will das Land, das in Europa an der Spitze beim Verstoß gegen Kyoto-Protokoll liegt (vgl. Spanien liegt an der Spitze beim Verstoß gegen Kyoto), seine Klimaschutzziele erreichen. Umweltschutzorganisationen bezeichnen diese Politik als "gefährlichen Fehler".
Spanien hat ein großes Problem. Die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) steigen und steigen. Das treibt in dem europäischen Staat Stilblüten, wo die Zielvorgaben und Realität des Kyoto-Protokolls am weitesten auseinander klaffen. Irgendwie will die sozialistische Regierung, die sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hatte, ihren Zielen gerecht werden: Wenn auch nur auf dem Papier.
Denn bisher fällt der Zuwachs an CO2 Emissionen drei Mal so hoch aus, als dem Land zugebilligt wird. 15 Prozent dürfte Spanien über dem Referenzwert von 1990 liegen. Doch schon 2004 lag es um 45,61 darüber. Neuzulassungen, ein robustes Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent und einem Rekordverbrauch, wird die Bilanz 2005 noch schlechter ausfallen lassen. Dabei wird der CO2-Ausstoß der Waldbrände nicht eingerechnet, die große Flächen vernichtet haben, die eigentlich CO2 binden. Mehr als 21.000 Brände wurden bisher gezählt und mit mehr als 130.000 Hektar abgebrannter Fläche wurde jeder Rekord gebrochen. Das hat weniger mit der Dürre zu tun, als vielmehr mit einem Gesetz zum Brandschutz, dass im Januar in Kraft treten soll (vgl. Ein Drittel Spaniens droht zur Wüste zu werden).
Weil die Regierung keine radikale Schritte gehen will, hat der Verantwortliche für "Prävention der Kontamination und Klimaschutz" im Umweltministerium nun angekündigt, man wolle in einem Pilotprojekt die Möglichkeit untersuchen, CO2 mit Hochdruck in den Boden zu pumpen. Arturo Gonzalo Aizpiri hält dies für eine "interessante Alternative für die Zukunft”. Spanien werde zur "weltweiten Sensation für eine flexible und ökonomisch mögliche Alternative”.
Abgesehen von der Tatsache, dass er das Ergebnis des Pilotprojekts schon vorweg nimmt, hat das mit der Präventionsaufgabe seiner Abteilung bestenfalls im Orwellschen Sinn etwas zu tun. Zudem baut Vattenvall schon das erste Braunkohlekraftwerk mit "Clean-Coal"-Verfahren beim deutschen Spremberg. Das ist das Modewort für ein angeblich "emissionsfreies Kraftwerk". Auch in Deutschland wird über die unterirdische Lagerung diskutiert.
Jedenfalls wurde in Spanien das Zentrum für Studien zur Energie, Umwelt und Technologie (Ciemat), das vom Forschungsministerium abhängt, damit beauftragt, eine Pilotanlage zu errichten. Dafür werden 90 Millionen Euro bereitgestellt. Das Klimagas soll aufgefangen und mit einem Druck von etwa 100 Bar verflüssigt werden. Eine Tonne, die dann noch 1,3 Kubikmeter ausmachten, könne dann im Untergrund gelagert werden.
Das Ciemat baut schon eine kleine Anlage in Ponferrada, bei León. Bei El Bierzo in Asturien soll die neue Pilotanlage entstehen, um die Technologie zu verbessern und zu verbilligen, die schon in den USA angewandt wird (vgl. Die Sonnenenergie von gestern). Ein Problem sei bisher die geringe Konzentration von CO2 im Abgas, die bei 15 % liege und auf 40 % erhöht werden soll. Der Verbrennungsvorgang soll in der Forschungsanlage mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Gas angeheizt werden, womit sich das CO2 reiner abtrennen und verflüssigen lässt. Juan Otero, der Ciemat-Projektverantwortliche, gibt an, bisher koste es etwa 30 Euros um eine Tonne CO2 abzufangen und zu lagern. Das sei teurer als der Kauf von Emissionsrechten, weshalb der Preis gedrückt werden müsse, damit es für Firmen rentabel sei.
Greenpeace sieht darin den völlig falschen Weg. Er sei teuer, benötige den Aufbau neuer Infrastrukturen und verlagere das Problem auf kommende Generationen, meint der Sprecher der Energiekampagne José Luis García Ortega: "Wir können nicht weiter massiv Energiequellen benutzen, die CO2 erzeugen, das wir lagern, damit spätere Generationen eine Lösung dafür finden". Zudem müssten dabei 30 % mehr Energie aufgewendet werden, womit neues CO2 entsteht.
Wegen Wassereinbruch in Minen, wo die Lagerung geplant ist, könne es auch zum massiven Austritt des CO2 kommen, weil die Schichten brüchig würden. Deshalb warnen auch die Grünen vor den Gefahren, die mit einer solchen Lagerung verbunden seien. Deren Sprecher im Madrider Parlament Francisco Garrido, bezeichnet das Vorhaben der Regierung als "illusorisch" und "sehr gefährlich". Neben den hohen Kosten führt er die Gefahr eines "massiven Austritts" mit "katastrophalen" Folgen an. Er nennt das Beispiel des Vulkansees Nyos in Kamerun. Dort habe sich im Untergrund auf natürliche Art CO2 angesammelt und sei 1986 plötzlich ausgetreten und "hat 1.700 Menschen und Tausende Tiere erstickt". Die Partei, welche die sozialistische Minderheitsregierung stützt, kritisiert, man "erzeuge technokratische Illusionen" statt in die Forschung von erneuerbaren Energien zu investieren.