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Klimaschutz: CDU-Chefin laviert herum

Symbolbild: Pixabay License

Die Energie- und Klimawochenschau: AKK will die Klimaproteste aussitzen, in Sibirien und Alaska brennen die Wälder und Alaskas Gouverneur findet Forschung unwichtig

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer äußert sich im ZDF-Sommerinterview [1] (ab Minute 6:30) zum Klimaschutz, schafft es allerdings dabei, weder die Pariser Klimaschutzübereinkunft [2] und die darin festgehaltenen Ziele zu erwähnen noch die seit über einem halben Jahr anhaltenden weltweiten Proteste der Schüler [3].

In der französischen Hauptstadt hatten sich 2015 die Staaten nach Jahre langem zähen Ringen darauf verständigt, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie unter 1,5 Grad Celsius zu halten.

Auch die deutschen Klimaschutzziele für 2020 (Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990) lässt die CDU-Chefin unerwähnt. Die aktuelle Bundesregierung hatte bereits vor eineinhalb Jahren in ihrem Koalitionsvertrag zu erkennen gegeben, dass sie keinen Finger für sie zu rühren gedenkt. Lediglich vom Klima-Ziel für 2030 (55 Prozent Reduktion gemessen an 1990) spricht Kramp- Karrenbauer.

Dieses Ziel solle "mit Marktwirtschaft, mit Technologie" erreicht werden. Die Bundesregierung werde im September eine "Klimaschutzgesetzgebung" vorlegen. Allerdings sind sowohl das 2030er Ziel als auch die ebenfalls unerwähnt bleibenden langfristigeren Ziele für 2040 und 2050 weit davon entfernt, Deutschlands aus der Pariser Übereinkunft und der UN-Klimaschutzrahmenkonvention erwachsende Verpflichtungen zu erfüllen.

Oder mit anderen Worten: Von den CO2-Emissionen, die sich die Welt noch erlauben kann, um das Ziel der Pariser Übereinkunft einzuhalten, stehen Deutschland 6,9 Milliarden Tonnen zu. Emittiert werden hier jährlich rund 800 Millionen Tonnen. (Im Einzelnen hat das Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hier [5] vorgerechnet.)

Der Treibhausgasausstoß müsste also wesentlich schneller reduziert werden, wenn man den Pariser Vertrag und den Klimaschutz wirklich ernst nehmen würde. Das zeigt ein Rechenbeispiel: Selbst wenn die Emissionen sofort auf 563 Millionen Tonnen vermindert würden, wie es die Bundesregierung erst für 2030 anstrebt, wäre bis zum Jahre 2030 Deutschlands Anteil aufgebraucht und die Emissionen müssten 2031 auf null runtergefahren werden.

Doch wie das so ist im deutschen Fernsehen: Der die CDU-Chefin interviewende Theo Koll vom ZDF war sichtlich um Wohlfühl-Atmosphäre bemüht und vermied jede kritische Nachfrage, jedes Erwähnen unangenehmer Fakten. Von dem 2020er Klimaziel schien er nie gehört zu haben, von Klimaprotesten der Schüler oder der Pariser Übereinkunft auch nicht. Gut bezahlter Spitzenjournalismus eben.

Ansonsten erfährt der Zuschauer noch, dass Kramp-Karrenbauer zwar eine irgendwie geartete Bepreisung von CO2-Emissionen will, sich aber in Sachen CO22-Steuer nicht festlegen mag, die ihr Parteifreund und Landsmann Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kurz zuvor abgelehnt hatte [6].

Auch sonst hat sie es nicht so sehr mit konkreten Aussagen, sagt zwar, dass alle Menschen mitgenommen werden müssten, erwähnt auch die Pendler, aber macht keinen einzigen Vorschlag, wie das geschehen soll. Muss sie, wie gesagt, auch nicht weiter, denn der Interviewer beschränkt sich aufs Stichworte geben und Mikrofon halten.

Hitzerekorde in Alaska

Derweil gibt es fast im Wochentakt neue Rekordmeldungen vom Klimawandel. Die jüngste kommt aus Alaska. Aus dessen Süden wird über die höchsten Lufttemperaturen seit Beginn der dortigen Wetteraufzeichnungen berichtet [7] In Anchorage kletterte das Thermometer Anfang Juli auf 32,2 Grad Celsius. Die Region liegt in etwa auf der gleichen Höhe wie Stockholm und in Küstennähe.

Temperatur in Anchorage in den letzten 365 Tagen. Unten die täglichen Maximal- und Minimalwerte, oben der Tagesdurchschnitt. Dabei sind die positiven Abweichungen vom langjährigen Mittel rot und die negativen blau gekennzeichnet. Über diese Abweichungen vom jeweiligen Tagesreferenzwert, die Anomalien, kann man wiederum ein laufendes Mittel bilden, was in der Mitte geschehen ist. Bild: NOAA [8]

Obige Grafik zeigt, dass es dort schon seit mindestens einem Jahr meist deutlich zu warm ist. Als Referenz für eine solche Aussagen nehmen Meteorologen und Klimaforscher den Mittelwert über eine 30 Jahresperiode. In den USA wird dafür der Zeitraum 1951 bis 1980 verwendet.

Waldbrände am Polarkreis

Die ungewöhnlichen Temperaturen sind dabei nicht auf Alaskas Süden beschränkt. Auch an der Nordküste des Bundesstaates ist es schon seit vielen Monaten zu warm, wie zum Beispiel die Daten aus Barrow [9] zeigen.

Dabei ist es nicht nur zu warm, sondern vor allem auch zu trocken. Entsprechend breiten sich in diesem Jahr am Polarkreis die Waldbrände besonders drastisch aus, wie unter anderem der Spiegel berichtet [10]. Allein in Alaska gebe es bereits 369 Brände. Ein Feuer in der russischen Republik Sacha (Jakutien) soll eine Fläche von 50 mal 25 Kilometern bedecken.

Der New Scientist spricht [11] wie der Spiegel von Feuern nie zuvor gesehenen Ausmaßes. In einigen Fällen sollen an die 100.000 Hektar in Flammen [12] stehen. Oft sind die Brände in so entlegenen Gegenden, dass sie für Löschversuche unerreichbar sind.

Besonders fatal: An vielen befindet sich in den Tundraböden Torf, der ebenfalls in Brand gerät. Insgesamt werden große Mengen CO2 freigesetzt. Der Spiegel zitiert Angaben des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen [13], wonach in diesem Jahr bereits 50 Millionen Tonnen freigesetzt worden seien. Das entspricht einem 16tel der deutschen Emissionen.

Kein Geld für Forschung

Für die Bewohner der Arktis sind die Folgen des Klimawandels bereits spürbar und können zum Teil drastisch sein. Durch das Auftauen wird die Versorgung schwieriger stellt ein Bericht [14] der Nunatsiaq News für Kanada fest. Krankheiten würden sich ausbreiten und der tauende Permafrost sorge für Zerstörungen an der Infrastruktur. Das Verarmungsrisiko nehme durch den Klimawandel zu.

Grund genug, genauer hin zu sehen, den rasch voranschreitenden Klimawandel näher zu untersuchen und vor allem Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln. Alles Dinge, wofür gut ausgerüstete Forschungseinrichtungen benötigt werden. Der Gouverneur von Alaska, Mike Dunleavy, scheint da anderer Ansicht zu sein. Er will, wie die britische Zeitung Guardian berichtet [15], der Forschung den Geldhahn zudrehen.

Der Haushalt der Universitäten des Bundesstaates soll um atemberaubende 41 Prozent gekürzt werden. Betroffen ist unter anderem die University of Alaska Fairbanks, die für die ganze USA und darüber hinaus eine herausragende Rolle in der Erforschung der Arktis spielt.

Monopolprofit ein wenig geschmälert

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat den Verbrauchern Kosten in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro erspart, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schätzt [16].

Demnach muss die Bundesnetzagentur den Übertragungsnetzbetreibern keine höheren Renditen einräumen. Diesen waren die bewilligten 6,91 bzw. 5,12 Eigenkapitalrenditen für ihr Monopolgeschäft zu wenig, weshalb sie vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf geklagt und dort Recht bekommen hatten. Dagegen hatte die Netzagentur vor dem BGH Beschwerde eingelegt, der nun stattgegeben wurde.

Das Übertragungsnetz stellt den mit Höchstspannung (Meist 380 zum Teil 220 Kilovolt) betriebenen Teil der elektrischen Netzinfrastruktur da. (Hier eine Karte in PDF-Format [17].) Die hohe Spannung ist notwendig, um den Leitungsverlust über große Entfernungen nicht zu hoch werden zu lassen. Nur so ist es möglich, Strom über Ländergrenzen hinweg oder von Nord- nach Süddeutschland zu transportieren.

Der Verlust ist aber immer noch beachtlich. Die Welt zitiert Angaben [18] von Siemens, wonach in den üblichen Wechselspannungsleitungen auf 800 Kilometer fast zehn Prozent der elektrischen Energie verloren geht.

Wie dem auch sei, die vier Netzbetreiber 50Hertz Transmission, Amprion, Tennet TSO und TransnetBW, teilen sich den deutschen Kuchen in historisch gewachsenen und meist nicht besonders sinnvoll zugeschnittenen Zonen. Vor der sogenannten Liberalisierung des Strommarktes gehörten sie den Konzernen Vattenfall, RWE, E.on und EnBW und sind zum Teil noch heute eng mit diesen verbandelt. In ihren jeweiligen Zonen haben sie ein Monopol inne.

Ihre Einnahmen bestreiten sie aus den Netzentgelten, die die Verbraucher in unterschiedlichem Maße bezahlen. In der Regel gilt dabei ähnliches wie bei anderen Komponenten des Strompreises: Private und andere Kleinverbraucher bezahlen oft erheblich mehr als industrielle Großabnehmer. Privatkunden und kleine Gewerbebetriebe zahlten 2018 durchschnittlich rund 7,5 Cent pro Kilowattstunde für Netz und Zähler. Diesen Posten teilen sich allerdings Versorgungsunternehmen und Übertragungsnetzbetreiber.

Eigentlich müssten die Netzentgelte jetzt sinken, denn bis Jahresanfang 2019 lagen ihnen noch höhere Renditen zu Grunde. Die Netzagentur hatte den Unternehmen auf Neu-Investitionen 9,05 Prozent und auf den Bestand 7,14 Prozent zugestanden. Staatlich garantierte Monopolgewinne sozusagen.

Es ginge auch anders...

Während die DUH sich für die Verbraucher freut, findet [19] der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft das BGH-Urteil nicht nachvollziehbar. Die festgelegte Höhe der Eigenkapitalverzinsung gehöre zu den niedrigsten in ganz Europa. Ein im Auftrag des BDEW erstellte Gutachten habe gezeigt, dass die Zinssätze in Deutschland 0,79 Prozentpunkte unter dem europäischen Durchschnitt liegen.

0,79 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt. Da fällt es schwer, sich eines sarkastischen Kommentars zu enthalten. Aber vielleicht abschließend der Hinweis auf Dänemark, wo seinerzeit mit der sogenannten Liberalisierung des Strommarktes das Übertragungsnetz einer öffentlich-rechtlichen Gesellschaft übertragen wurde. Diese arbeitet ohne Gewinn und investiert ihren geringen Überschuss in Forschung und Entwicklung.

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Ziel: Das Netz für die erneuerbaren Energieträger fit zu machen, Speicher zu entwickeln und die dezentrale Struktur der Stromerzeugung zu unterstützen. Das Ergebnis: Dänemark hat eines der weltweit stabilsten Netze, zahlreiche dezentrale Blockheizkraftwerke und einen Anteil der Windenergie an der Stromversorgung von durchschnittlich rund 50 und manchmal auch über 100 Prozent.


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https://www.heise.de/-4466746

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.zdf.de/politik/berlin-direkt
[2] https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-paris-agreement
[3] https://www.heise.de/tp/news/Schulstreiks-Lob-von-der-OPEC-4464485.html
[4] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/de_indikator_klim-01_emission-treibhausgase_2019-04-25.png
[5] https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/wie-viel-co2-kann-deutschland-noch-ausstossen/
[6] https://www.welt.de/politik/deutschland/article196467525/CO2-Bepreisung-Peter-Altmaier-stellt-sich-gegen-Steuerplaene-von-Svenja-Schulze.html
[7] https://www.tagesschau.de/ausland/alaska-temperaturrekord-101.html
[8] https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/global_monitoring/temperature/tn70273_1yr.gif
[9] https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/global_monitoring/temperature/tn70026_1yr.gif
[10] https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/arktis-riesige-buschfeuer-stossen-50-megatonnen-kohlendioxid-aus-a-1276007.html
[11] https://www.newscientist.com/article/2208610-unprecedented-arctic-megafires-are-releasing-a-huge-amount-of-co2/
[12] https://twitter.com/LSEGeography/status/1147087753894666240
[13] https://www.ecmwf.int/
[14] https://nunatsiaq.com/stories/article/northern-communities-face-one-of-biggest-climate-change-risks-study-says/
[15] https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/jul/06/mike-dunleavy-alaska-university-system-budget-cuts?CMP=share_btn_tw
[16] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/bundesgerichtshof-entlastet-verbraucher-bei-kuenftigem-stromnetzausbau-um-milliarden/
[17] https://www.vde.com/resource/blob/1361716/4ae6aaa1163060cd6c186bc574711ec2/vde-fnn-karte-stromnetz-deutschland-2018-data.pdf
[18] https://www.welt.de/dieweltbewegen/article106292399/Neue-Technik-transportiert-Strom-verlustfrei.html
[19] https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/bgh-urteil-nicht-nachvollziehbar/
[20] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html