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Klimawandel: Der weltweit wärmste Juni

Extreme Maximaltemperaturen in Europa vom 23. bis 29. Juni 2019 (Bildausschnitt - größeres Bild und Gesamtskala: hier). Bild: NOAA/gemeinfrei

Die Energie- und Klimawochenschau: Temperaturrekorde, Brände auf Grönland, die kommende CO2-Steuer und das Leid der Flüchtlinge in Bangladesch

Und wieder gibt es einen neuen Klimarekord: Der zurückliegende Juni lag im globalen Mittel 0,93 Grad Celsius über dem Durchschnitt der Jahre 1951 bis 1980, wie aus den Daten [1] des Goddard Institute for Space Studies der US-Raumfahrtbehörde NASA hervorgeht. Damit ist er der wärmste Monat in der Zeitreihe, die bis ins Jahr 1880 zurück reicht.

Der Juni 1880 war übrigens im globalen Mittel 1,14 Grad Celsius kälter als der Juni 2019, aber das könnte natürlich ein Ausrutscher sein. Deshalb schauen sich Meteorologen und Klimaforscher für gewöhnlich 30 Jahresperioden an. Das Ergebnis ist allerdings ebenso drastisch, der Juni 1880 war für damalige Zeiten normal. Der Juni 2019 war beachtliche 1,17 Grad Celsius wärmer als der Mittelwert für den gleichen Monat über die Jahre 1880 bis 1909.

Auch sonst war 2019 bisher ziemlich warm und lag im Mittel um fast ein Grad Celsius über dem Referenzwert. Nur 2016 und 2017 war es im ersten Halbjahr noch etwas wärmer. Die globale Erwärmung schreitet also voran, nur bei den politischen Verantwortlichen hapert es weiter mit der notwendigen Erkenntnis.

Abweichung der Junitemperaturen vom lokalen Juni-Mittel der Jahre 1951 bis 1980. Bild NASA/GISS

Insbesondere in Europa und in weiten Teilen der Arktis war der Juni zu warm, wie obige Grafik zeigt. In der Arktis ist das Meereis inzwischen im entsprechend schlechtem Zustand und am Polarkreis gab es in diesem Jahr schon so viele Brände, wie nie zuvor [2]. Auch auf Grönland brennt es, wie die NASA berichtet [3].

Kommt die CO2-Steuer?

Derweil scheint sich die Idee einer CO2-Steuer langsam durchzusetzen. Strittig scheinen nur noch Höhe und Ausgestaltung, wobei das "nur" natürlich eine Untertreibung ist, denn die beiden Dinge werden entscheidend sein, ob eine solche Steuer tatsächlich die CO2-Emissionen rasch und nachhaltig drosseln kann und dabei zum anderen die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht weiter vertieft, also die unteren Einkommensgruppen nicht noch stärker belastet.

In einem von der Bundesregierung bestellten Sondergutachten [4] des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung [5] wurde letzte Woche "ein einheitlicher Preis für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2)" gefordert, verbunden mit dem Rat, für diesen auch international zu werben und "kleinteilige" Zielvorgaben für einzelne Sektoren zu unterlassen. Der Markt werde mit einem, allerdings politisch bestimmten, CO2-Preis das weitere schon regeln.

Aber Preis ist nicht das gleiche wie Steuer. Die Gutachter favorisieren eigentlich eine Ausweitung des Emissionshandel auf alle Bereiche, also auch die Kraftstoffe für den Verkehr und die zum Heizen verwendeten fossilen Brennstoffe. Allerdings sehen sie, dass dies nicht von heute auf morgen innerhalb der EU durchsetzbar ist - das Emissionshandelssystem ETS funktioniert EU-weit - und schlagen daher eine CO2-Steuer als schnell zu realisierende Übergangslösung vor.

Die Steuer solle aber keine zusätzlichen Einnahmen für den Staat generieren sondern ausschließlich in Klimaschutz investiert und ansonsten den Bürger zurückgegeben werden. "Um in der Bevölkerung die Akzeptanz für die CO2-Bepreisung zu erhöhen, sollten die daraus erwachsenden Einnahmen zurückverteilt und dies sozial ausgewogen gestaltet werden", so die Gutachter, die in den Mainstreammedien gerne als "Wirtschaftsweise" tituliert werden.

Eine Option wäre eine Kopfpauschale, von der den Gutachtern zufolge die unteren Einkommensgruppen im Durchschnitt und insbesondere Familien profitieren würden. Auch schlagen sie vor, direkte Steuern oder Sozialabgaben mit den Einnahmen zu reduzieren oder den Strom günstiger zu machen.

Hier böte sich ihrer Meinung nach an, die Stromsteuer abzuschaffen und die EEG-Umlage aus Steuermitteln zu finanzieren. Für Privathaushalte würde die Kilowattstunde Strom damit um fast neun Cent billiger, was für den Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden eine Ersparnis von 360 Euro im Jahr bedeuten würde.

Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte bereits Anfang des Monats eine "sozial ausgeglichene" CO2-Steuer vor, wie die Tagesschau am 5. 7. berichtete [6]. Pendler müssten die zusätzliche Belastung zurückbezahlt bekommen, sodass diese entweder ausgeglichen werde oder sie, wenn sie ein bisher genutztes Auto stehen ließen, finanziell besser gestellt sind.

Verhinderungspolitik in Düsseldorf

Nur Wirtschaftsminister Peter Altmaier scheint sich noch nicht recht mit einer CO2-Steuer anfreunden zu können. Aus seinem Haus wurde Anfang der Woche ein Vorschlag vorgestellt [7], den Emissionshandel auf weitere Sektoren auszudehnen. Dazu hat eigentlich der Wirtschafts-Sachverständigenrat schon alles Wesentliche gesagt: Das würde Zeit brauchen, die wir nicht haben. Den Sachverständigen schwebt übrigens ein CO2-Preis in Höhe von 35 Euro pro Tonne vor, während die Fridays-For-Future-Schüler 180 Euro pro Tonne fordern [8]. Etwas in Vergessenheit gerät bei all dem jedoch, dass es marktwirtschaftliche Hebel und Steueranreize kaum richten können.

Insbesondere nicht, wenn zugleich mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen der Ausbau der erneuerbaren Energieträger behindert wird. In Nordrheinwestfalen hat Ende letzter Woche die schwarz-gelbe Mehrheit einen neuen Landesentwicklungsplan verabschiedet, über den der WDR schreibt [9], dass neue Windkraftanlagen künftig 1,5 Kilometer Abstand zur Wohnbebauung halten müssen.

Das sei eine "Totalbremse", kritisiere die Opposition. In Wäldern könnten künftig ebenfalls keine Anlagen mehr errichtet werden. Das Umweltbundesamt hatte im März in einem Positionspapier [10] beschrieben, wie sehr die Mindestabstände der Energiewende schaden.

Ein Abklingbecken voller Bombenstoff

Für einige empörte Reaktionen hatte letzte Woche ein Blogbeitrag hier auf Telepolis [11] gesorgt, der über das waffenfähige Uran berichtete, mit dem in Garching bei München hantiert wird. Interessanterweise schien die gleichen Gemüter deutlich weniger aufzuregen, dass die Betreiber des Forschungsreaktors FRM II die Betriebsgenehmigung fortsetzt und dabei schwerwiegend verletzt und diese damit vermutlich als illegaler Betrieb anzusehen ist.

Wie dem auch sei. Bei dem im FRM II eingesetzten hochangereichertem Uran handelt es sich um Uransilicid und das kann in der Tat nicht direkt in Atombomben eingebaut werden. Aber das bombenfähige Uran lässt sich, wie Alexander Glaser [12] von der Princeton University in den USA gegenüber Telepolis in einer Email bestätigt, sehr leicht aus dem Silicid extrahieren. Das sei schon 1983 in einer Studie beschrieben worden, die hier [13] bei der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) nachzulesen ist.

Beim Umweltinstitut München [14] sieht man das ganz ähnlich. Hauke Doerk erklärt gegenüber dem Autor, dass für die Abtrennung zwar eine weitere Anlage nötig sei, der Prozess aber im Vergleich zur Anreicherung eher unkompliziert sei. Dies gelte für frische wie abgebrannte Brennstäbe gleichermaßen.

Oder mit anderen Worten: In dem inzwischen randvollen Abklingbecken des FRM II in Garching lagert jede Menge Material, aus dem jederzeit mit wenig Aufwand hochangereichertes Uran - in den abgebrannten Brennstäben beträgt der U235-Anteil noch immer 87 Prozent - in metallischer Form extrahiert und damit Atombomben bestückt werden können.

Der FRM II habe unabhängig von den Motiven der Betreiber und der Genehmigungsbehörden, so Doerk, den zivilen Markt für hochangereichertes Uran belebt, und das birge trotz Kontrolle der IAEA Risiken der unerwünschten Weiterverbreitung ("Proliferation" von Fachleuten genannt). Im Übrigen gebe es noch keine Lösung für die Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe. Laut Betriebsgenehmigung müsste das Material vorher verdünnt werden, was bisher noch nicht geschehen sei. Ein Schelm, wem dabei Böses schwant.

Dem Monsun ausgeliefert

Nach dem Teile Südasiens eine schwere Hitzewellen hinter sich haben - Ereignisse, die zunehmen und Teile Indiens künftig unbewohnbar machen könnten [15] -, bringt die Monsun-Saison nun Abkühlung, aber auch neue Gefahren. Die mit ihr verbundenen, zum Teil extrem starken Niederschläge verursachen Erdrutsche und Überschwemmungen.

Besonders betroffen sind wie immer die Ärmsten. Der Hohe Kommissar der UN für Flüchtlinge, der UNHCR, beklagt in einer Email-Aussendung die Lage der Rohingya [16]. Von ihnen sind rund 740.000 aus Myanmar nach Bangladesch geflohen, wo sie größeren Teils in Cox's Bazar nahe der Grenze zwischen den beiden Ländern in einem Camp leben, das der UNHCR als das größte Flüchtlingslager der Welt beschreibt.

Die Menschen würden in einfachsten Behausungen aus Bambus und Plastikplanen leben, die dem Regen kaum standhielten. 600 Unterkünfte seien von dem wochenlangen Regen bereits zerstört. Besonders gefährdet seien Kinder, die gut die Hälfte der Flüchtlings-Gruppe ausmachten.

Für einen Teil der Rohingya könnte die Lage künftig noch gefährlicher werden. Die Regierung will 100.000 von ihnen auf eine unbefestigte und durch Sturmfluten gefährdete Insel vor der Küste [17] umsiedeln, die im Wesentlichen aus Schwemmland besteht.

Mal wieder ein Black out

Ein Teil der Bewohner New Yorks, der Stadt der legendären Stromausfälle, [18] bekam am Wochenende mal wieder einen leichten Geschmack davon, wie sehr unsere moderne Gesellschaft auf die ununterbrochene Versorgung mit Strom angewiesen ist. Am Samstagabend brach in einem Teil des Stadtteils Manhattan das Netz zusammen. Betroffen waren 70.000 Menschen, berichtet [19] die Zeit. Es habe ein "mechanisches Problem" im Netz gegeben.

Zuletzt hatte es größere Ausfälle während des Tropensturms "Sandy" gegeben, der 2012 New York City und die umliegenden Küstenstreifen verheert hatte [20]. Seinerzeit hatte sich für einige Bewohner kommunaler Wohnblöcke bewährt, dass diese hauseigene Blockheizkraftwerke haben, die die Versorgung aufrecht hielten.

Der Bundesstaat New York, zu dem New York City gehört, besitzt zahlreiche kleine und größere Wasserkraftwerke. Rund 28 Prozent tragen diese zur dortigen Stromproduktion bei. Weitere sechs Prozent beträgt der Anteil anderer erneuerbarer Energieträger, wie aus den Daten [21] der Energy Information Agency hervorgeht. Gas- und Atomkraftwerke tragen 35 und 29 Prozent bei, Kohle spielt praktisch keine Rolle.

Bis 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energieträger auf 50 Prozent erhöht werden. Allerdings sind die vier Atomkraftwerke des Bundesstaates, die bisher ein knappes Drittel der Stromproduktion abdecken, bereits 49, 44, 43 und 31 Jahre alt. Mindestens drei von ihnen werden also bis 2030 aus dem Dienst genommen werden müssen.

Würde also der Anteil der Erneuerbaren tatsächlich nur um 26 Prozentpunkte auf 50 Prozent steigen, müsste ein Teil der AKW durch Erdgas- oder besser Frackinggaskraftwerke ersetzt werde. Unterm Strich würde sich der Kohlendioxidausstoß der New Yorker Stromproduktion also sogar etwas erhöhen. Aber zum Glück ist das eher unwahrscheinlich, weil zum einen das Frackinggas voraussichtlich künftig deutlich teurer, Solar- und Windenergie aber billiger wird und vor allem weil insbesondere in New York City die Lokalpolitik auf den Ausbau der erneuerbaren Energieträger setzt.

Batterie für Solarstrom

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: Das US-Fachblatt Science berichtet [22], dass die Stadt Los Angeles im US-Bundesstaat Kalifornien gerade einen Vertrag über die Belieferung mit Sonnenstrom unterschrieben hat. Ab 2023 soll sieben Prozent des dortigen Bedarfs an elektrischer Energie von einer neuen 400-Megawatt-Solarfarm geliefert werden.

Das Besondere an dem Arrangement: Das Projekt wird mit einer der weltweit größten Batterien verbunden und liefert den Strom dennoch billiger als es jedes Gas- oder Kohlekraftwerk könnte. Der Solarstrom soll 1,3 und der Batteriestrom 1,997 US-Cent (1,15 und 1,77 Euro-Cent) pro Kilowattstunde kosten.

Zum Vergleich: In Deutschland bekommt der Betreiber für Solarstrom aus im Juli 2019 errichteten Anlagen je nach deren Größe 7,34 bis 10,64 Cent für die nächsten 20 Jahre garantiert (hier [23] die aktuellen Vergütungssätze).

Diese Beträge werden im Monatsrhythmus für jeweils neue Anlagen abgesenkt, und zwar um so stärker, je stärker der Ausbau ausfällt. Allerdings gibt es eine Ausbau-Höchstgrenze. Wenn irgendwann im nächsten Sommer die 52-Gigawatt-Marke erreicht sein sollte, wird es keine Förderung für neue Solaranlagen mehr geben. Daher hatte der Bundesverband der Solarwirtschaft kürzlich die Bundesregierung vergeblich aufgefordert [24], diesen Deckel noch vor der Sommerpause abzuschaffen.

Nun könnte man meinen, bei den weiter sinkenden Preisen können Solarstrom auch ohne Förderung mit Strom aus Kohlekraftwerken konkurrieren. Doch noch ist dieser durch die Überkapazitäten und zu geringe CO2-Preise zu billig.

Außerdem gehört zur Förderung auch der Einspeisevorrang. Solar- und Windkraftanlagenbetreiber brauchen die Sicherheit, ihren Strom jederzeit ins Netz einspeisen zu können. Andernfalls werden nicht nur Ressourcen verschwendet, sondern auch ihre Investitionen zu unsicher, was wiederum ihre Kapitalkosten erhöht.

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[1] https://data.giss.nasa.gov/gistemp/tabledata_v4/GLB.Ts+dSST.txt
[2] https://www.heise.de/tp/news/Klimakrise-Arktische-Waldbraende-schlimmer-denn-je-4469719.html
[3] https://www.nasa.gov/image-feature/goddard/2019/yet-another-fire-breaks-out-in-greenland
[4] https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/sondergutachten-2019.html
[5] https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/
[6] https://www.tagesschau.de/inland/schulze-vorstellung-co2-steuer-101.html
[7] https://www.energate-messenger.de/news/193178/gutachter-des-wirtschaftsministeriums-wollen-sektoruebergreifenden-co2-handel
[8] https://fridaysforfuture.de/forderungen/
[9] https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/landesentwicklungsplan-debatte-landtag-100.html
[10] https://www.umweltbundesamt.de/themen/mindestabstaende-bei-windenergieanlagen-schaden-der
[11] https://www.heise.de/tp/news/Atombomben-Illegales-Hantieren-mit-hochangereichertem-Uran-4469562.html
[12] http://nuclearfutures.princeton.edu/team/aglaser/
[13] https://inis.iaea.org/collection/NCLCollectionStore/_Public/14/791/14791572.pdf
[14] http://www.umweltinstitut.org/home.html
[15] https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/natur/zu-heiss-fuer-menschen/story/11762616
[16] https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/bangladesch/
[17] https://www.dw.com/en/rohingya-reject-relocation-to-bangladeshs-island-prison-camp/a-47933027
[18] https://allthatsinteresting.com/new-york-blackout-1977
[19] https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-07/stromausfall-in-new-york
[20] https://mashable.com/2012/10/29/nyc-hurricane-blackout/?europe=true
[21] https://www.eia.gov/state/?sid=NY#tabs-4
[22] https://www.sciencemag.org/news/2019/07/giant-batteries-and-cheap-solar-power-are-shoving-fossil-fuels-grid
[23] https://www.photovoltaik4all.de/aktuelle-eeg-verguetungssaetze-fuer-photovoltaikanlagen-2017
[24] https://www.photovoltaik.eu/Archiv/Meldungsarchiv/article-875844-110949/noch-vor-der-sommerpause-den-solardeckel-abschaffen-.html
[25] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html