"Atombomben": Illegales Hantieren mit hochangereichertem Uran?

Der Forschungsreaktor München II (FRM II) rechts neben seinem inzwischen denkmalgeschützten Vorgänger, dem "Atom-Ei". Bild: High Contrast/ CC BY 2.0 DE

Im Fall Iran scheint Uran-Anreicherung ein Kriegsgrund, Deutschland betreibt hingegen mit dem Bombenstoff einen Forschungsreaktor - und zwar vermutlich illegal

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Alles redet über das Urananreicherungsprogramm des Iran und fast niemand über den Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München. Dieser wird mit hochangereichertem Uran betrieben, mit dem Stoff, aus dem die Bombe ist.

Aus genau diesem Grund war die Inbetriebnahme des Reaktors 2004 hoch umstritten. Nicht nur Atomkraftgegner und Friedensbewegte, sondern auch manch ausländische Regierung befürchteten, dass Deutschland einen gefährlichen Präzedenzfall schafft. Wie sollte man international dafür werben, dass die entsprechenden Technologien nicht weiter verbreitet werden, wenn sich eines der reichsten und mächtigsten Länder das Recht für sich herausnahm?

Entsprechend ist der Meiler auch in seiner Nachbarschaft nicht übermäßig beliebt. 2003 hatten die Garchinger in einem Bürgerentscheid ihren Gemeinderat aufgefordert, alle rechtlichen Schritte gegen den Bau des Forschungsreaktors auszuschöpfen.

Nach Angaben der örtlichen Grünen wurde der Bürgerwille jedoch missachtet und darauf verzichtet, Klage gegen die Genehmigung den Nachfolger des als "Atom-Ei" bezeichneten Reaktors einzureichen. Dieser seit 1956 in Garching stehende Forschungsreaktor, der wegen der Form seiner Kuppel den bundesweit bekannten Spitznamen trug, war im Jahre 2000 stillgelegt worden und wird derzeit abgerissen.

Anreicherung

Natürliches Uran enthält nur zu weniger als einem Prozent spaltbares Uran 235. Die restlichen 99,3 Prozent bestehen überwiegend aus dem wirtschaftlich uninteressanten Isotop Uran 238. Mit einer derart niedrigen Konzentration lässt sich nur schwer eine Kettenreaktion starten, weder eine kontrollierte wie in einem AKW noch eine explosive wie in einer Atombombe. Es gibt allerdings einige wenige Reaktoren, die tatsächlich mit Natururan auskommen. Für Bomben muss der U235-Anteil jedoch auf rund 90 Prozent gesteigert werden.

Uran wird also für zivile als auch militärische Zwecke angereichtert. Uranbrennstäbe enthalten für gewöhnlich Uran, indem der U235-Anteil auf drei bis fünf Prozent gesteigert wurde, wie die World Nuclear Association schreibt. Für einige wenige Reaktortypen wird auch eine höhere Anreicherung von bis zu 20 Prozent angestrebt.

Anders in Garching. Dort wird hochangereichertes Uran mit einem U235-Anteil von 93 Prozent eingesetzt. Sinn der Anlage ist übrigens die Gewinnung von Neutronenstrahlung für die Forschung und diverse Anwendungen, Energiegewinnung spielt hingegen kaum eine Rolle.

Illegal?

Aufgrund der oben beschrieben Kritik war die Maßgabe unter der Voraussetzung erfolgt, dass der Reaktor bis 2010 umgerüstet werden soll. Ab diesem Zeitpunkt sollte er eigentlich nur noch mit zu 50 Prozent angereichertem Uran betrieben werden. Doch geschehen ist nichts. Weil es keine "qualifizierte Alternative" gebe, so der Betreiber, die TU München, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.

Ein von Umweltverbänden in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt daher zu dem Schluss, dass der Forschungsreaktor illegal betrieben wird. "Die TU München hätte rechtzeitig vor dem 31. Dezember 2010 ein atomrechtliches Genehmigungsänderungsverfahren beantragen müssen, um eine Genehmigung für den Betrieb mit hochangereichertem Uran über den 31.12.2010 hinaus zu erlangen", heißt es in einer Zusammenfassung des Gutachtens.

Es gebe zwar eine Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und dem Bund aus dem Jahre 2010, in der "eine Fristverlängerung bis Ende 2018 suggeriert" werde. Durch diese sei die "maßgebliche atomrechtliche Genehmigung jedoch unverändert" geblieben. Aber selbst diese Vereinbarung ist inzwischen abgelaufen, ohne dass etwas geschehen wäre.

Bei der Linkspartei sieht man daher die Bundesregierung in der Verantwortung: "Wenn die bayerische Regierung jetzt nicht handelt, muss das Bundesumweltministerium eingreifen und den rechtswidrigen Betrieb des Forschungsreaktors FRM II in München Garching per Weisung beenden", verlangt Hubertus Zdebel von der Linksfraktion im Bundestag.

Keine Brennstäbe

Zur Zeit steht der Meiler ohnehin erst einmal still. Seit März 2019 gibt es Schwierigkeiten mit der Lieferung von Brennstäben aus Frankreich. Vielleicht ist man dort ja nun auch endlich die deutsche Verzögerungstaktik leid, die internationale Bemühungen unterläuft, die Verbreitung von Atombombentechnologie und -materialien zu unterbinden.

Die offizielle Begründung ist allerdings eine andere, wie die Süddeutsche Zeitung erfahren hat. Demnach wollen die französischen Behörden keine Genehmigung mehr für den deutschen Spezial-LKW ausstellen, der die Brennstäbe bisher aus der Fabrik in Romans-sur-Isère westlich von Grenoble abgeholt hatte.