Knast für Fahren ohne Ticket: Bevölkerung gespalten, Mehrheit für Entschärfung

Vor dem Gesetz sind alle gleich: Auch Millionäre, die ohne Ticket erwischt werden, müssen mit Sanktionen rechnen. Symbolbild: succo auf Pixabay (Public Domain)

Umfrage zur Reformdebatte: Viele würden das Delikt nur als Ordnungswidrigkeit ahnden – auch das kann mehrere Wochen Haft bedeuten, wenn die Geldbuße nicht bezahlt wird. Dies gilt aber nicht als Strafe.

Vom "Schwarzfahren" wollen einige Verkehrsbetriebe schon nicht mehr reden, weil sich dunkelhäutige Menschen diskriminiert fühlen könnten, wenn sie mit einer so verwerflichen Schand- und Straftat wie dem Fahren ohne Ticket in Verbindung gebracht werden. So wird Rassismus als Problem erkannt, aber nicht die Verachtung armer Menschen – denn die sogenannte Beförderungserschleichung ist ein klassisches Armutsdelikt.

Kriminologen halten daher die bisher üblichen Ersatzfreiheitsstrafen bei Zahlungsunfähigkeit für kontraproduktiv.

Die Inhaftierung von mittellosen Schwarzfahrenden ist sozial ungerecht. Die Ersatzfreiheitsstrafe trifft arme Menschen, die ohnehin am Rand der Gesellschaft stehen. Und sie verfehlt ihr Ziel.


Die Kriminologin Nicole Bögelein in einem Interview mit dem stern

Denn die finanzielle Situation entspannt sich in der Regel nicht durch Gefängnisaufenthalte und Einträge ins Bundeszentralregister – im Gegenteil: Jobchancen können sich dadurch eher verschlechtern. Ohne ein Mindestmaß an Mobilität können sie die Suche erst recht vergessen.

In der Debatte über eine Reform, über die auf Bundesebene entschieden wird, hob der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hervor, dass "notorisches Schwarzfahren" auf Kosten der ehrlichen Kunden gehe, die dafür mitbezahlten. Allerdings will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) den Straftatbestand als solchen ohnehin nicht abschaffen, sondern nur die Ersatzfreiheitsstrafen halbieren.

Die Bevölkerung ist diesbezüglich gespalten: Laut einer aktuellen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Plattform "Frag den Staat" findet zwar nur eine Minderheit das Fahren ohne Ticket verwerflich genug, um es weiterhin als Straftat zu behandeln. Mehr als zwei Drittel der Befragten – 69 Prozent – sprachen sich zwar laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur dafür aus, das "Schwarzfahren" künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden – nicht mehr nach Paragraph 265 a im Strafgesetzbuch.

Allerdings findet es immer noch rund die Hälfte der Bevölkerung richtig, dass Personen, die Geldstrafen nicht zahlen, eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssen. 45 Prozent sind dagegen. Rund fünf Prozent der Befragten hatten dazu keine Meinung oder machten keine Angaben.

Erzwingungshaft kann nicht wiederholt werden, tilgt aber keine Schulden

Unklar ist, ob allen Befragten die Unterschiede klar waren: Eine Herabstufung des "Schwarzfahrens" zur Ordnungswidrigkeit wäre formell eine Entkriminalisierung, würde aber nicht bedeuten, dass Betroffene, die ein Bußgeld nicht bezahlen, auf keinen Fall ins Gefängnis müssen – allerdings ist in solchen Fällen die sogenannte Erzwingungshaft auf sechs Wochen begrenzt, bei mehreren Bußgeldern auf drei Monate.

Dies gilt offiziell nicht als Strafe, sondern als Beugemittel. Die Schulden bleiben danach bestehen, können sich durch Mahngebühren erhöhen und zur Pfändung führen, wenn das Einkommen über der Pfändungsfreigrenze liegt oder Wertsachen vorhanden sind – allerdings kann wegen desselben Bußgeldbescheides keine weitere Erzwingungshaft angeordnet werden.

Wer dagegen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wird, muss bei Zahlungsunfähigkeit im Ernstfall auch 120 Tage – also rund vier Monate – absitzen; die Strafe gilt dann allerdings tatsächlich als abgegolten.

Im Ernstfall drohen "Schwarzfahrern" nach momentaner Rechtslage sogar Haftstrafen von bis zu einem Jahr. Hinzu kommt der Eintrag ins Bundeszentralregister – anders als Ordnungswidrigkeiten finden sich Regelverstöße, die als Straftaten gewertet werden, noch Jahre später im polizeilichen Führungszeugnis wieder.

Der Bundestag berät aktuell über eine Reform, die keine Entkriminalisierung, aber eine Verkürzung der Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht. Im Entwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist von einer Halbierung die Rede. Am kommenden Montag soll es dazu eine Anhörung von Sachverständigen im Rechtsausschuss geben.

Politikern der SPD, der Linken und der Grünen hatten eine Entkriminalisierung vorgeschlagen. Laut der aktuellen Umfrage finden allerdings auch SPD-Anhänger die geltende Rechtslage mehrheitlich richtig.

"Das Fahren ohne Fahrschein gehört nicht ins Sanktionenrecht, sondern wird im Rahmen der von mir ebenfalls geplanten Reform des besonderen Teils des Strafgesetzbuches überprüft werden", sagte Bundesjustizminister Buschmann laut dpa-Bericht. "Dazu wird es im Laufe dieses Jahres einen Entwurf geben."