Können die Ukrainer militärisch siegen?
Ukraine und Westen setzen ausschließlich auf militärische Karte. Das bedeutet einen langen Krieg und birgt größere Gefahren. Hier vier Gründe.
Die Frage der Erfolgsaussichten der Ukraine gegen die seit Anfang 2022 andauernde russische Invasion ist eine der am schwersten ermittelbaren Themen des Krieges in der Ostukraine. Hier die Gründe und Fakten:
Fakt 1: Keine Seite macht zuverlässige Vorhersagen
Die Prognosen von Fachleuten beider kriegsführenden Seiten und ihrer Unterstützer sind stark eingefärbt von deren Wünschen und Sympathien. Viele Schlagzeilen machte etwa der deutsche Militärexperte Marcus Keupp im April 2023 in großen deutschen Medien, der eine Niederlage Russland im Oktober vorhersagte. Der Oktober ist nun bald vorbei und eine russische Niederlage nicht in Sicht.
Keupp begründete seine falsche Prognose auf der modernen westlichen Technik, die die Ukrainer nun einsetzten und dem "abschmelzen" russischer Reserven. Der Glaube, die Ukraine werde den Krieg gewinnen, "sei auch Konsens unter vielen westlichen Militärexperten".
Gerade die "schwindenden Reserven", von denen Keupp spricht, berücksichtigen nicht das Potenzial Russlands, Militärausrüstung – sollte sie auch technologisch unterlegen sein – in großer Masse herzustellen. Der sehr medienpräsente Oberst Markus Reisner aus Österreich bezifferte gegenüber Telepolis die russische Panzerproduktion auf 100 bis 200 pro Monat. "Jeder dieser Panzer muss erst einmal zerstört werden", auch wenn sie nicht die Qualität westlicher Modelle hätten, meint der Offizier aus Österreich.
Ähnlich unzuverlässig wie viele der in Deutschland weitverbreiteten Prognosen sind die der russischen Experten. Diese würden sich wegen des zunehmend totalitären Klimas in Russland auch in große persönliche Gefahr begeben, wenn sie Zweifel am Kriegsverlauf äußerten.
Deshalb verbreiten sie Optimismus. Wie der Sicherheitsexperte Alexander Michailow, der im Dezember 2022 in einem großen russischen Radiosender vorhersagte, dass bis zum Ende des Winters 2022/2023 der gesamte Donbass von den Russen erobert sein werde, da das eigene Militärmaterial in der kalten Jahreszeit dem westlichen überlegen sei.
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Dass es nicht so gekommen ist, ändert nichts an solchen Prognosen russischer Experten im Inland. Lediglich der Zeitpunkt des Sieges wird vorsichtig nach hinten verschoben und die russische Militärzeitschrift "Militarist" sagt das Kriegsende laut Experten nun für Ende 2024 / Anfang 2025 voraus. Natürlich mit einem russischen Sieg oder im "unwahrscheinlichsten" Fall mit einer Pattsituation "an der bestehenden Frontlinie".
Ein möglicher ukrainischer Sieg kommt in den innerrussischen Prognosen gar nicht vor. Bei der Prognose, ob ein militärischer Sieg der Ukraine möglich ist, darf man sich also keinesfalls auf Einschätzungen von Personen verlassen, die einer der beiden Seiten zu nahe stehen. Auch bei Experten überlagert sich hier die Ebene des Wünschbaren mit der realistischen Einschätzung.
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