Krieg gegen das Klima
Wer die Umwelt retten will, darf die Friedensfrage nicht ausblenden. Ein Kommentar
Die Friedensbewegung hatte von Anfang an einen friedensökologischen Ansatz. Ihr Engagement für die Überwindung des Militarismus ist darauf ausgerichtet, die Zukunft des Lebens zu bewahren und den Kräften der Zerstörung entgegenzutreten.
Seit Bertha von Suttners Roman "Die Waffen nieder!" und seit Rosa Luxemburgs Warnung vor der Barbarei des Krieges setzt sich die weltweite Friedensbewegung für die Rettung des Lebensraums der Menschen ein.
Vor hundert Jahren ging es dabei unter anderem gegen militärische Innovationen wie den Luftkrieg und den Einsatz von Giftgas. Ein halbes Jahrhundert später setzten die USA das Herbizid Agent Orange zur Entlaubung des Mekong-Regenwaldes in Vietnam ein. Die Folgen für Mensch und Natur sind nachhaltig verheerend.
Heute geht es neben den Vergiftungen des Lebensraums der Menschheit immer mehr darum, auch der Vernichtung von Schätzen der Natur Einhalt zu gebieten. Der Tag, ab dem die Menschheit mehr Ressourcen verbraucht, als innerhalb des jeweiligen Jahres nachwachsen, ist seit dem Jahr 2000 von Ende September auf Ende Juli vorgerückt. Das Militär hat daran einen hohen Anteil.
Die Militärausgaben der Regierungen der Welt belaufen sich aktuell auf deutlich mehr als zwei Billionen US-Dollar. Die Nato-Staaten verantworten mit einem offiziellen Anteil von fast 1,2 Billionen US-Dollar mehr als 57 Prozent der Weltrüstung. Mit ihren Partnerstaaten im Pazifik, in Europa und am Golf liegen sie bereits deutlich über zwei Drittel der Weltmilitärausgaben.
Allein die USA liegen mit ihren aktuell über 800 Milliarden US-Dollar bei mehr als dem Dreifachen dessen, was Russland und China in ihren Militärsektor investieren. Mit dieser von ihnen so genannten Sicherheitspolitik zerstört der militärisch-industrielle Komplex vor allem der Nato immer mehr Bereiche der Biosphäre immer massiver.
Die Propaganda der Militärs und ihrer Lobby träufelt das Gift der Kriegsvorbereitung in die Gehirne. Dazu sagte die Friedensaktivistin und evangelische Theologin Dorothee Sölle auf der ersten großen Bonner Friedensdemonstration der 1980er-Jahre:
Wenn ein Fluss umkippt, so bedeutet das, die Giftmenge, die ein Lebenszusammenhang noch erträgt, wird zu viel, (…) Fische sterben, die Pflanzen folgen (…), das Wasser stinkt. Wenn ein Fluss umkippt, ist es (…) kein Fluss mehr, sondern eine Müllkippe. Und wenn ein Land umkippt? Wenn die (…) Giftstoffe so überhandnehmen, dass das Leben erstickt wird, dass die Menschen an der Möglichkeit, hier zu leben, verzweifeln, wenn sie (...) sich selbst kaputt machen, wenn sie wie Fische in der stinkenden Brühe herumtreiben? Wenn ein Fluss ökologisch verschmutzt ist, kippt er um. Wenn ein Land militärisch verschmutzt ist und sich zu Tode rüstet, dann kippt das Land um. Genau das erleben wir.
Das war im Jahr 1981. Jetzt sind wir 41 Jahre weiter.
Gefahren des Militarismus werden unterschätzt
Einige Aktive, die sich zur Ökologiebewegung zählen, übersehen oder übergehen die heute vom Militarismus ausgehenden Gefahren. Das spielt den Interessen der Nato und der Rüstungsindustrie in die Hände.
Die USA haben durchgesetzt, die ökologischen Schädigungen durch den Militärbetrieb bei der Klimabilanz unberücksichtigt belassen zu können. US-amerikanische Beobachter kritisierten bereits Ende der 1990-Jahre, dass die USA internationale Bemühungen zur Eindämmung der globalen Erderwärmung torpediert haben, indem sie das US-Militär vom Kyoto-Abkommen ausgenommen haben, das verbindliche Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen vorsah.
Die Begründung der Militärlobby in der US-Politik war: Es würde "die amerikanischen Militäroperationen in der ganzen Welt behindern".
Die Gefahr für das Leben wird auch an den Rüstungsausgaben der Staaten der Welt deutlich. Die über zwei Billionen US-Dollar Jahresausgaben für den Militärbereich bedeuten: 5,5 Milliarden US-Dollar pro Tag und wiederum fast alle vier Stunden eine Milliarde US-Dollar.
Mit dieser Unsumme, die von Befürwortern der "Sicherheitspolitik" verteidigt werden, entziehen sie der Menschheit den ökologischen Boden für deren Zukunft. Die Folgen nämlich sind: Verschwendung von Ressourcen, Verbrennungsabgase, Spannungen zwischen Teilen der Menschheit und die Verschärfung der Klimakrise als Katalysator für Klimakriege.
Es geht bei alledem auch um die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziel, auf das die UNO Erderwärmung. Begrenzen will. Laut UN-Weltwetterorganisation, so die Tagesschau vom 10.05.2022, markiert die 1,5-Grad-Grenze die Schwelle, ab der "Klimafolgen zunehmend schädlich (…) für den ganzen Planeten werden".
Die Weltorganisation für Meteorologie warnt derzeit davor, dass das 1,5-Grad-Ziel, bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre überschritten werden könnte.
Das Klimasystem reagiert bei bestimmten Kipp-Punkten mit abrupten und irreversiblen Prozessen, bei der immer mehr Erdregionen lebensfeindliche Bedingungen aufweisen, so das Umweltbundesamt.
Die militärischen Verbrennungsabgase steigern indes die Klimagefahren. Allein die Verbrennung eines Liters Benzin führt zum Ausstoß von knapp 2,4 Kilogramm CO₂.
Panzer verbrauchen pro 100 km je nach Typ circa 500 Liter Treibstoff. Die Klimalast einer Stunde Flugzeit mit einem Eurofighter entspricht der CO₂-Jahreslast eines Westeuropäers.
Ein Forscherteam der US-amerikanischen Brown University hat errechnet, dass allein das US-Militär den gesamten Umfang der vom Industriestaat Schweden verursachen Klimaschädigung übertrifft.
Laut der Studie hat das "US-Verteidigungsministerium (…) einen Anteil von bis zu 80 Prozent am gesamten Energieverbrauch der US-Regierung seit 2001". Es ist somit der größte Verbraucher fossiler Brennstoffe überhaupt, so die Experten.
Krieg und nukleare Gefahr
Hinzu kommt das Problem, dass viele die nukleare Gefahr, die selbst in den zivilen Atomanlagen der Welt lauert, übersehen oder übergehen: Die aktuell weltweit aktiven 431 Atomreaktoren und die weiteren fast hundert derzeit geplanten und in Bau befindlichen weiteren Reaktoren bedeuten, dass Kriegsvorbereitung ein intolerables Risiko für die Welt darstellt.
Dieses Risiko lässt sich mit den Überlebensinteressen der Menschheit nicht vereinbaren. Krieg in dieser Welt vorzubereiten, möglich zu halten und ihn dann vielleicht durchzuführen ist ein Verbrechen an den Lebensinteressen der Menschheit.
In Bezug auf den Ukraine-Krieg wussten und wissen beide Seiten, dass sie für die Zivilisation nicht nur Europas ein unverantwortlich hohes nukleares Risiko eingehen. Am 19.05.2014 sagte der Nato-Generalsekretär auf einer Pressekonferenz mit der damals nicht demokratisch legitimierten Kiewer Führung:
Wir haben (…) eine (…) Gruppe ziviler Experten in die Ukraine entsandt, um (…) zu helfen, die Sicherheit ihrer zivilen Nuklearanlagen zu verstärken.
Bei einer stark atomar gestützten Infrastruktur verbieten sich Waffengänge, Waffenlieferungen, Spannungseskalation und Krieg. Dies gilt auch für Panzerabwehrwaffen, die mit abgereichertem Uran umhüllt sind, um wirksamer zu sein.
Viele ökologische Gefahren werden zwar von breiten Kräften der Ökologiebewegung wahrgenommen, das aber kaum im Kontext des globalen Militärsektors. Genauso verhält es sich mit der Nukleartechnik als Risikofaktor auch selbst im konventionellen Krieg.
Unser Überleben aber hängt mit davon ab, inwieweit der Nato-Strategie eine Friedensökologie entgegenhalten werden kann. Dazu zählt ein Ziel, das die SPD 1989 in ihrem Grundsatzprogramm definierte, nämlich "die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen".
Das Erfurter Programm der Linkspartei konkretisiert:
Gemeinsam mit der Friedensbewegung und allen friedensorientierten Partnern ringen wir um Wege zu struktureller Gewaltprävention (...) Unser Leitbild ist die Idee des gerechten Friedens, der (…) nachhaltige Bedingungen als Voraussetzung für dauerhafte (..) Entwicklungen erachtet.
Das antimilitaristische Programm der Grünen von 1980 hätte auch gut dazu gepasst.
Der völkerrechtliche Bezüge gibt es viele, etwa in der Schlussakte von Helsinki, der Agenda21 der UNO, im Zwei-plus-Vier-Vertrag zur Deutschen Einheit oder der Charta von Paris.
In diesen Dokumenten geht es um eine "politische Verpflichtung zur Zusammenarbeit im Bereich von Entwicklung und Umwelt." Das tut Not, denn die Lösung liegt nicht in Abschreckung, Wirtschaftskrieg und Krieg. Denn dadurch kippt, wie wir wissen, nicht nur das Klima.
Wir haben trotz aller Hindernisse kein Recht, aufzugeben. Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte zum Ukraine-Krieg, nun müsse der Klimaschutz hinter der Sicherheitspolitik zurücktreten.
Diese Inkonsequenz gegenüber den Gefahren für die Lebensgrundlagen der Menschheit ist inakzeptabel.
Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag beim Kongress "Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden"