Krieg in der Ukraine: Konfusion am Energiemarkt
Trotz guten Geschäfts brauchen Energiekonzerne staatliche Hilfen. Droht eine Insolvenzwelle?
Der Krieg in der Ukraine schüttelt den deutschen Energiemarkt durcheinander. Auf der einen Seite klingeln bei Erzeugern die Kassen, auf der anderen Seite müssen sie mit Milliardenkrediten der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gestützt werden.
Die Leag, die in Ostdeutschland Braunkohletagebaue und -kraftwerke betreibt, musste einem Bericht des Handelsblatts zufolge von der KfW gestützt werden. Die Lage sei kritisch gewesen, erfuhr die Zeitung aus Branchenkreisen, und so einen Notfall habe es auf dem deutschen Energiemarkt noch nie gegeben. Dem Unternehmen soll mit einem KfW-Kredit in Höhe von 5,5 Milliarden Euro aus der Klemme geholfen worden sein.
Gleichzeitig läuft das Geschäft der Leag gut, wie aus einem Bericht in der Lausitzer Rundschau vom Sonntag hervorgeht. Die Kohlekraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe in Brandenburg sowie Boxberg in Sachsen laufen demnach seit Wochen auf vollen Touren. "Abgesehen von einigen planmäßig laufenden Wartungen an einzelnen Kraftwerksblöcken, sind unsere Kraftwerkskapazitäten voll ausgelastet", hatte ein Leag-Sprecher gesagt.
Dass sich der Betrieb der Kohlemeiler lohnt, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Preise. Vor einem Jahr lagen sie teilweise unter sieben Cent pro Kilowattstunde. Inzwischen erhalten die Erzeuger deutlich mehr. An der Europäischen Strombörse EEX (European Energie Exchange) konnten zuletzt Preise für kurzfristige Stromlieferungen von über 40 Cent pro Kilowattstunde erzielt werden. Zwischenzeitlich lagen die Preise für Kohlestrom sogar bei 50 Cent je Kilowattstunde.
Aber nicht nur das Geschäft mit Strom läuft für die Leag gut, sondern auch mit der Kohle. Die Brikettfabrik in Schwarze Pumpe laufe ebenfalls auf Hochtouren, hieß es in der Lausitzer Rundschau. Das könnte daran liegen, dass wieder mehr Menschen auf althergebrachte Weise mit einem Ofen heizen. Angesicht der hohen Gaspreise könnte sich das durchaus lohnen. Seit einigen Monaten schon soll die Produktion von Briketts um 40 Prozent gesteigert worden sein.
Dass die Leag trotzdem einen KfW-Kredit brauchte, liegt am deutschen Handelssystem. Die Erzeuger müssen bei einer Clearingstelle Sicherheiten hinterlegen, wenn die Großhandelspreise über die vereinbarten Preise steigen. Damit soll gewährleistet werden, dass der Strom auch tatsächlich zum vereinbarten Zeitpunkt geliefert wird.
Keine Zahlungsschwierigkeiten, sondern Liquiditätsengpässe
In normalen Zeiten stellt das kein Problem dar, doch steigen die Preise im Großhandel extrem an, können durchaus Milliardenbeträge für die Sicherheitsleistungen fällig werden. Die Leag war deshalb auch nicht der einzige Energiekonzern, der sich wegen Krediten an den Bund gewandt hat. Zuvor hatte sich laut Handelsblatt auch Uniper bei der KfW eine Kreditoption über zwei Milliarden Euro gesichert. Auch Gashändler wie die ostdeutsche EnBW-Tochter Verbundnetz Gas (VNG) traten an die Kreditanstalt heran.
Branchenkenner würden vor diesem Hintergrund vor einer Insolvenzwelle warnen, hieß es im Handelsblatt. Doch die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, beruhigt: "Es handelt sich hier um keine Zahlungsschwierigkeiten, sondern um reine Liquiditätsengpässe", sagte sie der Thüringer Allgemeinen.
Zwar stünden auf der einen Seite hohe Sicherheitsleistungen, auf der anderen Seite würde dafür ein kräftiges Plus beim Verkaufspreis stehen. "Die Konzerne dürften üppige Gewinne erwarten." Insofern drohe in keiner Weise eine Insolvenzwelle.