Kriegsfolgen: Ein Drittel der ukrainischen Fläche ist bereits vergiftet

Seite 2: Daten sammeln

Ein Beispiel dafür ist das Projekt "Bewertung der Schäden an Ackerland und Ökosystemen in der Nordostukraine durch die russische Invasion" (UA-UK-CH), das von der Mitautorin dieses Artikels, Dr. Olena Melnyk, geleitet wird.

Bei diesem Projekt handelt es sich um eine gemeinsame Initiative von Forschern aus der Ukraine, England und der Schweiz, die darauf abzielt, die Kapazitäten für die Kartierung, die Umweltüberwachung und die Bewältigung der Auswirkungen von kriegsbedingten Schäden an den landwirtschaftlichen Flächen der Ukraine zu verbessern und dabei bestehende Netzwerke von Wissenschaftlern und vor Ort erhobene Analysen zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit zu nutzen.

Die erste Komponente des Projekts umfasst die Sammlung von Daten über die Schäden an ukrainischen landwirtschaftlichen Flächen, die dann zur Analyse des Ausmaßes der Bodenverschmutzung und zur Abschätzung von Daten, die aus der Ferne erhoben werden, verwendet werden.

Die zweite Komponente konzentriert sich darauf, Kartierungen von Ackerland zu entwickeln und anzuwenden, um Gefahren und Verunreinigungen zu dokumentieren sowie Prioritäten für die Produktion und Sanierung von Land zu setzen.

Ukrainer sollen mithelfen

Die dritte Komponente umfasst den Aufbau einer "Bürgerwissenschaft" durch die Ausbildung von Experten, die nicht im Kampfeinsatz sind, um kontaminiertes Ackerland zu inspizieren und zu analysieren sowie einen Beitrag zur Landkartierung zu leisten.

Die vierte Komponente zielt darauf ab, die Dekontaminierung und Sanierung ukrainischer Böden zu erleichtern, um die landwirtschaftliche Produktivität wiederherzustellen und gleichzeitig umweltfreundliche landwirtschaftliche Praktiken der Nachkriegszeit zu fördern. Damit soll Nachhaltigkeit und Klimaneutralität gewährleistet werden.

Dieses Projekt wird die ukrainischen Landwirte in die Lage versetzen, gefährliche Gebiete zu meiden und Landflächen auszuwählen, die vorrangig und gezielt dekontaminiert werden sollen. Die im Rahmen dieses Forschungsprojekts gesammelten Daten werden zur Information von Regierungsbehörden, Zivilgesellschaften und anderen Beteiligten beitragen.

Projekt könnte als Modell genutzt werden

Die Vereinigten Staaten sind der größte Geldgeber für die weltweite humanitäre Minenräumung. Seit 1993 haben die USA mindestens 4,2 Milliarden Dollar für über 100 Länder von Laos bis zur Ukraine bereitgestellt. Die Gelder werden in Aktivitäten wie Bombenräumung, Opferhilfe und Aufklärung über Explosionsrisiken investiert.

Umweltforschung wie die UA-UK-CH in der Ukraine hat sich als notwendig und wichtig für die Zukunft der Bodensanierung nach einem Konflikt erwiesen. Dies sollte zur Norm werden.

Geberländer, Geldgeber und akademische Einrichtungen können die künftigen Erkenntnisse aus der Ukraine als Modell nutzen, das die Forschung in anderen kriegsgeschädigten Ländern inspirieren kann – insbesondere die 50 Jahre alten Altlasten in Laos, Kambodscha und Vietnam, wo bisher keine Studien durchgeführt wurden.

Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Hier das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Olena Melnyk ist Senior Researcher an der ETH Zürich (Schweiz), Climate Policy Lab, Assoc. Prof. an der Sumy National Agrarian University (Ukraine) und Honorary Prof. an der Royal Agricultural University (England). Sie ist Mitglied der UNEP Environment Working Group: Humanitarian Response for Ukraine und Mitglied des Kernteams des Projekts CAS Rebuild Ukraine.

Sera Koulabdara ist Geschäftsführerin von Legacies of War, einer Organisation, die sich auf die Beschaffung von Mitteln sowie die Sensibilisierung für die humanitäre Minenräumung, die Unterstützung von Opfern und die Aufklärung über Sprengstoffrisiken konzentriert. Sera Koulabdara ist auch Mitglied der Gruppe "Umweltfragen bei Minenräumaktionen".


Redaktionelle Anmerkung: In einer früheren Textversion wurde "spent ammunition" als "abgelaufene Munition"! übersetzt. Richtig ist, dass es sich um verschossene Munition handelt.