Kriegsfolgen: Ein Drittel der ukrainischen Fläche ist bereits vergiftet

Ein Panzerwrack in der Ukraine. Bild: armyinform.com.ua

Kämpfe führen dazu, dass große Teile der Ukraine toxisch sind. Blei, Arsen und Quecksilber verseuchen Böden. Was bedeutete es für die globale Ernährung? Gastbeitrag.

Es steht außer Frage, dass ein Krieg bleibende Zerstörungen hinterlässt. Dazu gehören sowohl Schäden für Menschen als auch für die Umwelt.

Im beginnenden dritten Jahr des illegalen Einmarsches von Wladimir Putin in die Ukraine müssen wir über die Auswirkungen des Krieges auf die Ukraine, die Widerstandsfähigkeit ihrer Bevölkerung und die globalen Maßnahmen zur Lösung des Problems der Bombenkontamination nachdenken.

Ein Drittel kontaminiert

Ungefähr ein Drittel des ukrainischen Territoriums ist kontaminiert. Das entspricht der Größe eines durchschnittlichen Landes in Europa. Die Ukraine erlebt derzeit die, zeitlich betrachtet, schlimmste Umweltkatastrophe in Bezug auf die Bodenverschmutzung.

Giftige Elemente wie Blei, Kadmium, Arsen und Quecksilber sickern aus Munition und Waffen in den Boden. Wenn potenzielle Kontaminationsbereiche nicht rechtzeitig erkannt und erfasst werden, können die Schadstoffe in die Nahrungskette gelangen und krebserregend werden.

Das bedroht die weltweite Ernährungssicherheit und die Exportchancen. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, könnte es zu einer Verschlechterung der menschlichen Gesundheit führen.

Vor dem Krieg waren etwa 400 Millionen Menschen weltweit von der Ukraine abhängig, sodass diese Verseuchung nun ein großes Problem darstellt. Verschossene Munition und chemische Waffen können den Boden für Jahrzehnte oder länger kontaminieren.

Böden erneuern sich sehr langsam

Boden ist keine erneuerbare Ressource. Böden und ihre fruchtbare Schicht werden über Tausende von Jahren gebildet.

In 200 bis 400 Jahren wird nur ein Zentimeter Boden gebildet, in 5.000 bis 6.000 Jahren 20 Zentimeter. Militäroperationen, die zwei Jahre dauern, wie im Fall der Ukraine, können zerstören, was sich in Tausenden von Jahren gebildet hat.

Kontaminationen, die durch Kriege hinterlassen werden, sind nichts Neues. Das wissen wir aus Kriegen in Südostasien, Konflikten im Nahen Osten, in Afrika und so weiter.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass mindestens 50 Länder von Landminen und anderen Sprengstoffen betroffen sind. Die gute Nachricht ist, dass es Lösungen für die lang anhaltenden Auswirkungen von Konflikten wie nicht explodierten Sprengkörpern auf Menschen, alle Lebewesen und unseren Planeten gibt.

Daten sammeln

Ein Beispiel dafür ist das Projekt "Bewertung der Schäden an Ackerland und Ökosystemen in der Nordostukraine durch die russische Invasion" (UA-UK-CH), das von der Mitautorin dieses Artikels, Dr. Olena Melnyk, geleitet wird.

Bei diesem Projekt handelt es sich um eine gemeinsame Initiative von Forschern aus der Ukraine, England und der Schweiz, die darauf abzielt, die Kapazitäten für die Kartierung, die Umweltüberwachung und die Bewältigung der Auswirkungen von kriegsbedingten Schäden an den landwirtschaftlichen Flächen der Ukraine zu verbessern und dabei bestehende Netzwerke von Wissenschaftlern und vor Ort erhobene Analysen zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit zu nutzen.

Die erste Komponente des Projekts umfasst die Sammlung von Daten über die Schäden an ukrainischen landwirtschaftlichen Flächen, die dann zur Analyse des Ausmaßes der Bodenverschmutzung und zur Abschätzung von Daten, die aus der Ferne erhoben werden, verwendet werden.

Die zweite Komponente konzentriert sich darauf, Kartierungen von Ackerland zu entwickeln und anzuwenden, um Gefahren und Verunreinigungen zu dokumentieren sowie Prioritäten für die Produktion und Sanierung von Land zu setzen.

Ukrainer sollen mithelfen

Die dritte Komponente umfasst den Aufbau einer "Bürgerwissenschaft" durch die Ausbildung von Experten, die nicht im Kampfeinsatz sind, um kontaminiertes Ackerland zu inspizieren und zu analysieren sowie einen Beitrag zur Landkartierung zu leisten.

Die vierte Komponente zielt darauf ab, die Dekontaminierung und Sanierung ukrainischer Böden zu erleichtern, um die landwirtschaftliche Produktivität wiederherzustellen und gleichzeitig umweltfreundliche landwirtschaftliche Praktiken der Nachkriegszeit zu fördern. Damit soll Nachhaltigkeit und Klimaneutralität gewährleistet werden.

Dieses Projekt wird die ukrainischen Landwirte in die Lage versetzen, gefährliche Gebiete zu meiden und Landflächen auszuwählen, die vorrangig und gezielt dekontaminiert werden sollen. Die im Rahmen dieses Forschungsprojekts gesammelten Daten werden zur Information von Regierungsbehörden, Zivilgesellschaften und anderen Beteiligten beitragen.

Projekt könnte als Modell genutzt werden

Die Vereinigten Staaten sind der größte Geldgeber für die weltweite humanitäre Minenräumung. Seit 1993 haben die USA mindestens 4,2 Milliarden Dollar für über 100 Länder von Laos bis zur Ukraine bereitgestellt. Die Gelder werden in Aktivitäten wie Bombenräumung, Opferhilfe und Aufklärung über Explosionsrisiken investiert.

Umweltforschung wie die UA-UK-CH in der Ukraine hat sich als notwendig und wichtig für die Zukunft der Bodensanierung nach einem Konflikt erwiesen. Dies sollte zur Norm werden.

Geberländer, Geldgeber und akademische Einrichtungen können die künftigen Erkenntnisse aus der Ukraine als Modell nutzen, das die Forschung in anderen kriegsgeschädigten Ländern inspirieren kann – insbesondere die 50 Jahre alten Altlasten in Laos, Kambodscha und Vietnam, wo bisher keine Studien durchgeführt wurden.

Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Hier das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Olena Melnyk ist Senior Researcher an der ETH Zürich (Schweiz), Climate Policy Lab, Assoc. Prof. an der Sumy National Agrarian University (Ukraine) und Honorary Prof. an der Royal Agricultural University (England). Sie ist Mitglied der UNEP Environment Working Group: Humanitarian Response for Ukraine und Mitglied des Kernteams des Projekts CAS Rebuild Ukraine.

Sera Koulabdara ist Geschäftsführerin von Legacies of War, einer Organisation, die sich auf die Beschaffung von Mitteln sowie die Sensibilisierung für die humanitäre Minenräumung, die Unterstützung von Opfern und die Aufklärung über Sprengstoffrisiken konzentriert. Sera Koulabdara ist auch Mitglied der Gruppe "Umweltfragen bei Minenräumaktionen".


Redaktionelle Anmerkung: In einer früheren Textversion wurde "spent ammunition" als "abgelaufene Munition"! übersetzt. Richtig ist, dass es sich um verschossene Munition handelt.