Kriegsführung: Gamechanger Geran-2-Drohne – ein strategisches Problem für die Ukraine
- Kriegsführung: Gamechanger Geran-2-Drohne – ein strategisches Problem für die Ukraine
- Geran-2: Einsatz und Einschätzung
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Russland produziert Version der iranischen Kamikaze-Drohne Shahed-136. Für die ukrainische Luftabwehr kommt das teuer. Ihre Hoffnung liegt auf Sidewinder-Raketen.
Nur wenige Waffensysteme bringen neue und ungeahnte militärische Fähigkeiten hervor, die es so historisch bisher nicht gab. Sie sind Gamechanger, insofern sie die Art der Kriegsführung maßgeblich neu formen.
Eine von diesen neuen Waffen ist die Shahed-136-Drohne aus dem Iran. Unter dem Namen Geran-2 wird sie wahrscheinlich seit Februar dieses Jahres in Russland selbst hergestellt – und das mit einer Produktionsschlagzahl von zurzeit etwa 100 Einheiten pro Monat oder 3,5 Einheiten pro Tag. Das berichtet der US-Blog FDD's Long War Journal.
Das Journal hat Schlussfolgerungen aus Seriennummern russischer Shahed-136-Drohnen gezogen, die in öffentlich zugänglichen Quellen auf den Propellerheckflossen zu finden sind.
Kamikaze-Drohne Shahed 136
Die Shahed 136 wurde ab Herbst letzten Jahres in größeren Kreisen bekannt, als Russland eine strategische Luftkampagne gegen die Energieinfrastruktur der Ukraine begann. Seit Sommer vorigen Jahres liefert der Iran seine Kamikaze-Drohne an Russland, vermutlich auf dem Seeweg über das Kaspische Meer und in Transportflugzeugen.
Die Shahed 136 oder Geran-2 ist eine strategische Drohne, die eine vergleichsweise große Sprengladung von 50 Kilogramm über eine weite Entfernung von 2.500 Kilometer transportieren kann. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt etwa 185 km/h.
Der Preis für die Drohne lässt sich nur schätzen, die englische Wikipedia nennt Zahlen von 10.000 bis 50.000 US-Dollar. Damit beträgt der Preis der Drohne nur einen Bruchteil der Kosten für einen Marschflugkörper oder einer ballistischen Rakete.
"Massiver Impakt"
So schont Russland seine teuren Raketenbestände und setzt vergleichsweise billige Drohnen als Ersatz für Marschflugkörper ein und das mit trotzdem signifikanten Ergebnissen:
"Der Impakt der Geran-2 ist massiv. Sie sind nicht nur billige Köder, sondern auch wirkungsvolle Waffen. Zudem sättigen sie vor allem die ukrainische Flugabwehr", sagt der österreichische Drohnenexperte Markus Reisner gegenüber der Telepolis.
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Im letzten Winter 2022/23 haben die russischen Streitkräfte über 1.000 Geran-Drohnen eingesetzt, um die kritische Energieinfrastruktur anzugreifen– nun haben sie die Hälfte davon, also über 500, alleine im September gegen ukrainische Ziele abfeuern können.
Alleine am 2. November starteten russische Operatoren 40 Geran-2 zu zehn Zielen im ganzen Staatsgebiet der Ukraine. Nach ukrainischen Angaben konnte der Großteil abgeschossen werden.
Ökonomisches Ungleichgewicht
Das Problem für die ukrainische Luftabwehr ist aber das große ökonomische Ungleichgewicht: Selbst wenn der Schätzpreis für eine Geran-2 mit 20.000 US-Dollar zu niedrig anlegt ist, so liegt der Preis für eine westliche Luftabwehrrakete ungleich höher. So beträgt der Preis einer Iris-T Rakete, die gegen die Geran-2 bereits eingesetzt wurde, 400.000 Euro.
Allerdings: Der Einsatz einer derart teuren Abwehrrakete ist sinnvoll, wenn das potenziell getroffene Ziel über dem Preis der Iris-T-Rakete liegt, wie beispielsweise Anlagen der Energieinfrastruktur.
Möglichkeiten des Flugabwehr-Panzers Gepard
Die ukrainische Seite gibt nicht bekannt, wie Geran-2 abgeschossen werden. Die kostengünstigste Methode dürfte zurzeit der deutsche Flugabwehr-Panzer Gepard darstellen, dessen Munition weniger als 1.000 US-Dollar pro Stück kostet. Aber auch hier dürfte ein Gepard nicht mehr als zwanzig Geschosse pro Abschuss verwenden, um den Abschuss der Geran kostengünstiger zu gestalten, als die Produktion der Angriffsdrohne.
Eine Quote, die nicht immer erreicht werden dürfte. Zudem ist der Gepard nur für die Nahbereichsverteidigung ausgelegt und hat eine maximale Reichweite von nur 5.000 Metern. Bei nur 46 gelieferten Systemen können nur wenige Ziele in der Ukraine durch den Flakpanzer geschützt werden.
Hoffnung Sidewinder-Raketen
Deshalb versucht die Ukraine, außer Dienst gestellte Sidewinder-Raketen gegen die Shaheds einzusetzen. Sidewinder sind eigentlich Luft-Luft-Rakteten, die von einem Flugzeug als Startplattform abgeschossen werden. Allerdings haben ukrainische Techniker jetzt einen Weg gefunden, die Sidewinder vom Boden aus zu starten.
Wenn wirklich außer Dienst gestellte Raketen verwendet werden, würden die Kosten für einen Abschuss nahe null gehen. Die Rakete wird seit 1956 eingesetzt und wird seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Die neueste Variante AIM-9 kostete 2021 etwa 472.000 US-Dollar.
Falls bereits außer Dienst gestellte Raketen in ihrer ungewöhnlichen und improvisierten Rolle tatsächlich schon im Einsatz sein würden, bedeutet das ein nicht unerhebliches Risiko für die Verteidiger, weil eine Sidewinder mit Fehlfunktion auf bewohntes Gebiet abstürzen könnte.
Es kursiert bereits mindestens ein Video in sozialen Netzwerken von einer versagenden, ukrainischen Abwehrrakete, die wenige Sekunden nach dem Start abstürzt.
Im Schnitt dürfte der Ukraine ein Abschuss der Geran-2 um ein Vielfaches teurer zu stehen kommen, als die Produktion der Drohne. Zumal Russland sich um eine grundlegende Verbesserung der Konstruktion bemüht, die auch die Kostenseite verbessern und die Drohne noch günstiger machen soll.
So wurde in von der Ukraine geborgenen Geran-2 ein neues, russisches Navigationsmodul gefunden, das Kometa, welches auch in anderen russischen Drohnen Verwendung findet. Zudem wurde der Rumpf verändert. Dieser wird jetzt aus Glasfaser und Kohlenstofffaser hergestellt. Zusätzlich plant Russland, die Geran-2 schwarmfähig zu machen und mit Künstlicher Intelligenz auszustatten.