Kriegsführung ohne Menschen: Ukraine führt historischen Mehrfach-Drohnenangriff durch
KI-generierte Illustration.
Die Ukraine meldet eine militärische Premiere: Erstmals sollen verschiedene Drohnentypen koordiniert angegriffen haben. Die Quelle der Meldung bleibt fraglich.
Die ersten Angriffe mit Kampfpanzern waren wenig erfolgreich. Erst in der Schlacht von Cambrai 1917 gelang erstmals in der Geschichte die taktische Verbindung von Panzern mit begleitender Infanterie und unterstützender Artillerie – ein historischer Meilenstein in der Entwicklung der modernen Kriegsführung.
"Verbundene Waffen"
Nun, mehr als 100 Jahre später, haben die ukrainischen Streitkräfte wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte einen Drohnenangriff mit "verbundenen Waffen" durchgeführt. Ein bedeutsames Ereignis in der Militärgeschichte.
In einem Gefecht der verbundenen Waffen arbeiten verschiedene Truppenteile systematisch zusammen. Jede Truppengattung nutzt ihre spezifischen Fähigkeiten und gleicht die Schwächen der anderen aus.
Die Panzer durchbrechen mit ihrer Feuerkraft und Panzerung feindliche Stellungen, während Infanteristen sie vor Nahbedrohungen schützen.
Artillerie bekämpft gegnerische Kräfte außerhalb der Sichtweite und schneidet Verstärkungen ab. Aufklärungseinheiten liefern Informationen über Feindkräfte, Pioniere beseitigen technische Hindernisse.
Punktgenaues Zusammenwirken der Kräfte
Der Erfolg basiert auf der präzisen Koordination aller Elemente. Moderne Kommunikationsmittel ermöglichen das punktgenaue Zusammenwirken der Kräfte. Was historische Militärführer bereits als Konzept verfolgten, hat sich durch technische Innovationen zu einer standardisierten Militärdoktrin entwickelt.
Das koordinierte Zusammenwirken verschiedener Truppengattungen prägt die Kriegsführung seit Jahrtausenden. Bereits antike Heere kombinierten schwere Infanterie mit Bogenschützen und Reiterei. Im Mittelalter ergänzten sich gepanzerte Ritter, Langbogenschützen und Fußvolk.
Die Industrialisierung brachte neue Waffensysteme hervor. Im Ersten Weltkrieg erweiterten Panzer, Flugzeuge und verbesserte Artillerie das Spektrum. Die Schlacht von Cambrai 1917 zeigte erstmals die systematische Einbindung von Panzern in das Gefecht der "Verbundenen Waffen".
Die Taktik des Blitzkrieges
Die deutsche Wehrmacht entwickelte daraus die Taktik des Blitzkrieges. Moderne Streitkräfte perfektionierten das Prinzip durch digitale Kommunikation und Präzisionswaffen. Die Grundidee der koordinierten Waffenwirkung ist dabei unverändert geblieben.
Verschiedene militärische Einheiten wie Panzer, Infanterie, Artillerie und Aufklärer arbeiten so zusammen, dass die Stärken der einzelnen Einheiten die Schwächen der anderen ausgleichen.
Die historische Premiere und die Quelle
Und genau dieses Verfahren wurde nun erstmals von den ukrainischen Drohnenstreitkräften ausschließlich mit Drohnen angewandt. Umstritten ist allerdings die Quelle der Informationen. Denn der Bericht stammt von der ukrainischen Regierungsseite United 24, einem Video von ihrem YouTube-Kanal entnommen.
Bei United24 handelt es sich um ein Internetportal zur Sammlung von Spenden aus dem Ausland. Daher ist die Seite als Quelle kritisch zu hinterfragen. So ist es durchaus möglich, dass die Nachricht über den Kampf der vernetzten Waffen ausschließlich mit Drohnen entweder stark übertrieben wurde oder gar nicht stimmt
Zudem hat das Video sehr deutlich den Charakter eines Propagandavideos. Bilder des angeblichen Angriffs, der Ende Dezember bei Lypzi in der Nähe von Charkow stattgefunden haben soll, sind wahrscheinlich nicht zu sehen.
Aus dem Video geht hervor, dass der Angriff mit mehreren Dutzend Drohnen durchgeführt wurde, die genaue Anzahl wird nicht veröffentlicht. Das Zusammenspiel soll vorher geübt worden sein.
Beteiligt waren demnach Kamikaze-Drohnen, sowohl in der Luft als auch am Boden. Außerdem waren leichte Raddrohnen mit Waffenturm beteiligt. Mit diesem Drohnentyp hatte Russland bereits Ende März vergangenen Jahres den wohl historisch ersten Angriff mit Bodenkampfdrohnen geflogen.
Zusätzlich wurden schwere Drohnenbomber eingesetzt, vermutlich vom Typ "Baba Yaga", einer großen Oktokopter-Flugdrohne aus der Landwirtschaft. Modellflugzeugähnliche Aufklärungsdrohnen dienten der Erstellung von Lagebildern.
Alle Drohnen sollen in der Ukraine hergestellt worden sein. Über die Wirksamkeit dieses ersten angeblichen Einsatzes der verbundenen Drohnen ist nichts bekannt geworden.
Die Besonderheit
Das Besondere an dem Angriff ist nicht nur die Koordination verschiedener Drohnentypen in einer einzigen Offensive ohne Beteiligung menschlicher Soldaten direkt an der Front. Das Besondere ist auch der Einsatz von Drohnen am Boden. Das hat es bisher nur sehr selten gegeben.
Während Luft- und Seedrohnen im Ukraine-Krieg beachtliche Erfolge erzielen, bleiben unbemannte Landfahrzeuge bislang weitgehend ohne durchschlagenden militärischen Erfolg. Die Gründe dafür sind vielschichtig und offenbaren grundlegende Herausforderungen dieser Technologie.
Die hohen Anforderungen
Ein zentrales Problem ist die komplexe Navigation im Gelände. Anders als in der Luft oder auf See müssen Landdrohnen mit einer Vielzahl von Hindernissen zurechtkommen: Gräben, Baumstümpfe, Trümmer, Schlamm und unebenes Gelände.
Diese Komplexität stellt enorme Anforderungen an die Steuerung. Während eine Flugdrohne relativ einfach einer vorgegebenen Flugbahn folgen kann, muss ein unbemanntes Landfahrzeug ständig komplexe Navigations- und Ausweichentscheidungen treffen.
Ein weiteres kritisches Problem ist die Verwundbarkeit. Landdrohnen sind leichte Ziele für gegnerische Streitkräfte. Anders als Flugdrohnen können sie sich nicht einfach in sichere Höhen zurückziehen. Ihre Bewegungen sind durch das Gelände eingeschränkt, was sie berechenbar macht. Zudem sind sie aufgrund ihrer Größe leicht zu entdecken und können mit fast jeder Infanteriewaffe ausgeschaltet werden.
Energieversorgung und Kommunikation
Eine weitere Herausforderung stellt die Energieversorgung dar. Elektrische Antriebe, die bei kleinen Flugdrohnen gut funktionieren, stoßen bei schwereren Landfahrzeugen schnell an ihre Grenzen. Verbrennungsmotoren wiederum sind aufgrund ihrer Wärmesignatur leicht zu orten und erfordern eine regelmäßige Betankung.
Problematisch ist auch die Kommunikation. Landdrohnen operieren häufig in Bodennähe, wo die Funkverbindungen durch Gelände und Bebauung gestört werden. Die für eine sichere Steuerung notwendige ununterbrochene Datenverbindung ist daher schwieriger zu gewährleisten als bei Flugdrohnen.
Kosten-Nutzen-Verhältnis
Auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis spielt eine wichtige Rolle. Unbemannte Landfahrzeuge sind deutlich teurer als vergleichbare Flugdrohnen, bieten aber weniger klare Vorteile gegenüber bemannten Systemen. Ein ferngesteuerter Panzer ist kaum billiger als ein bemannter, aber deutlich störanfälliger.
Hinzu kommt die Komplexität der Einsatzszenarien am Boden.
Während Drohnen in der Luft relativ klar definierte Aufgaben wie Aufklärung oder Präzisionsangriffe durchführen, müssen Drohnen am Boden in wesentlich vielfältigeren und unübersichtlicheren Situationen operieren. Die für solche komplexen Entscheidungen notwendige künstliche Intelligenz ist noch nicht ausgereift.
Neue Möglichkeiten durch KI
Der koordinierte Einsatz verschiedener Drohnentypen wird derzeit vermutlich noch von menschlichen Operateuren durchgeführt. Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz eröffnet jedoch neue Möglichkeiten.
Automatische Kollisionsvermeidung, taktische Koordination zwischen Drohnensystemen und autonome Zielerfassung und -zuweisung könnten in Zukunft ohne direkte menschliche Steuerung erfolgen.
Selbst wenn der behauptete Einsatz so nicht stattgefunden haben sollte und aus Gründen der Spendenakquise zumindest übertrieben dargestellt wurde, zeigt das Video, wohin die Entwicklung des Drohnenkriegs gehen wird.
Die Zukunft des Drohnenkriegs
Denn die Einführung revolutionärer Waffensysteme gleicht der Veränderung eines Strategiespiels durch neue Spielfiguren. So wie die Einführung der Dame im 15. Jahrhundert das Schachspiel grundlegend veränderte, revolutionieren Panzer und jetzt Drohnen die militärische Taktik.
Doch wie im Schach reicht die bloße Existenz neuer Figuren nicht aus. Erst das systematisch entwickelte Wissen um ihre effektive Kombination mit anderen Elementen entfaltet ihre volle Wirkung.
Der hier beschriebene Angriff mit "Verbundenen Drohnen" stellt genau solch einen Entwicklungsschritt dar – den Versuch, das Potential der neuen "Spielfiguren" durch innovative Kombinationen besser zu nutzen.
Nutzen im gegenwärtigen Krieg
Dabei ist die Entwicklung in der Ukraine aus einer bitteren Not geboren: Es fehlen Soldaten, und diese Art der Kriegsführung minimiert oder eliminiert den Einsatz von Frontsoldaten.
Die Erfahrungen in der Ukraine zeigen, dass Russland in der Lage sein wird, erfolgreiche Technologien und Taktiken zu kopieren, und zwar ziemlich zügig.
Es ist daher nicht zu erwarten, dass die Ukraine, selbst wenn sie eine Führungsrolle im Bereich der verbundenen Drohnenkriegsführung übernehmen würde, längerfristig einen Vorteil hätte. Allerdings könnte sie auf diese Weise ihren Mangel an Soldaten zumindest teilweise kompensieren.