Kriegstüchtigkeit: Die Neuausrichtung der deutschen Mentalität
Das geht auch flauschig, wie das ARD-Morgenmagazin zeigt. Auch Ü-60 können aktiv mitmachen. Zur subtilen Militarisierung der Medien.
Der Generalinspekteur insistiert: Nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die deutsche Gesellschaft "müssen in fünf Jahren kriegstüchtig sein", beschwor General Carsten Breuer den dringend geforderten gesellschaftlichen Mentalitätswechsel am vergangenen Freitag nochmals auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Noch ist nicht klar, was das konkret bedeutet. Es sind verwirrende Zeiten.
"Eine mentale Geschichte"
"Kriegstüchtigkeit ist vor allem eine mentale Geschichte", sagt Carlo Masala, medienaffiner Professor für Internationale Politik an der Bundeswehrhochschule in München (ab 02:13). Verbunden damit sei die Frage, ob die Strukturen und Köpfe in der Bundeswehr auf einen möglichen Konflikt in der nächsten Dekade mit der Russischen Föderation vorbereitet seien?
Das, so glaubt Masala, sei ein langer Weg. Hinein spiele da auch eine gesellschaftliche Diskussion, ein "semantisches Problem": Wenn sich Leute über Wörter wie "kriegstüchtig" aufregen "und lieber Verteidigung sagen mögen". So sei es "noch ein langer Weg, bis eine Mehrheit der Gesellschaft auch wirklich diese Aufgabe versteht und sie unterstützt".
"Immer mehr wollen Reservisten werden": Das Kunststück
Einen Teil dieser Aufgabe hat vergangene Woche das ARD-Morgenmagazin übernommen. In der Sendung mit dem Titel "Immer mehr Menschen wollen Reservisten werden" (Mediathek) erweiterte der öffentlich-rechtliche Sender den Horizont der Zuseherinnen und Zuschauer.
Dem Magazin gelang das Kunststück, das Publikum zum Thema, das seine Abgründe hat, in einer Komfortzone zu belassen. Das ist nicht einfach. Es geht schließlich um die Bereitschaft für einen möglichen Krieg und Einstellungen dazu.
Dennoch verlief das Gespräch zwischen der Moderatorin und einer Reservistin beinahe flauschig. Es gab keine beunruhigenden kritischen Nachfragen, die unters Mentalitäts-Fell gehen.
Darüber hinaus konnten die morgendlichen Zuseher dem Gespräch über Konturen einer neuen Kriegsbereitschaft entnehmen, dass man auch als ältere Bürger, sogar Ü-60, durchaus noch für die größere gesellschaftliche Aufgabe im Rahmen des Reservedienstes tauglich und gefragt ist.
Fähigkeiten, die gebraucht werden
Auf die Frage, welche Fähigkeiten jenseits des Dienstes an der Waffe nützlich seien, antwortete die Reservistin:
Solange die Waffen schweigen, zählt noch jedes Wort. Insofern ist Kommunikation nicht gerade ein kleines Tool, sondern sogar eher ein sehr wichtiger Bestandteil. Insbesondere für die deutsche Bundeswehr, die ja das Prinzip der Inneren Führung kennt. Und da kommt es auf jeden Einzelnen an und nicht nur auf die Generäle.
Die Arbeit ist sehr vielfältig. Von technischen, mechanischen Sachen bis hin zur Stabsarbeit. Im Stabsdienst sind natürlich viele Menschen gefordert, die sonst im öffentlichen Dienst arbeiten, in Ministerien, oder sonstwie. Da bietet es sich besonders an, Spiegelposten wahrzunehmen.
Die Karrierecenter informieren auch darüber. Denn, in der Krise können wir Deutschland nur gemeinsam verteidigen und nicht einzelne.
Reservistin im ARD-Morgenmagazin
Die Bundeswehr sucht Personal. Dafür gibt es eine Task-Force, wie der Bayerische Rundfunk kürzlich mit human touch berichtete.
Ihre braunen Haare hat sie zu einem Zopf geflochten. Werner trägt dezentes Make-up zur Flecktarnuniform. Das Verbandsabzeichen an ihrem rechten Oberarm zeigt zwei gekreuzte Kanonenrohre. Sie stehen für die Artillerietruppe. Es wirkt brandneu, als hätte es weder den Dreck und Staub eines Übungsplatzes noch die Waschmaschine danach gesehen.
Die Einheit ist gerade erst am Entstehen. Werner wirkt glücklich darüber, hier etwas bewegen zu können.
BR
Rekrutierung über ÖRR?
Braucht es jetzt ÖRR-Werbesendungen für die neue Kriegstüchtigkeit?
"Mit Journalismus hat das rein gar nichts mehr zu tun", kommentiert Friedemann Vogel, Professor an der Universität Siegen, der Sprache, kollektives Wissen und strategische Kommunikation analysiert. Manche gehen weiter und X-en den Morgenmagazin-Beitrag als "Propaganda".
Die Welt wird eine andere. Die Gespräche zur Kriegstüchtigkeit werden nicht immer so nett sein wie im kuschligen ARD-Morgenmagazin.