Kulturpolitischer Paukenschlag: Kulturstaatsminister Wolfram Weimer?
Wolfram Weimer. Bild: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Rechtsruck in der Kulturpolitik: Weimer soll Claudia Roth beerben. Was steckt hinter seinen schnellen Worten und steilen Thesen?
Der intellektuelle Mainstream ist heute alles andere als links, der habituelle sowieso. Deutschland wird wieder bürgerlich, aber es quält sich noch mit dem Restmüll seiner kollektivistischen Experimente herum.
Wolfram Weimer, 2004
Ein großer Mann. Jedenfalls im Hinblick auf seine Körpergröße von rund zwei Metern. Ein kluger Kopf. Einer, der Rechnung zu begleichen hat im Kultur- und vor allem im Medienbetrieb der Republik.
Sollten sich die seit gestern Nachmittag kursierenden Meldungen (SZ, FAZ, Focus) bewahrheiten, nach denen der erzkonservative Publizist und Verleger Wolfram Weimer (geb. 1964) der neue Kulturstaatsminister der Bundesrepublik werden wird, so wäre dies eine faustdicke Überraschung. Und nicht unbedingt eine gute.
Allzu viele Vorschusslorbeeren und 100-Tage-Schonfristen wird der neue Kulturstaatsminister jedenfalls nicht bekommen, so viel lässt sich schon aus den ersten Reaktionen auf diese Personalie ablesen.
Aber wer ist überhaupt dieser Wolfram Weimer?
Im Schlepptau von Mathias Döpfner
Weimer ist der ehemalige Cicero-Gründungschefredakteur, unter dem das Magazin immer weiter nach rechts gedriftet ist, bevor er abgelöst wurde. Davor war Weimer bei der FAZ im Wirtschaftsressort, eine Weile auch in Spanien als Wirtschaftskorrespondent – als die FAZ noch drei Leute in Spanien hatte.
Später dann wurde er bei Mathias Döpfner, den er aus FAZ-Zeiten kannte, Chefredakteur der Welt, bevor er über eine bis heute nie richtig aufgeklärte Intrige stolperte, an der möglicherweise sein alter Arbeitgeber, die FAZ, möglicherweise der unzufriedene "Ex-Kumpel" Döpfner und möglicherweise er selbst schuld waren.
"Mit Platon zum Profit"
Ähnlich wie Friedrich Merz ist Weimer ein Mann der schnellen Worte und der steilen Thesen, nicht unbedingt deren tieferer Grundierung. So schrieb er gemeinsam mit seinem Vater Alois Weimer ein seichtes Philosophie-Lesebuch für Manager unter dem Titel "Mit Platon zum Profit", so schrieb er über "Die Sozialisierungsfalle" und mehrfach darum, "warum die Rückkehr der Religion gut ist".
2009 erklärt er, "Warum die Krise uns konservativ macht" und 2018 kam dann "Das konservative Manifest. Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit". Das ist ungefähr das Niveau, das ein Friedrich Merz offenbar für intellektuell und kunstsinnig hält.
Dies ist aber auch der Versuch des designierten Kanzlers Friedrich Merz, kulturpolitisch Farbe zu bekennen und eine Entscheidung außerhalb der Üblichkeiten zu treffen. Merz bricht hier mit dem Kulturfunktionärstum, mit der Ansicht, dass nur sogenannte "gestandene Kulturpolitiker" diesen Job ausfüllen können. Das ist natürlich totaler Unsinn.
Merz führt das Amt damit aber auch zum ursprünglichen Gedanken zurück, als das Amt von Gerhard Schröder geschaffen wurde – den Gedanken, dass dies auch eine Spielwiese für die Intellektuellen sein müsste. Für Intellektuelle wie den Verleger Michael Naumann und den Philosophen Julian Nida-Rümelin.
Wolfram Weimar ist, ob uns das jetzt gefällt oder nicht, durchaus ein Intellektueller – nur eben einer von Rechtsaußen. Er ist jemand, der einen weiten Horizont hat, der nicht in parteipolitischen Flügeln und den entsprechenden Flügelkämpfen festgetackert ist.
Zudem hat Weimer immerhin einen (Hoch-)Kulturbegriff und sieht Kultur nicht komplett als Verfügungsmasse für neoliberale Sparpolitik an – und gleichzeitig ist diese Entscheidung für den Mann in ihrer Durchschnittlichkeit und Sauerlandhaftigkeit auch wieder genau das, was sich Friedrich Merz unter Kultur vorstellt.
Kultur war nie sein Thema
Anderenorts ist die Begeisterung geringer: In einem ungewöhnlich scharfen Begrüßungstext macht Herausgeber Jürgen Kaube klar, warum Weimer "der falsche Mann am falschen Platz wäre. Um es gelinde zu sagen".
Kaube weiter:
"Weimer ein Interesse an irgendeiner Kunst oder Geist zu unterstellen, wäre spekulativ."
In einer Sammlung aus Stilblüten zu Weimers Begriff von Kultur und seinem Geschichtsverständnis wird klar: Weimer hat von nichts eine Ahnung. "Wir fürchten uns nur jetzt schon etwas davor, was er im Amt alles zum Besten geben würde."
In der SZ hieß es gestern kaum schmeichelhafter:
"(....) die Kultur war nie sein Thema. Er ist Christ, Medienunternehmer und Wirtschaftsmann. Es fällt nicht leicht, sich vorzustellen, wie er die nächste Documenta eröffnet, sich für die Nöte der Clubkultur oder die Chöre im ländlichen Raum stark macht. ... Ganz offensichtlich hielt Merz die Medienpolitik für derzeit wichtiger als die Kultur. Und vermutet bei Weimer, der in den Medien vom Schülerzeitungsredakteur bis zum Verlagsbesitzer schon jede Rolle ausgefüllt hat, mehr Kompetenz als er in den parteieigenen Reihen finden konnte."