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LNG-Jubel und die miese Klimabilanz der Scholz-Regierung

"Mit dem heutigen Tag wird Deutschland und wird auch die Europäische Union ein großes Stück sicherer und unabhängiger", erklärte Scholz bei der Eröffnung des ersten LNG-Terminals, Wilhelmshaven, 17. Dezember. Bild: Bergmann / Bundesregierung

Energie und Klima – kompakt: Deutschlands LNG-Hunger treibt die Preise. Das ist nicht nur schlecht für die ärmeren Ländern, sondern auch fürs Klima. Warum die Importe aus den USA zu hohen Extra-Treibhausgasemissionen führen.

Nun ist es also so weit. An der Nordseeküste, in Wilhelmshaven, ging, wie berichtet [1], das erste sogenannte LNG-Terminal in Betrieb. In Rekordtempo gebaut und mit recht wenig Rücksicht auf die Umwelt des angrenzenden Nationalparks Wattenmeers.

Der Unterschied im Ehrgeiz beim Ausbau dieser neuen fossilen Infrastruktur und dem Ausbau der Windenergie an Land und auf See springt ins Auge. Vor den deutschen Küsten, wo ideale Windbedingungen für deutlich bessere Auslastung der Anlagen als an Land sorgen könnten, ging seit 2019 nur noch eine Handvoll neuer Windräder ans Netz.

Magere 200 Megawatt Gesamtleistung kamen in den letzten drei Jahren hinzu. Der Ausbau ist fast zum Erliegen gekommen. Und auch an Land läuft es nur sehr schleppend. Aber das nur am Rande, um die unterschiedlichen Prioritäten der Berliner Regierung zu verdeutlichen.

Nun kann also auch hierzulande Flüssiggas (LNG, Liquefied Natural Gas) angeliefert werden, das in den letzten Monaten schon vermehrt über das europäische Pipeline-Netz aus den französischen und belgischen Häfen bezogen wurde. Darunter übrigens auch russisches LNG, wobei der Umfang dieser Lieferungen unklar ist. Durch die Nord-Stream-Pipelines wird nach den offensichtlichen Sabotageakten [2] im September, für die sich auffallend wenig interessiert wird, jedenfalls kein Gas mehr gepumpt.

Andererseits haben Frankreich und Belgien, nach dem die Kapazitäten der grenzüberschreitenden Pipeline-Verbindungen nach Deutschland im Oktober [3] erhöht wurden, auffallend viel russisches LNG importiert, wie hier zu sehen ist [4]. Die hiesigen Gasspeicher sind jedenfalls gut gefüllt [5]. Anfang Dezember waren sie randvoll, inzwischen ist der Füllstand jedoch, vermutlich aufgrund der Kälte, auf 90 Prozent zurückgegangen, schreibt [6] das Handelsblatt. Nie zuvor seien die Speicher so schnell geleert worden.

Nun soll also Flüssiggas für Ersatz sorgen. Transportiert wird es in Spezialschiffen, denn das überwiegend aus Methan bestehende Erdgas muss auf etwas weniger als minus 160 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Diese Schiffe sind auf dem Weltmarkt knapp, insbesondere die nicht durch langfristige Verträge gebundenen, und Deutschlands plötzlicher Bedarf treibt die Preise nicht nur für das Gas selbst, sondern auch für den Transport in die Höhe.

Zusätzlich in die Höhe, muss man korrekterweise sagen, denn die Abkehr vom russischen Gas ist nicht der einzige Grund. Schon im Oktober 2021 schrieb [7] die Plattform Oilprice.com von steigenden Frachtraten – so werden die Transportkosten in der Schifffahrt genannt – aufgrund erhöhten Bedarfs in Ostasien. Seinerzeit mussten in der dortigen Region für einen Tag bereits rund 260.000 US-Dollar gezahlt werden. Ein Jahr später war für den Transport zwischen Nordamerika und Europa bereits fast 400.000 US-Dollar pro Tag [8] auf den Tisch zu legen.

Warum LNG so schädlich fürs Klima ist

Die Gaskrise [9] ist also offenbar nicht nur für die Förderer und Händler, sondern auch für die Reedereien mit den entsprechenden Spezialschiffen ein glänzendes Geschäft. Das Nachsehen haben nicht nur die europäischen Verbraucher, sondern nicht zuletzt auch ärmere Länder, die sich die Gasimporte kaum noch leisten können oder die kleinen Landwirte in aller Welt, die immer tiefer für Dünger in die Tasche greifen müssen. Für dessen Herstellung wird nämlich Wasserstoff benötigt, der bisher noch aus dem im Erdgas enthaltenen Methan gewonnen wird.

Das nun in Deutschland angelandete LNG wird zunächst ganz überwiegend aus den USA stammen. Dort wird es mithilfe des berüchtigten Frackings gewonnen, da die konventionellen Gasvorkommen weitgehend erschöpft sind. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und allerlei Chemikalien unter hohem Druck in den Untergrund gepumpt, um Gas enthaltende Gesteinsporen aufzubrechen.

Das Verfahren ist aus hauptsächlich zwei Gründen sowohl hierzulande [10] als auch in den USA oder zum Beispiel Argentinien [11] hochumstritten: Zum einen kommt es immer wieder zu Kontamination des Grundwassers. Die Bohrungen müssen durch die Schichten geschehen, aus denen die benachbarten Dörfer und Städte ihr Trinkwasser beziehen, und die Löcher sind offensichtlich nicht immer ausreichend abgedichtet. Legendär sind die Bilder von brennendem Trinkwasser aus den US-amerikanischen Dokumentarfilmen Gasland 1 und Gasland 2 [12].

Zum anderen ist die US-Gasindustrie berüchtigt für Leckagen. Nicht nur, dass aus den dortigen Pipelines im erheblichen Umfang Gas entweicht, wie unter anderem Reuters berichtet [13]. Auch bei der Förderung gelangen große Mengen in die Umwelt.

Da Erdgas, wie erwähnt, größtenteils aus Methan besteht, ist es auch für das Klima fatal. Denn die Verbindung aus Kohlen- und Wasserstoff ist ein hocheffizientes Treibhausgas. Zum Glück ist es im Vergleich zum Kohlendioxid (CO2) ein sehr kurzlebiges Gas, dessen Moleküle in der Atmosphäre nach und nach durch chemische Prozesse zerlegt werden. Doch im Molekül-Vergleich ist es auf 100 Jahre hochgerechnet ungefähr 26- bis 30-mal so effektiv [14] wie CO2. Kurzfristig, in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Freisetzung, schirmt es die Wärmeabstrahlung der Erde sogar 86-mal so gut ab.

Wenn man also irgendwann die Klimabilanz der dritten Bundesregierung mit grünen Ministern aufmachen sollte, dann wird sie also ziemlich düster ausfallen. Insbesondere, weil man ihr eigentlich auch diese mit den neuen LNG-Importen verbundenen Emissionen anlasten müsste. In der offiziellen Buchführung werden diese allerdings hierzulande nicht auftauchen. Sie werden den USA zugerechnet und auch dort sicherlich nur unvollkommen registriert.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7432703

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Erstes-deutsches-LNG-Terminal-in-Wilhelmshaven-eroeffnet-7398110.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/Nord-Stream-Explosion-Neue-Bilder-7363999.html
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/frankreich-gaslieferung-saarland-pipeline-100.html
[4] https://globallnghub.com/russian-lng-exports-to-europe-by-destination.html
[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1294810/umfrage/fuellstand-der-gasspeicher-in-deutschland-auf-tagesbasis/
[6] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/fuellstand-in-deutschland-gasspeicher-leeren-sich-so-schnell-wie-noch-nie-in-diesem-winter-/28819652.html
[7] https://oilprice.com/Latest-Energy-News/World-News/LNG-Tanker-Rates-Surge-As-Global-Natural-Gas-Prices-Soar.html
[8] https://seekingalpha.com/news/3890383-lng-freight-rates-surge-to-all-time-high-as-europe-rushes-for-gas
[9] https://www.heise.de/tp/features/Energiekrise-kostet-Europa-eine-Billion-Euro-und-das-ist-erst-der-Anfang-7398516.html
[10] http://wir-gegen-fracking.de/
[11] https://www.heise.de/tp/features/Argentinien-Fracking-am-Ende-4664249.html
[12] https://www.greenpeace.org/usa/film-review-gasland-ii-an-explosive-fracking-follow-up/
[13] https://www.reuters.com/business/environment/new-research-reveals-us-gas-pipeline-leaks-have-not-improved-2022-06-23/
[14] https://www.epa.gov/ghgemissions/understanding-global-warming-potentials