Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Ossi-Schelte zahlt sich aus

Bleibt CDU-Hochburg: Der Landtag von Sachsen-Anhalt auf dem Domplatz in Magdeburg. Foto: Thorsten Maue / CC BY-SA 2.0
Die CDU hat ausgerechnet in dem ostdeutschen Bundesland zugelegt, nachdem sie im MĂ€rz im SĂŒdwesten Verluste hinnehmen musste. ZweitstĂ€rkste Kraft wurde erneut die AfD
Ausgerechnet Ostdeutsche, denen kĂŒrzlich der CDU-Politiker Marco Wanderwitz als Ostbeauftragter der Bundesregierung unterstellt hat, sie seien teilweise "diktatursozialisiert" [1] und "auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen", haben der CDU bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am Sonntag endlich mal wieder einen Erfolg gegönnt.
Nachdem die Christdemokraten am "Superwahlsonntag" im MĂ€rz in den westdeutschen BundeslĂ€ndern Baden-WĂŒrttemberg und Rheinland-Pfalz gnadenlos abgeschmiert hatten [2], wurden sie nun in Sachsen-Anhalt [3] mit 37,1 Prozent nicht nur erneut stĂ€rkste Kraft, sie konnten ihren Vorsprung auch deutlich ausbauen: 2016 war die CDU hier auf 29,8 Prozent gekommen, die AfD hatte damals 24,3 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten - am Sonntag kam sie noch auf 20,8 Prozent, wurde damit aber erneut zweitstĂ€rkste Kraft.
Mit dem fĂŒr die Sitzverteilung entscheidenden Zweitstimmen-Kreuzchen fĂŒr die CDU hatten es wesentliche Teile der Bevölkerung Sachsen-Anhalts zumindest anders gemacht als ein GroĂteil der zuletzt an die Urnen gerufenen "Wessis" - und sei es nur, um sich selbst zu beweisen, dass sie persönlich nicht gemeint sein könnten, wenn von Diktatursozialisierten die Rede ist. Der Slogan "Nehmt den Wessis das Kommando", mit dem die Partei Die Linke in dem ostdeutschen Bundesland angetreten war, ĂŒberzeugte dagegen nur elf Prozent derjenigen, die in Sachsen-Anhalt ĂŒberhaupt ihre Stimme abgaben - die Linke verlor somit 5,3 Prozentpunkte im Vergleich zu 2016. Allerdings wurde sie damit erneut drittstĂ€rkste Kraft.
Die SPD rutschte mit 8,4 Prozent sogar auf ein einstelliges Ergebnis ab, ihr bisher schlechtestes in diesem Bundesland, wĂ€hrend die GrĂŒnen zwar leicht zulegen konnten, aber mit insgesamt 5,9 Prozent weit vom zweistelligen Bereich entfernt blieben. FĂŒr die FDP reichte es immerhin zum Wiedereinzug in den Landtag, den sie 2016 mit 4,9 Prozent knapp verpasst hatte: Sie kam nun auf 6,4 Prozent, womit sich ganz neue Koalitionsmöglichkeiten auftun.
Reale Zustimmung fĂŒr alle Parteien weitaus bescheidener
Die gröĂte Gruppe von Wahlberechtigten waren aber wieder einmal diejenigen, die kein Angebot ĂŒberzeugt hat: Die Wahlbeteiligung lag bei dieser Landtagswahl in Sachsen-Anhalt bei 60,3 Prozent und ist damit im Vergleich zu 2016 leicht gesunken, blieb aber deutlich ĂŒber dem Rekordtief von 44,4 Prozent im Jahr 2006. Dennoch erreichte auch dieses Mal keine der angetretenen Parteien die tatsĂ€chliche Zustimmung eines Viertels der Wahlberechtigten. Real haben sich nur 22,4 Prozent fĂŒr die CDU, 12,5 Prozent fĂŒr die AfD, 6,6 Prozent fĂŒr Die Linke, 5,1 Prozent fĂŒr die SPD, 3,5 Prozent fĂŒr die GrĂŒnen und 3,8 Prozent fĂŒr die FDP entschieden, wĂ€hrend 39,7 Prozent gar nicht wĂ€hlten.
Wer diese Wahl fĂŒr bundesweit reprĂ€sentativ hĂ€lt und wer nicht
Der Kampf um die Deutungshoheit ist bereits im vollen Gange: Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, hat das strukturschwache und von Abwanderung junger Menschen besonders geplagte Sachsen-Anhalt schon fĂŒr bundesweit reprĂ€sentativ erklĂ€rt [4]: Die dortige Wahl sie ein klares Signal fĂŒr eine unionsgefĂŒhrte Regierung nach der Bundestagswahl. "Die bĂŒrgerliche Mitte hat klar an Zustimmung gewonnen, das linke Lager deutlich verloren", sagte der CSU-Politiker der Augsburger Allgemeinen. "Diese Wahl hat auch gezeigt: Es gibt in Deutschland keine Wechselstimmung hin zu einer Linkskoalition", so der stellvertretende Unionsfraktionschef.
GrĂŒnen-Chef Robert Habeck sieht in diesem Wahlergebnis dagegen selbstverstĂ€ndlich keinen bundesweiten Trend, wie er am Sonntagabend in der ARD-Talksendung "Anne Will" betonte. Es sei "nicht auĂergewöhnlich", dass andere Parteien auf den letzten Metern zugunsten der Amtsinhaber an Stimmen verlieren wĂŒrden, so Habeck. Das sei auch diesmal im Falle des CDU-MinisterprĂ€sidenten Reiner Haseloff so gewesen.
Die AfD-Spitze zeigte sich am Wahlabend gespalten: Der Parteivorsitzende Tino Chrupalla fand das zu diesem Zeitpunkt laut Hochrechnung noch um 0,1 Prozentpunkte höhere AfD-Wahlergebnis "sensationell", wie er bei "Anne Will" sagte. Der Ko-Vorsitzende Jörg Meuthen fand es nur "insgesamt gut und respektabel". Aus seiner Sicht wÀre "mit einem stÀrker in die Mitte zielenden, weniger allein auf Protest setzenden Wahlkampf auch ein noch deutlich stÀrkeres Ergebnis möglich gewesen". Auf diese EinschÀtzung angesprochen, sagte Chrupalla, dies sei "eine Einzelmeinung eines Mitglieds unserer Partei".
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[1] https://www.faz.net/podcasts/f-a-z-podcast-fuer-deutschland/ostbeauftragter-ueber-afd-waehler-nach-30-jahren-nicht-in-der-demokratie-angekommen-17363632.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/Parteienlandschaft-alter-Wein-in-neuen-Schlaeuchen-5988617.html
[3] https://wahlergebnisse.sachsen-anhalt.de/wahlen/lt21/erg/kreis/lt.15.ergtab.php
[4] https://www.tagesspiegel.de/politik/dobrindt-sieht-wahl-als-bundespolitisches-signal-keine-wechselstimmung-hin-zu-einer-linkskoalition/27259678.html
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