Laschets Kampfansage an Merkels Corona-Politik

Armin Laschet. Bild (2018): © Olaf Kosinsky/CC BY-SA 3.0-de

Ein politischer Paukenschlag vom neuen CDU-Chef: "Wir können unser ganzes Leben nicht nur an den Inzidenzwerten abmessen"

Es ist ein politischer Paukenschlag, auch wenn er im Mehltau der dumpf-morbiden Lockdown-Hauptstadt vorerst zu verhallen scheint. Die, für die er bestimmt war, werden ihn sehr genau vernehmen.

"Immer neue erfundene Grenzwerte"; "alles verbieten"; "Bürger behandeln wie unmündige Kinder"; "Verhinderung des Lebens"; "das Leben nicht nur an Inzidenzwerten ausrichten" - dies sind sehr grob gesagt die wichtigsten Stichworte aus Armin Laschet Rede am Montagabend beim digitalen Neujahrsempfang vor dem baden-württembergischen Landesverband des CDU-Wirtschaftsrat.

Dies ist, was hängenbleibt.

Im Zusammenhang klingt das Zitat etwas moderater: "Populär ist immer noch die Haltung, alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder. Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass das Leben wieder stattfindet. Wir können unser ganzes Leben nicht nur an den Inzidenzwerten abmessen."

Man müsse all die anderen Schäden etwa für die Gesellschaft und die Wirtschaft genauso im Blick haben wie die Inzidenzzahlen. Die jetzige Politik trage nicht auf Dauer, sagte Laschet weiter. Man müsse das Virus und seine Mutationen zwar ernst nehmen. Aber man müsse "zu einer abwägenden Position" zurückkommen. Kinder, die monatelang nicht in Schule oder Kita gehen, erlitten vielleicht Schäden fürs ganze Leben.

Die Menschen erwarten, dass wir besser abwägen zwischen Gesundheitsschutz und all den anderen gesellschaftlichen Schäden, die durch den Lockdown und die Schließungen entstehen. Ich habe das bereits im letzten Frühjahr gesagt, dass - wenn Infektionszahlen sinken - wir Grundrechtseingriffe wieder zurücknehmen müssen.

Armin Laschet

Laschet wandte sich auch deutlich gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und warnte vor negativen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft durch die von Seehofer propagierten neuen Grenzschließungen. Man drohe vergangene Fehler zu wiederholen, erlebe momentan, dass Lieferketten gefährdet würden, sagt Laschet. "Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir nicht mit 'Ersatzmaßnahmen' die gesamten Lieferkettenprozesse im Binnenmarkt zerstören." Eine Grenzschließung verursache riesige Schäden.

Diese Ausführungen sind, wenn man es in Ruhe durchdenkt, eine Kampfansage; sie formulieren einen kompletten Paradigmenwechsel der Corona-Politik des NRW-Ministerpräsidenten.

Laschet spricht aus, was immer mehr Menschen in Deutschland schon lange denken, was sich manche aber selbst im Freundes- und Bekanntenkreis nicht auszusprechen trauen: Über 100 Tage Lockdown sind genug! Es muss einfach eine Pause geben, ein Aufatmen. Auch wenn das dann mit Risiken für Leib und Leben einiger weniger verbunden ist. Gewisse Risiken gehören zum Leben.

Man kann das nun populistisch finden. Man kann sich darüber wie die linksliberale taz luftschnappend empören. Man kann wie andere Medien der liberal-konservativen Mitte sich darüber echauffieren, dass hier einer aus der Reihe tanzt.

Man kann Laschet bestimmt auch nachweisen, dass er einen Großteil dieser Politik bisher kritiklos mitgetragen hat. Und man kann ihm Opportunismus unterstellen, Populismus im Hinblick auf seine Ambitionen als Kanzlerkandidat der Union. Das ist alles aber nicht wirklich interessant. Denn selbstverständlich haben Politiker Ambitionen. Selbstverständlich geht es ihnen auch um Macht.

Selbstverständlich möchte Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union werden. Genauso wie dies Friedrich Merz gewollt hat, genauso wie dies Markus Söder immer noch will, genauso wie dies einige andere gerne wollen würden. Ist das interessant? Nein! Interessant ist, dass hier einer sich selbst korrigiert. Besser spät als nie.

Endlich spricht das jemand aus. Die Corona-Politik der Bundesregierung ist gescheitert. Sie ist mit Karacho gegen die Wand gefahren. Man simuliert Handeln und hält sich mit Nebensächlichkeiten auf, anstatt das Versagen einzugestehen und zu korrigieren. Das Versagen bei der Frage der Selbsttests, des Impfstoffs, der Absicherung der Alters- und Pflegeheime, der Ermöglichung des Unterrichts an den Schulen und der Betreuung in den Kitas.

Laschet spricht es aus: Die scheinbar objektiven Inzidenzwerte sind politische Zahlen, nicht sachlich gerechtfertigte. Das wird daran deutlich, dass diese Werte von jenen Virologen, von denen Angela Merkel sich beraten lässt, und den Politikern, die ihnen folgen, im Zweiwochentakt "nachgeschärft" und in ihrer Bedeutung verändert werden:

Manche sagen, eigentlich brauchen wir 'Zero Covid', oder 'Null Covid', manche sagen 10, manche sagen 25; es wird immer wieder etwas Neues ins Gespräch gebracht. Ich bin schlicht und einfach dafür, dass das was wir sagen, jetzt auch mal eingehalten wird.

Armin Laschet

Armin Laschet sagt, was viele denken. Er beschreibt mit deutlichen Worten wie die allermeisten Politiker der Regierungsparteien seit Monaten mit den Bürgern kommunizieren:

Ich glaube, dass wir auch in der Sprache uns bemühen sollten, die Bürger ernst zu nehmen, über die Gefährlichkeit reden, aber nicht so von oben nach unten herab. Das stört mich zuweilen.