Lebenslang hinter Gitter – muss das sein?

JVA Berlin-Moabit. Bild: G.Elser, CC BY 3.0

Freiheitsentzug bis zum Ende des Lebens, das war einst der Ersatz für die Todesstrafe – dies sei der Mehrheitswille. Doch nicht nur das ist fraglich.

Die lebenslange Freiheitsstrafe ist kriminalpolitisch ein Dauerbrenner. Diskutiert werden Strafzwecke und Symbolik sowie die Rolle von Rache, Wut, Abschreckung und Sicherheit. Was dabei nie vergessen werden sollte, ist die Tatsache, dass die lebenslange Freiheitsstrafe Menschen betrifft. Ihre Schuld ist maßgeblich. Und das Bild, das der Gesetzgeber von ihnen zeichnet.

Zugegeben, das klingt recht abstrakt. Hier deshalb folgendes Szenario: Ein 22-Jähriger wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die anschließend in einem Gefängnis vollstreckt wird. Dort stirbt der Verurteilte schließlich im Alter von 92 Jahren.

Dieser Mensch hat fast sein gesamtes Leben, knapp 70 Jahre, durchgängig hinter Gittern verbracht. Und warum? Weil der Gesetzgeber es so fordert. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist ein Ersatz für die abgeschaffte Todesstrafe. § 211 Absatz 1 Strafgesetzbuch sieht für Mord sogar – zwingend – die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe vor.

Viele Bürgerinnen und Bürger finden das gut – zumindest argumentiert die Politik gern so. Sie stützt sich auf den vermeintlichen Volkswillen und darauf, dass man das mit der lebenslangen Freiheitsstrafe schon immer so gemacht habe. Abschreckung und Sicherheit sind die Leitmotive der Politik.

Teilweise wird jedoch eine Reform der Tötungsdelikte gefordert und damit verbunden die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe.

In unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft genießt der Schutz des menschlichen Lebens höchste Priorität. So gesehen ist es richtig, die (vorsätzliche) Tötung eines anderen Menschen strafrechtlich streng zu sanktionieren. Ob die lebenslange Freiheitsstrafe jedoch das richtige und einzige Mittel ist, erscheint zunehmend fraglich.

Es gibt keine hinreichenden Belege dafür, dass allein die lebenslange Freiheitsstrafe abschreckend wirkt und potenzielle Opfer nur durch die Existenz dieses Strafmaßes einen gewissen Schutz genießen. Beleuchtet man die gewünschte Resozialisierung von Straftätern, erweist sich die lebenslange Freiheitsstrafe zudem als inhuman.

Sie schadet den betroffenen Menschen unnötig. Das geht so weit, dass sich manche wünschen, lieber zu sterben – und in ihrer Verzweiflung Suizid begehen. Andere werden nach 20 oder 30 Jahren im Gefängnis zu wandelnden Leichen, die sich außerhalb des Vollzugs nicht mehr zurechtfinden. Wieder andere harren einfach aus bis zum Tode.

Allerdings hat die lebenslange Freiheitsstrafe durch die Rechtsprechung, vor allem aber durch die Einführung von § 57a Strafgesetzbuch bereits eine Aufweichung erfahren. § 57a Strafgesetzbuch regelt die Möglichkeit der Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe. Es geht um die – berühmt-berüchtigten – 15 Jahre Mindestverbüßungszeit.

In Anbetracht dieser Umstände verdienen Vorschläge Beachtung, die den Ersatz der lebenslangen Freiheitsstrafe durch eine zeitige Freiheitsstrafe vorsehen, also eine konkrete Dauer festlegen. In enger Anlehnung an die Mindestverbüßungsdauer wirkt eine Höchststrafe von 15 Jahren angemessen.

Der Politik sind diese und andere Vorschläge bereits hinlänglich bekannt. Dennoch zögert sie. Zu groß scheint die Angst vor den empörten Massen, um mit tradierten Regelungen zu brechen. Mitunter wirkt es so, als wehre sich der Staat beharrlich, Sanktionsmacht abzugeben, und als klammere er sich an ein Stück totaler Kontrolle. Das ist beängstigend.

Es bleibt abzuwarten, ob Politikerinnen und Politiker den Mut finden, die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe herbeizuführen. Klar ist aber: Lebenslange Freiheitsstrafe – das muss nicht sein.

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