Leere Worte: Baerbock fordert bei G20-Treffen Frieden, während Deutschland aufrüstet

Baerbock beim Nato-Treffen, 29. Juni 2022. Bild: Vlada Republike Slovenije / CC BY 2.0 Deed

Außenministerin mahnt Prinzipien und Menschenrechte ein. Doch deutsche Realpolitik geht einen anderen Weg: Sicherheit durch Destabilisierung. Kommentar.

Die führenden Wirtschaftsmächte, die G20, hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Außenministertreffen aufgefordert, mehr für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt zu tun. Die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten müssten gelöst werden.

Sie fügte hinzu, dass der russische Angriffskrieg uns alle auffordere,

… die Grundprinzipien, die uns alle schützen, entschlossen zu verteidigen: die Charta der Vereinten Nationen, das Völkerrecht und die Menschenrechte. Diese Prinzipien schützen alle Nationen, egal wie groß oder klein.

Militärische Lösung für Ukraine

Es sind große Worte, die von den deutschen Medien kommentarlos weitergereicht werden ans Publikum. Doch wir sollten einen Moment innehalten und uns fragen: Was tut Deutschland, die aktuelle Bundesregierung, dafür, diese Prinzipien zu wahren und Frieden real herzustellen.

Nehmen wir den Ukraine-Krieg. Im Grunde lässt sich die deutsche Position wie die der westlichen Unterstützerstaaten, vor allem die USA, so auf den Punkt bringen: Waffenlieferungen, aber keine Verhandlungen. Es gibt nur eine militärische Lösung, koste es, was es wolle.

Nur wenn Russland vollkommen besiegt wird (militärisch und ökonomisch, am Anfang nannte Baerbock das "Russland ruinieren"), kann der Konflikt gelöst werden. Zugleich wird der Ukraine weiter ein Nato-Beitritt nach dem Krieg versprochen – was, wie alle wissen, eine rote Linie Moskaus ist, die den Konflikt provoziert hat, und was kein russischer Präsident jemals, in Hinsicht auf vitale russische Sicherheitsinteressen, akzeptieren wird.

Gefahren und Auswirkungen

Es ist ein sicheres Rezept für endlosen Krieg, mit allen Gefahren und Auswirkungen, die das in sich birgt.

- fortgesetztes Leiden und Sterben von Soldaten und Zivilisten,

- Zerstörung des Lands und weiterer wirtschaftlicher Ruin der Ukraine,

- weitere Flucht von Menschen

- Störungen der globalen Ökonomie und Lebensmittelversorgung, die vor allen die ärmsten Länder betrifft,

- Erhöhung der Gefahr eines Atomkriegs bzw. einer Ausweitung der Kriegshandlungen,

- Blockierung von internationaler Kooperation durch Blockbildung (China, Russland etc.), die überlebenswichtig in Hinsicht auf globale Krisen ist, und

- Beförderung der Erderhitzung (Militär und Krieg als eine große Quelle von Treibhausgasen).

Ja, Russland hat einen illegalen Aggressionsakt zu verantworten. Doch Frieden wird man in der Ukraine nicht auf dem Schlachtfeld erringen können.

Diplomatie-Blockade geht weiter

Ohne Diplomatie wird es nicht gehen, was Zugeständnisse an Russland bedeutet (das ist ungerecht, keine Frage). Denn die Ukraine kann und wird auf absehbare Zeit keinen Sieg erringen – und selbst wenn es irgendwann geschehen sollte, wird Russland das nicht auf sich sitzen lassen. Der Konflikt wird weitergehen.

Vor diesem Hintergrund ist die Blockade, die Tabuisierung von Verhandlungen, ein fataler Anti-Friedensakt, gerechtfertigt mit einem absurden, von realen Konfliktdynamiken abgelösten moralischen Absolutismus, den der Westen selbst natürlich ständig mit Füßen tritt (siehe Nato- und US-Angriffskriege).

Zudem wird die russische Aggression benutzt, tatsächlich missbraucht, um aufzurüsten, Pläne, die lange bei westlichen Rüstungslobbyisten in den Schubladen lagen, aber jetzt umgesetzt werden können.

In Zahlen: Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, einfach mal an der heiligen deutschen Schuldenbremse vorbei beschlossen. Und dann letztes Jahr ein historischer Rekordwert an Militärausgaben, über 73 Milliarden für die "Kriegstüchtigkeit" Deutschlands.

Rekord-Rüstungsausgaben

Erstmals seit über 30 Jahren erzielt man damit die Nato-Vorgabe von zwei Prozent vom BIP. So sieht die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gepriesene Friedensdividende heute aus, wie sie in den 1990er-Jahren in aller Munde war (aber wer erinnert sich noch daran?).

Das Geld fließt in noch mehr Kampfpanzer, Kriegsschiffe und moderne Kampfjets, in jede Menge Gewehre, Raketensysteme und Munition. Rheinmetall lässt die Korken knallen.

Währenddessen plant die Ampelregierung eine Kürzung des Entwicklungs-Etats, über alle Ressorts hinweg. Hilfsorganisationen warnen davor, dass ein solcher Rückgang, der von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorangetrieben wird, fatal wäre.

Im letzten Jahre hat man für Entwicklungshilfe rund 0,8 Prozent des BIP ausgegeben, sicherlich höher als früher – aber weniger als die Hälfte wie für Panzer und Raketen. Zudem sind die Daten für Entwicklungsgelder irreführend und verzerrt.