Lettland: Furcht vor jeder Form prorussischer Berichterstattung
Keine Lizenz für Kreml-kritischen Sender TV-Rain. Grund: Bedrohung der Nationalen Sicherheit. Null-Toleranz-Politik der lettischen Regierung gegen alles Russische?
Lettland fürchtet jegliche Form von prorussischer Äußerung im Land. Dies bekam auch der Kreml-kritische russische TV-Sender Dozhd zu spüren. Der lettische Rundfunkrat NEPL entschied am Dienstag, ihm die Lizenz zu entziehen.
Als Grund wurde vorgebracht, dass in dem Sender Streitkräfte der Russischen Föderation als "unsere Armee" bezeichnet wurde. Außerdem wurde erklärt, dass der Sender die dortigen Soldaten mit Ausrüstungen versorge, und es wurde eine Landkarte gezeigt, bei der die Krim als Teil Russlands dargestellt wurde.
Dies stelle eine "Bedrohung der Nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung", lautet die offizielle Begründung für den Entzug der Lizenz. Es gab auch Beschwerden von ukrainischer Seite.
Der Sender hatte sich zwar von dem verantwortlichen Moderator, Alexei Korostelev, getrennt, der diese Wendung gebraucht hatte und eine Geldstrafe gezahlt, doch dies nutzte nichts. Am kommenden Donnerstag muss der Sender, der übersetzt "Regen" heißt, seine Tätigkeit beenden.
Die Geschäftsführerin des Senders, Anna Mongait, kündigte an, auf YouTube weitermachen zu wollen wie in der Anfangsphase. Sie nannte die Entscheidung der Behörde unfair. Allerdings wollen die Behörden auch einen Auftritt bei YouTube verhindern, so die ebenfalls in Riga ansässige russische Internetzeitung Meduza.
Kritischer Sender und antirussischer Kurs der lettischen Regierung
Das 2010 von der Medienunternehmerin Natalja Sindejewa gegründete Dozhd galt als einer der wenigen Medien in Russland, die von der Staatsraison abwichen. Im Jahre 2011 gewann der Sender, der viel über Lifestyle sendete, an Popularität, da er über die Proteste nach der Duma-Wahl 2011 ausführlich berichtete. TV-Rain, wie der Sender international genannt wird, ist auf politische Reportagen und Dokumentationen spezialisiert.
Nach der Invasion musste die Belegschaft aus Russland fliehen. Man konnte im Juli von Lettland aus weitersenden. Seit Anfang März kann in der Russischen Föderation die Verbreitung von unliebsamen Informationen über den Krieg in der Ukraine 15 Jahre Gefängnis zur Folge haben.
Doch Lettland, wo sich gerade ein konservatives Kabinett unter Krisjanis Karins bildet, scheint eine Null-Toleranz-Politik gegen alles Russische zu fahren.
Russische Staatssender wurden bereits abgeschaltet und sowjetische Denkmäler fortwährend geschleift. Ein Gesetz sieht vor, Russisch innerhalb von drei Jahren schrittweise aus Schulen und Kindergärten zurückzudrängen.
Von den knapp zwei Millionen Einwohnern sind 24 bis 30 Prozent russischsprachig. Vor allem nach der russischen Invasion in der Ukraine sieht die politische Führung in Riga mit Misstrauen auf sie.
Bezeichnenderweise nannte der lettische Rundfunkrat als ersten Grund für den Lizenzentzug, dass der Sender versäumt habe, Informationen auch auf Lettisch bereitzustellen.
Der lettische Inlandsgeheimdienst VDD hatte bereits im Vorfeld Untersuchung gegen den Sender unternommen. Die Behörde spricht sich auch gegen die Arbeit von oppositionellen russischen Journalisten in Lettland aus, da diese von russischen Diensten angeworben sein können. Nach Schätzungen sind 200 russische Medienvertreter nach Lettland geflohen.
Sender gesteht Fehler ein
Für viele Russen bietet sich das Baltikum an, attraktiv durch die größere Rechtssicherheit der EU sowie die russischsprachige Minderheit. Auch die Kreml-kritische Internetzeitung Nowaja Gaseta ist nach Riga umgezogen und nennt sich nun Nowaja Gaseta Europe und berichtet auch in englischer Sprache.
Gleichzeitig sind für diese Medien die strengen Visabestimmungen der baltischen Länder, die keine Touristenvisa mehr ausstellen, sowie die unsichere Finanzierung ein existentielles Problem.
Auch Dozhd-Besitzerin Natalja Sindejewa weiß nach eigenen Angaben nicht, wie es genau weitergeht. Sie gestand Fehler ein und dass sie die lettischen Vorgaben nicht ernst genug genommen habe.
Chefredakteur Tichon Dzjadko vergleicht den Lizenzentzug mit der Zensur in Russland und kündigt eine Fortsetzung der Tätigkeit auf YouTube an, wo in Russland 13 Millionen Menschen zuschauen. Der Sender hat dort 3.71 Millionen Abonnenten.
Dzjadko beklagt, dass Vertreter des Senders von der Rundfunk-Behörde nicht gehört wurden. Er kündigt rechtliche Schritte an, auch um den Ruf von TV-Rain zu bewahren. Er schreibt: "Der TV-Sender Dozhd hat sich immer gegen die rechtswidrige Annexion der Krim, gegen den Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine ausgesprochen und wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Wahrheit darüber an die Öffentlichkeit gebracht wird."
Gegen den Lizenzentzug protestieren russische Exilmedien, der lettische Journalistenverband wie auch Reporter ohne Grenzen.
Auf der anderen Seite gibt es auch lettische Medien, die diese Entscheidung begrüßen und dem Sender misstrauen.
Der lettische Premierminister Krisjanis Karinsas betonte, dass sein Lettland, Kreml-kritische russische Journalisten unterstütze, diese müssten sich jedoch an die Gesetze halten.