"Letzte Generation": Freisprüche in Leipzig und Haftstrafen in Kempten

Die "Letzte Generation" will ein Grundsatzurteil. Bild: Letzte Generation

Rechtsprechung zu Straßenblockaden unterscheidet sich stark. Die Leipziger Richterin sah das Kriterium der Verwerflichkeit nicht erfüllt. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht aus.

Die Rechtsprechung zu den Aktionen der Klima-Initiative "Letzte Generation" wirkt bundesweit alles andere als einheitlich: Während am Dienstag in Leipzig fünf Beteiligte von Sitzblockaden freigesprochen wurden, wurden in Kempten zweimonatige Haftstrafen ohne Bewährung verhängt.

In Leipzig hieß es zur Begründung, der Tatbestand der Nötigung sei durch die Blockadeaktion im Vorjahr zwar grundsätzlich erfüllt gewesen, die Aktion und deren Zweck aber nicht verwerflich. Daher sei im Sinne der Versammlungsfreiheit entschieden worden, erklärte die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht, Laura Jankowski, laut einem Bericht des MDR.

Die fünf Personen hatten Mitte Juni 2022 den morgendlichen Berufsverkehr auf einer Hauptverkehrsstraße blockiert und für mehrere Minuten beeinträchtigt, um ihre Forderung nach effektiven Klimaschutzmaßnahmen zu unterstreichen. Während sich zwei Personen auf der Fahrbahn festgeklebt hatten, hatte die Polizei dies bei den anderen verhindern können.

Rechtskräftig sind die Freisprüche noch nicht. Das Landgericht im bayerischen Kempten kam unterdessen auch zu einer völlig anderen Bewertung einer vergleichbaren Aktion. Gegen vier Angeklagte im Alter von 25 bis 68 Jahren wurden Haftstrafen von jeweils zwei Monaten ohne Bewährung verhängt. Zwei weitere Beteiligte erhielten Geldstrafen.

Verurteilter sieht sich "auf der richtigen Seite der Geschichte"

Der Älteste der Verurteilten, Karl Braig, erklärte im Anschluss, es stimme ihn nicht froh, ins Gefängnis zu müssen – aber zwei Monate Haft seien "gar nichts im Vergleich zu dem, was meine Kinder werden durchmachen müssen, wenn wir weiter auf diesem Kurs in Richtung Klimahölle rasen". Manchmal müsse man sich einfach entscheiden, "auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen", so der 68-Jährige.

Ähnlich sieht es Maja Winkelmann (25), die bereits im April zu einer noch nicht rechtskräftigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden war: "Aufhören ist keine Option. Wenn kein Protest aus der Gesellschaft kommt, wird die Regierung ihren Kurs auch nicht ändern."

In Leipzig nahmen am Dienstag drei der zuvor Freigesprochenen nach dem Urteil erneut an einer Straßenblockade teil und klebten sich mit den Händen auf der Fahrbahn fest, wie mehrere Medien berichteten.

Die "Letzte Generation" strebt eine höchstrichterliche Klarstellung an: Sie beruft sich bei Aktionen des zivilen Ungehorsams auf den grundgesetzlich garantierten Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, das Widerstandsrecht und das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im Frühjahr 2021 die Klimapolitik der damaligen Bundesregierung als unzureichend beanstandet hatte. Der Koalitionsausschuss der Ampel-Regierung hat das Klimaschutzgesetz aber seither wieder aufgeweicht und Sektorziele gestrichen.

Was bei der rechtlichen Bewertung der Protestaktionen zu beachten und abzuwägen ist, hat Pauline Engels am Dienstag in einem Telepolis-Beitrag ausgeführt..