Libyen und der große Fehler des Westens
Heute laden Bundesregierung und Vereinte Nationen zu einer Libyen-Konferenz in Berlin ein. Die Schwierigkeiten in dem Land sind Folge einer Regime-Change-Politik
Außenminister Heiko Maas (SPD) und Vertreter der Vereinten Nationen werden am heutigen Mittwoch in der Bundeshauptstadt die Teilnehmer des sogenannten Berliner Prozesses zur Beilegung des Konfliktes in Libyen an den Verhandlungstisch bringen. Thema ist das seit fast zehn Jahren von Kriegen zerrüttete Libyen. Es ist die zweite Konferenz in Berlin, ein erstes Treffen fand Anfang 2020 statt.
Eingeladen wurden Vertreter von Staaten, die in Libyen militärisch eingegriffen oder sich anderweitig eingemischt haben: Russland, die Türkei, Frankreich, Ägypten, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch die EU und die USA, für die Außenminister Antony Blinken teilnehmen wird.
Positiv ist, dass es über den Dialog in den vergangenen Monaten gelungen ist, einen Waffenstillstand in Libyen durchzusetzen. Zudem konnte eine Einheitsregierung gebildet werden, die Wahlen für den 24. Dezember dieses Jahres vorbereiten soll. Ob die Abstimmung wirklich stattfinden wird, ist derzeit aber unklar. Auch soll es auf der Konferenz um den Abzug ausländischer Kämpfer gehen. Der Rückzug hätte eigentlich schon beginnen sollen.
Die politische Gemengelage in dem erdölreichen nordafrikanischen Land ist seit Jahren verworren. Bei der Lektüre von Vorberichten über die Libyen-Konferenz konnte man den Eindruck gewinnen, der politische Prozess unter Federführung Deutschlands verlaufe problemlos. Und grundsätzlich ist es auch gut und richtig, dass verhandelt und nicht geschossen wird.
Zu wenig thematisiert aber wird die Genese des Konfliktes in Libyen. So war zu Beginn der Woche wenig spezifisch in Agenturberichten zu lesen, es sei "nach dem Sturz von Machthaber Muammer Al-Gaddafi" zum Bürgerkrieg gekommen.
Die Folgen der "Flugverbotszone" nach 2011
Automatisch aber ist das nicht geschehen. Zur Erinnerung: Es gab im Jahr 2011 Proteste gegen Gaddafi, der hart gegen die Gegner seiner Führung vorging. Damals folgte eine UN-Resolution, mit der eine Flugverbotszone eingerichtet wurde. Die Resolution war so formuliert, dass unter Führung der USA, Frankreichs und Großbritanniens Bombenangriffe gegen Libyen und seine Armee geflogen werden konnten. Diese Angriffe wurden überdies mit Rebellengruppen abgestimmt.
Völkerrechtler kritisierten die Bombardements als nicht legitim. Auch wurden Rebellentruppen zumindest von Nachbarländern wie Ägypten mit Wissen der USA mit Waffen beliefert.
Es gab also einen Regime-Change anstelle des nun verfolgten Ansatzes einer politischen Lösung. Nachdem Gaddafi gestützt und hingerichtet worden war, entstand ein Machtvakuum, Kämpfe zwischen Rebellentruppen brachen aus. Auch islamistische Kämpfer – teilweise aus dem Ausland – kämpften in Libyen und kontrollierten zeitweise Gebiete des Landes.
Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nannte in diesem Zusammenhang den Militäreinsatz gegen Gaddafi einen "große(n) Fehler" und konstatierte, dass man in Libyen nach Jahren immer noch vor einem "kompletten Desaster" stehe.
Der Status quo ist schwer zu überwinden, Libyen ist gespalten. Im Osten des Landes herrschte General Chalifa Haftar, im Westen die eher schwache Regierung des von außen eingesetzten Präsidenten Fayiz as-Sarradsch. Beide Lager wurden von andern Ländern militärisch unterstützt.
Mit dem Berliner Prozess könnte es gelingen, dass zumindest der Frieden dauerhaft in das Land zurückkehrt. Nicht zuletzt steht hinter all dem auch das Interesse der in die Verhandlungen einbezogenen Länder daran, dass das als qualitativ hochwertig angesehen libysche Erdöl in Ruhe gefördert und exportiert werden kann.
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