Luxus-Gas ohne Zukunft: Solar bis zu zehnmal billiger

Seite 2: LNG-Terminals als Investitionsgräber

Die Energie-Analyse bietet den politisch Verantwortlichen ein alternatives Szenario zur weiteren Nutzung von Gas an. So könnte die Stromkapazität aus Erneuerbaren Energien bis 2025 um mehr als 100 Gigawatt (1 GW = 1000 MW) vergrößert werden, wenn Gelder, die für die Stützung der Gasstromerzeugung nötig sind, umgelenkt würden.

2028 würde damit eine Kapazität von 333 GW Ökostrom erzielt, wodurch 663 Terrawattstunden an Stromleistung generiert werden könnten. Was bedeutet, dass Wind- und Solarkraft die vorhergesagte Gasverstromung bereits zu diesem Zeitpunkt komplett ersetzen könnten – allein dadurch, dass die Gelder fürs Gas Richtung Erneuerbare gelenkt werden. Die Energiewende weg vom Gas angefeuerten Luxus-Strom finanziert sich also von selbst. Der Rystad-Bericht stellt fest:

Angesichts der hohen Kosten, die Gas verursacht, und der sehr unsicheren Versorgungslage ist es sinnvoll, dass die Energieversorgungsunternehmen ihre Strategien überdenken und die Entwicklung von erneuerbaren Energien und Speicherkapazitäten beschleunigen. … Bei den erneuerbaren Energien ist es an der Zeit, nach Wegen zu suchen, um Engpässe in der Lieferkette zu vermeiden und die Unterstützung von Finanzinstituten zu sichern.

Das würde sich lohnen, wenn man denn Interesse daran hat, Geld zu sparen und klug zu wirtschaften. So haben Schätzungen zufolge bereits die bestehenden Wind- und Solaranlagen, die gegenüber 2021 um 13 Prozent zugenommen haben, Europa in diesem Frühjahr und Sommer 11,46 Milliarden Dollar gegenüber fossilem Gas eingespart.

Es wird auch zunehmend schwerer werden, von Banken Kredite für neue Kohle-Kraftwerke und Gasfelder zu bekommen. Denn Finanzinstitute wollen Sicherheiten – was in der Vergangenheit die Anlagen selbst waren. Aber die werden in mittlerer und längerer Perspektive zu "stranded assets" (entwertete Vermögensanlagen) mutieren, während Solarparks noch in 30 Jahren sicher Strom produzieren.

Unternehmen, die in Gaskraftwerke viel Geld gesteckt haben oder stecken wollen, werden aber weiter versuchen, diese zu betreiben, solange Staat und Verbraucher bereit sind, für die teure Energie zu zahlen. Was den Staat angeht, ist der Wille zur Wende bisher wenig ausgeprägt.

EU und auch Deutschland setzen wie zuvor, trotz russischer Energiekrise, auf Gas, insbesondere nun auf verflüssigtes Erdgas (LNG), Frackinggas-Importe aus den USA oder Lieferungen aus Algerien, Golfstaaten oder afrikanischen Ländern wie dem Senegal. Es finden sogar staatliche Investitionen in neue Gas-Infrastrukturen statt, die eine lange Nutzungsdauer voraussetzen, um sich überhaupt zu rechnen.

Umso dramatischer, dass die Kosten für die neuen schwimmenden LNG-Terminals, die die Bundesregierung im Hauruck-Verfahren bauen lässt, sich in wenigen Monaten verdoppelt haben. Statt knapp drei Milliarden Euro werden jetzt rund 6,6 Milliarden dafür angesetzt.

Die Frage ist: Wie lange noch? Wie lange sind die Bürger:innen, die Gesellschaft insgesamt bereit, für eine Branche draufzuzahlen, die am Subventionstropf hängt und verantwortlich ist, die Erdtemperatur immer weiter zu erhöhen, mit allen auch ökonomischen Folgen, die das nach sich zieht?

Ob der Unmut der Steuerzahler:innen mit Gaspreisdeckeln auf Dauer kalmiert werden kann, die die Bürger:innen letztlich selbst bezahlen bzw. ihre Kinder als ererbte Schulden, ist nicht ausgemacht. Auch nicht, wann die Erzählung von der "Brückentechnologie" Gas sowie von der teuren und nicht machbaren Energiewende still und heimlich in die Annalen eingehen wird. Vielleicht sollten die Bedenkenträger:innen mal den Gas-"Profis" von Rystad Energy zuhören. It is the economy, stupid!

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