Kommt nun ein Gas-Deal mit Kanada?

Scholz und Habeck reisen mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation nach Kanada. Es geht vor dem Hintergrund der Energiekrise um Erdgas- und Wasserstoffexporte. Warum Kanada die russische Lücke nicht schließen kann – und auch nicht sollte.

Wenn heute die deutsche Delegation unter Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) mit dem kanadischen Premierminister in Montreal und Toronto zusammen trifft, dann geht es erneut um das Dauerbrennerthema Energie.

Nach dem Gasgeschäften mit Senegal und Katar – bei denen die Verpflichtung vom Glasgower Klimagipfel einkassiert wurde, in keine fossilen Projekte im Ausland mehr zu investieren – will Deutschland mit Kanada, dem weltweit größten Gasproduzenten, über mögliche Flüssiggas- und Wasserstoff-Exporte verhandeln.

Vor allem der Rückgriff auf kanadisches Flüssiggas wäre problematisch. Erstens gilt wie bei den anderen Energie-Deals im Zuge des Ukraine-Kriegs, dass Gas keineswegs eine saubere Energieform ist, sondern letztlich genauso schädlich wie Kohle ist, vor allem das schmutzige kanadische Frackinggas.

Um Deutschland, wie auch Kanada, schnell zu dekarbonisieren, bräuchte es nicht einen weiteren Gas-Deal, sondern einen beschleunigten Umstieg auf Erneuerbare Energien.

Die Klima-Eckdaten sind extrem herausfordernd. Die deutsche Regierung plant offiziell bis 2045 klimaneutral zu werden. Um die international vereinbarte Obergrenze von zwei Grad Celsius nicht zu überschreiten, müssten Industriestaaten wie Deutschland aber bis spätestens 2035 die Verbrennung von fossilen Rohstoffen wie Gas komplett einstellen.

Ein Gas-Abkommen mit dem nordamerikanischen Land macht daher klimapolitisch keinen Sinn, selbst dann nicht, wenn 2045 als Enddatum angesetzt wird. Denn bis dahin müsste der Gasverbrauch jedes Jahr abnehmen, um das verbleibende deutsche Emissionsbudget einzuhalten. Der Aufbau einer LNG-Infrastruktur mit Terminals in Kanada und Deutschland rentiert sich aber nur bei langfristigen, meist auf zwanzig Jahre angesetzten hohen Gasmengen.

Zudem stehen die Frackingprojekte im Osten Kanadas in Konflikt mit den Landrechten der indigenen Bevölkerungsgruppe Wolastoqiyik. In der Vergangenheit ist es deswegen immer wieder zu Konflikten gekommen.

Experten bezweifeln außerdem, dass das Flüssiggas aus Kanada überhaupt die kurzfristigen Engpässe in Deutschland lösen kann. So zeigt eine Studie des International Institute for Susstainable Development, dass LNG keine Antwort auf die gegenwärtige deutsche und europäische Energiekrise darstellt. Es würde nämlich mindestens drei Jahre dauern, bis eine Export-Infrastruktur aufgebaut werden könnte. Für die nächsten kritischen Winter steht kanadisches Gas also gar nicht für Europa zur Verfügung.