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Make Britain Great Again

The Long Good Friday

Die Themse, der Brexit und ein Gangsterfilm

Brexiteers gehen nicht ins Kino. Das ist dumm von ihnen. Hätten sie The Long Good Friday gesehen, den besten Film zum EU-Beitritt des Vereinigten Königreichs, wäre ihnen viel früher aufgefallen, dass sie den Ausgang aus der Europäischen Union nur finden werden, wenn sie das aus alten Kolonialzeiten geerbte Nordirland-Problem lösen können. Träume von vergangener Größe, sagt der Film, sind dabei nicht hilfreich.

Mehrere Gangster und eine Milchdiebin

Die besten britischen Gangsterfilme entstanden in den 1970ern. Eingeläutet wurde das von der Ölkrise, landesweiten Streiks und der Aufnahme Großbritanniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (die Vorläuferorganisation der EU) geprägte Jahrzehnt von Mike Hodges’ Get Carter, in dem ein Auftragskiller aus London zurück in seine nordenglische Heimat fährt, um den Tod seines Bruders zu rächen. Am Ende der Dekade drehte John Mackenzie mit The Long Good Friday eine Rachetragödie, in der sich schon der Thatcherismus der 1980er ankündigt.

Als Michael Caine alias Jack Carter in einer Bar in Newcastle ein Bier in einem dünnwandigen Glas bestellte war die von den heutigen Brexiteers als Heldin verehrte Margaret Thatcher gerade dabei, sich den Ruf einer Milchdiebin zu erwerben, weil sie in ihrer Funktion als Bildungsministerin einer konservativen Regierung die Gratismilch an Schulen abschaffte. Ihre Gegner skandierten damals "Thatcher, Thatcher, milk snatcher", und sie selbst erklärte die Aktion später zum Fehler, weil sie dem Staat, der sich so weit wie möglich aus dem Leben seiner Bürger zurückziehen sollte, nicht genug Geld eingespart hatte (verglichen mit dem damit eingehandelten Ärger).

Mehrere Gangster und eine Milchdiebin (0 Bilder) [1]

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Im Sommer 1979, als Bob Hoskins als Gangster-Thatcherist Harold Shand auf der Themse herumfuhr und patriotische Reden hielt, war die "eiserne Lady" soeben Premierministerin geworden und schickte sich an, eine neoliberale Politik durchzusetzen, die dafür sorgen würde, dass das London von The Long Good Friday genauso umgepflügt und seiner Identität beraubt wurde wie die nordenglischen Industriereviere, deren Tristesse Jack Carter entkommen will, indem er für Leute wie Harold Shand die Drecksarbeit erledigt.

Beiden Filmen ist gemeinsam, dass sie die Handlung aus Schauplätzen heraus entwickeln, die es bald nicht mehr geben würde, weil ihnen der Thatcherismus den Garaus machte. Da die EU-Bürokratie in Brüssel schon immer ein beliebter Sündenbock für hausgemachte Probleme der Mitgliedsstaaten war sagten viele Leidtragende der unter Margaret Thatcher eingeleiteten Umwälzungen 2016 Nein zu Europa, obwohl sie eigentlich der eigenen Regierung und ihrer Sparpolitik einen Denkzettel verpassen wollten. Darum ist The Long Good Friday bis heute so aktuell geblieben, auch wenn es da um die EU-Mitgliedschaft geht und nicht um den Brexit.

Wahrscheinlich kann man das ewige Brexit-Drama nur verstehen (oder zumindest einen nicht von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen), wenn man eine Ahnung von englischer Geschichte hat und von ein paar Ereignissen, die sich in die kollektive Erinnerung der Engländer eingebrannt haben. Wir werden darum nicht nur ein Stück weit auf der Themse flussabwärts schippern, sondern auch zu einer kleinen Reise durch die Vergangenheit aufbrechen und unterwegs einigen illustren und weniger illustren Persönlichkeiten begegnen.

Unter anderen werden wir Sir Francis Drake treffen, den Freibeuter der Königin; mehrere Premierminister; Postboten aus der Karibik; den Politiker Enoch Powell, der eine berüchtigte Rede hielt; einen Celebrity-Gangster, der ein Freund von Bob Hoskins und Hauptdarsteller in einem Sensationsprozess war; einen Vertrauten von Margaret Thatcher und Nordirland-Minister in spe, der von der IRA in die Luft gesprengt wurde. Elisabeth I. wird ihren Brustpanzer anlegen und Eric Idle von den Monty Python’s als Retter in der Not auftreten. The Long Good Friday werden wir dabei nie aus den Augen verlieren. Dieser Gangsterfilm ist die ideale Andockstation, weil sich so viel historisches Treibgut in ihm findet.

Ein Film zum Selberdenken

The Long Good Friday beginnt mit einer Abfolge von Szenen, die einen zum Mitdenken animieren sollen. Beim schottischen Regisseur John Mackenzie muss man immer damit rechnen, dass einem eine gedankliche Eigenleistung abverlangt wird. Filme, die unterstellen, dass das Publikum grundsätzlich eher dumm ist und mit einer Aneinanderreihung leicht konsumierbarer Häppchen abgespeist werden sollte, waren seine Sache nicht. Bevor er sich der Londoner Unterwelt widmete hatte er für die BBC Alan Garners Fantasy-Roman Red Shift adaptiert, wo drei Geschichten und drei Zeitebenen miteinander kombiniert werden.

Zu den Vorspanntiteln sehen wir ein abgelegenes Bauernhaus. Zwei Männer sitzen an einem Tisch und warten. Schnitt. Ein Mann mit einem Koffer verlässt eine Fähre. Später werden wir erfahren, dass das Colin ist, Mitglied der Bande von Harold Shand. In einem der vielen exzellenten Dialoge des Films wird Harold sagen, dass Colin keiner Fliege etwas zuleide tun konnte - nicht, wenn es nicht nötig war. Colin ist ein Villain wie Jack Carter oder Chas in Performance (dem dritten der großen britischen Gangsterfilme der 1970er), also ein Mann, der mit Gewalt droht und sie auch anwendet, um die wirtschaftlichen Interessen der Bande durchzusetzen.

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Phil Benson, Colins Chauffeur, hat schon sein Minicab von der Fähre geholt. Colin steigt ein, öffnet den mit Pfundnoten gefüllten Koffer. Er steckt zwei Geldbündel ein und lässt sich zu einem Treffpunkt fahren, wo er den Koffer übergibt. Nach getaner Arbeit geht Colin mit Phil in eine von Schwulen frequentierte Kneipe und hält unter den jüngeren Gästen Ausschau nach einem Partner für die Nacht. Damit ist das Milieu etabliert, das man mit Londoner Gangstern assoziiert, seit die Kray-Zwillinge, Ronnie und Reggie, im East End das Regiment führten und Britanniens Filmemacher zu einigen herausragenden Leistungen inspirierten.

Ein Mann bringt den Koffer zum erwähnten Bauernhaus, wo er mit zwei anderen das Geld zählt. Die Drei haben gerade festgestellt, dass etwas fehlt, als sie von Männern mit automatischen Waffen überfallen werden. In der Kneipe sind Benson, Colin und sein One-Night-Stand bereit zum Aufbruch. Colin kauft noch Zigaretten, Benson und der schwule Jüngling gehen vor. Auf dem Parkplatz werden sie von mehreren Bewaffneten überrascht, in Bensons Minicab gedrängt und entführt. Wer genau hinschaut kann den Namen der Kneipe erkennen: Fagan’s. In Irland findet man ihn oft.

Als Colin auf den Parkplatz kommt ist niemand mehr da. Das Minicab hält auf einem Feldweg an. Neben einem Stacheldrahtzaun werden zwei Leichen abgelegt: Benson und der junge Mann aus der Kneipe, der das Opfer einer Verwechslung wurde. Der nächste Filmschnitt überbrückt einen Zeitsprung von neun Tagen und einen Ortswechsel. Bisher waren wir in Belfast und Umgebung, jetzt sind wir am Londoner Bahnhof Paddington. Es ist Karfreitag (englisch: Good Friday). Aus einem Güterwaggon wird ein Sarg ausgeladen und zu einem Leichenwagen gebracht. Auf dem Bahnsteig steht eine Frau in Trauerkleidung.

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Eine Straße im Londoner West End. Razors, einer von Shands Villains, poliert die Scheibe eines Rolls Royce. Auf der anderen Straßenseite, vor dem Restaurant "Boulevard" (heute das "Ask Italian", in der Wigmore Street), sitzen Jeff und Harris beim Lunch. Jeff ist Shands rechte Hand. Harris ist Stadtrat und übergibt Jeff geheime Unterlagen aus dem Bauausschuss. Als er sich verabschiedet hat tritt die Frau in Schwarz an den Tisch und spuckt Jeff ins Gesicht. Seit dem Anfang in Belfast sind neun Minuten vergangen. Mit Ausnahme einiger weniger Sätze, die Jeff und Harris wechseln, gab es keine nennenswerten Dialoge.

Noch vor dem ersten Auftritt der Hauptfigur haben Drehbuch und Regie - in Bildern und ohne wortreiche Erklärungen - mehrere Erzählstränge etabliert, die nebeneinander herlaufen und sich gelegentlich überschneiden, bis der Film sie kunstvoll zusammenführt. Bindeglieder sind illegale Geldflüsse, Korruption im öffentlichen Sektor, Bauprojekte. Das alles spielt sich in einer von Gewalt dominierten Männerwelt ab, in der sich die Frauen behaupten müssen, so gut sie können. Verkehrsmittel sind Vehikel des Todes. Der Rolls Royce wird bald in die Luft fliegen. Benson wird in seinem Minicab ermordet. Ein Zug transportiert die Leiche.

Beim zweiten Sehen merkt man, wie genau das konstruiert ist. Colin schafft es heil zurück nach London, ist aber in dem Moment bereits so gut wie tot, in dem er in Belfast die Fähre verlässt (auch ein Verkehrsmittel). Nach der Spuckattacke (die Frau in Schwarz ist Bensons Witwe) sehen wir eine Concorde der British Airways. Harold Shand kommt von einer Amerikareise zurück. Wenn er aus dem Flugzeug steigt wird er Teil eines Rachedramas, das ihn mit der Unerbittlichkeit der elisabethanischen Tragödie in den Abgrund reißen wird. Er weiß es nur noch nicht. Die Logik der Bilder, die den Film bestimmt, lässt kein anderes Ende zu.

Die ersten neun Minuten sind das, was vom ursprünglichen Anfang übrig ist. Mackenzie hatte vor, mit einer Szene in den italienischen Alpen zu beginnen, in der das Geld erbeutet und in den Koffer gepackt werden sollte. Danach wollte er den Weg des Koffers quer durch Europa zeigen, bis nach London (mit Blick auf das Parlament in Westminster, weil Politik und organisiertes Verbrechen unter einer Decke stecken) und von da weiter, über die Irische See nach Belfast. Durch die üblichen Einwände ließ er sich überzeugen, dass es besser sei, den Weg des Geldes zu entfernen: zu lang, für das Publikum zu kompliziert und so weiter.

Schade eigentlich. Man kann sich gut vorstellen, dass uns da ein Europa präsentiert worden wäre, in dem die Geschäftemacher davon schwärmen, dass es für den Verkehr von Geld und Waren keine Grenzen gibt, während sich für Menschen die Schlagbäume nur öffnen, wenn sie Produktivität und Profite steigern und nicht als Gefahr für die Gruppenidentität wahrgenommen werden. Zum Rest des Films hätte das gut gepasst. Harold Shand ist ein Rassist, in dessen Ideal von England kein Platz für schwarze Einwanderer aus den Kolonien ist. Stadtrat Harris, sein Kontaktmann zur Politik, ist Bau- und Abrissunternehmer und braucht billige Arbeitskräfte aus Irland.

Genese eines Gangsterfilms

The Long Good Friday entstand, weil sich der Produzent Barry Hanson von Barrie Keeffe, früher Lokalreporter und inzwischen Dramatiker im Hauptberuf, ein Drehbuch für einen Fernsehfilm wünschte. Bei einem Abendessen unterhielten sie sich darüber, was sie beide gern sehen würden. Keeffe liebte die amerikanischen Gangsterfilme der 1930er mit James Cagney, Edward G. Robinson und Humphrey Bogart. Außerdem war er fasziniert von den echten Gangstern, die in South East London operierten, wo er geboren und aufgewachsen war.

Diese Faszination begann mit einer denkwürdigen Begegnung in der Toilette eines von Ronnie und Reggie Kray betriebenen Pubs in Bethnal Green. Barrie war 17 und stand an einem Urinal, als Ronnie hereinkam, sich neben ihn stellte und ihn ansprach. Ronnie fragte ihn, was er "von dem da" halte: "Ich wusste, dass er schwul war, und das Herz rutschte mir in die Hose. Was sollte ich mir anschauen? Ich dachte, dass er seinen Schwanz meinte. Ich hatte furchtbare Angst. Die Rede war aber von einer Pistole, und er sagte Sachen wie: ‚Fühlt sich gut an, was?’"

The Public Enemy, The Petrified Forest, Little Caesar

Keeffe hatte das nie vergessen, und jetzt, da er doppelt so alt war wie damals, als ihm Ronnie Kray seine Pistole zeigte, bot sich die Gelegenheit, etwas daraus zu machen. Er wollte das Drehbuch für einen Gangsterfilm mit Humphrey Bogart schreiben, allerdings mit einem Bogart, der wie er aus South East London stammte und das Englisch der Cockneys sprach. Hanson mochte die Idee, aber Keeffe fiel zunächst nichts mehr dazu ein, bis ihn eine Autofahrt durch die Docklands unterhalb der Tower Bridge auf eine Idee brachte.

Keeffe beobachtete seit einiger Zeit, wie die Bewohner der heruntergekommenen Gegend um Canary Wharf und die Isle of Dogs von reichen Yuppies verdrängt wurden, die es schick fanden, nach aufwändigen Sanierungen dort zu wohnen. Das hatte Bauträger und Spekulanten angezogen. Wie wäre es also mit einem Gangster, der auf dem dort entstehenden Immobilienmarkt mitmischen will? Und wer sollte sein Gegner sein? Naheliegend wäre ein Bandenkrieg wie der gewesen, den sich die Krays in den 1960ern mit den Richardsons geliefert hatten, ihren Rivalen aus South London. Keeffe reizte das nicht besonders.

Dann hörte er am Gründonnerstag 1977 im Radio, dass man in Belfast das ruhigste Ostern seit Beginn der Troubles erwarte. "Troubles" war der Euphemismus für den Bürgerkrieg, bei dem mehr als 3000 Menschen starben. Mit einem Bekannten ging Keeffe in ein irisches Pub in Nordlondon: "Die Band spielte Rebellenlieder, und plötzlich hörten sie auf und verbrannten auf der Bühne den Union Jack, und Geld wurde eingesammelt. Der Typ, mit dem ich da war, sagte: ‚Lass keinen deinen Akzent hören, tu einfach das Geld rein.’"

Keeffe kam das vor wie eine Form von Schutzgelderpressung, wenn auch eine mit politischem Hintergrund. Damit hatte er das Gerüst für die Geschichte, die er erzählen wollte: Ein Gangster, der versucht, seine Geschäfte zu legalisieren, indem er sich auf Immobilienspekulationen und Stadtentwicklung verlegt, gerät in eine Auseinandersetzung mit der IRA. Nach dem langen Osterwochenende war der erste Entwurf fertig. Am Schluss kam eine Geschichte dabei heraus, die am Karfreitag beginnt und - nach etwa 36 Stunden - am Abend vor Ostersonntag endet.

Die Wahl des zeitlichen Rahmens ist geschickt. Durch den Karfreitag hat man - beim "Nordirlandkonflikt" (auch eine Beschönigung) nicht ganz unwichtig - automatisch die Religion mit dabei. The Long Good Friday ist ein ziemlich frecher, respektloser Film, und wunderbar subversiv. Wenn Harold am Karsamstag von einem Killer der IRA erschossen wird (der Freitag wäre vermutlich doch zu pietätlos gewesen) drängt sich die Frage auf, ob er am Ostersonntag wiederaufersteht. Dadurch gerät der Gangster in die Nähe zu Jesus Christus, was der katholischen Kirche so wenig gefallen haben kann wie den Protestanten.

Kreuzigung im Schwimmbad

Jetzt habe ich verraten, wie es ausgeht. Macht aber nichts. Im Grunde weiß man von Anfang an, dass es für Harold Shand böse enden wird. Das hätte beinahe dazu geführt, dass der Film nie im Kino und nur in einer verstümmelten Fassung im Fernsehen gelaufen wäre, doch dazu später. Bob Hoskins begeisterte sich für die Idee, den Film "H" zu nennen (H wie Harold) und ihn mit einem Plakat zu bewerben, auf dem der Gangster an einem großen H hängt wie ein Gekreuzigter. Das war Keeffe, Hanson und Mackenzie zu wenig subtil.

Allerdings erinnerte sich Keeffe dadurch an einen Vorfall, über den er in den 1960ern als Reporter des Stratford Express berichtet hatte, einer in Ostlondon erscheinenden Regionalzeitung. Ein Mann war in einem Lagerhaus an Händen und Füßen an den Boden genagelt worden. Das war eine Spezialität der wegen ihres Sadismus gefürchteten Richardsons. Im Film macht es die IRA, um einen Zeugen zum Schweigen zu bringen. Es gibt einige brutale Szenen in The Long Good Friday. Spekulativ sind sie nicht. Eine Glorifizierung von Mördern wie in manchen Mafiafilmen findet nicht statt.

Kreuzigung im Schwimmbad (34 Bilder) [7]

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The Long Good Friday

Wie Mackenzie Religion und Gewalt verbindet sieht man bei Colins Tod. Shands Mutter ist auf ihre alten Tage sehr gläubig geworden und geht dreimal täglich in die Kirche, um sicherzustellen, dass sie in den Himmel kommt. Am Karfreitag wird sie von einem der Gangster im Rolls Royce zum Gottesdienst chauffiert. Weil das ein Film ist lässt sich Harolds Mama zur Kirche St. George in the East fahren (in der Cannon Street in Wapping), nimmt dann aber an einer Messe in der St. Patrick’s Church teil, ein paar Blocks weiter südlich. Dort wurden die Innenaufnahmen gedreht.

Das fügt sich sehr gut zusammen. Zwei Kirchen, die den Nationalheiligen Englands (St. George) und Irlands (St. Patrick) geweiht sind, geben die Schauplätze für einen Konflikt zwischen einer irisch-katholischen Terrororganisation und einer englischen Gangsterbande ab. Für Freunde des Okkulten: St. George in the East ist eine von sechs Kirchen des Baumeisters Nicholas Hawksmoor, deren eigenwillige Architektur der Avantgardist Iain Sinclair, Londons führender Spaziergänger und Psychogeograph (Lights Out for the Territory), in seiner Privatmythologie mit einer Spielart des Satanismus in Verbindung bringt.

Peter Ackroyd (Hawksmoor) hat das genauso beeinflusst wie Alan Moore und Eddie Campbell, in deren Graphic Novel From Hell darüber spekuliert wird, ob Jack the Ripper eine Form von ritueller Magie betrieben haben könnte, mit den Huren des East End als Menschenopfern und unter Einbeziehung der Hawksmoor-Kirchen, deren Standorte sich so verbinden lassen, dass sich ein Pentagramm daraus ergibt. Wir sind hier jetzt aber nicht bei Satanisten und Serienmördern, sondern bei Gangstern und Terroristen - und bei der Verbindung von Gewalt und Religion.

Beim Karfreitagsgottesdienst reiht sich Harolds Mutter bei den Gläubigen ein, die vor dem Kreuz niederknien und dem Heiland die Füße küssen. Der Überlieferung nach stach ein römischer Soldat dem Gekreuzigten mit einer Lanze in die Seite. Am Brustkorb der Jesusfigur sieht man die Wunde. Schnitt. Colin, von Belfast nach London zurückgekehrt, ist im Schwimmbad. In angedeuteter Jesus-Pose, mit nach oben gereckten Armen, steht er auf dem Sprungturm. Er will die anderen Männer beeindrucken, wenn er mit einem Salto in das Eintauchbecken springt. Colin ist wieder auf der Suche nach einem Sexualpartner.

Ein junger Mann taucht wie ein Hai im Becken auf, nimmt Blickkontakt zu Colin auf. Der junge Mann ist Pierce Brosnan in seiner ersten Filmrolle. Er signalisiert sein Interesse, geht zu den Duschen, und wir wechseln die Drehorte. Der Sprungturm stand in den Aegean Pools in der Hale Lane [9], die Duschen gehörten zum Schwimmbad des inzwischen abgerissenen Ladywell Leisure Centre in Lewisham. Beide Bäder waren typisch für ein London, das es so nicht mehr gibt und mit denen die Stadt auch einen Teil ihres früheren Charakters verloren hat. Filme wie The Long Good Friday (oder auch Deep End von Jerzy Skolimowki) haben ihn konserviert.

Colin folgt dem jungen Mann zu den Duschen, stellt sich vor ihn hin. "Hi", sagt der junge Mann. Das ist das einzige Wort, das Pierce Brosnan bei seinem Filmdebut zu sprechen hat. Als "erster Ire" redet er nicht, er tötet. Das macht er jetzt. Unterstützt vom "zweiten Iren", rammt der junge Mann Colin ein Messer in den Körper. Der Sterbende fällt zu Boden, liegt mit ausgestreckten Armen auf den Fliesen des Schwimmbads. Die Wunde ist etwas weiter unten als beim Jesus in der Kirche und doch so, dass man die beabsichtigte Analogie gut erkennen kann.

Schnitt. Wir sind zurück in der Kirche. Glücklich sind die, die der Herr zu seinem Abendmahl ruft, sagt der Priester. Ob Colin auch dieser Meinung ist? Der Gangster, der Harolds Mama chauffieren muss, wird langsam ungeduldig. Er geht hinaus vor die Kirche, setzt sich in den Rolls, dann fliegt der Wagen in die Luft. Gläubige Christen, zumal die konservativen unter ihnen, haben es nicht leicht mit diesem Film. Sie müssen sich dauernd überlegen, was schlimmer ist: Sex am Karfreitag, am helllichten Tag und unter Schwulen? Töten, während die Gläubigen den Gottesdienst begehen (aber wenigstens mit einem Killer, der nur so tut, als ob er schwul wäre)?

Besteht der Affront darin, dass ein Villain stirbt wie Jesus Christus? Wie blasphemisch ist es, wenn eine Religion, die einen ans Kreuz genagelten Mann in ihren Kirchen hängen hat, in Verbindung mit den Morden einer Terrororganisation gebracht wird, die ihre Gewalttaten mit der Diskriminierung der nordirischen Katholiken rechtfertigt? Hier muss man festhalten, dass der Film nicht um der Provokation willen provoziert. Es war der IRA-Aspekt, der John Mackenzie für das Projekt einnahm, als ihm Hanson die Regie anbot. Ein Gangster und Kapitalist, der gegen von Idealen geleitete (oder irregeleitete) Terroristen kämpft, das interessierte ihn.

Diesen Kampf, so Mackenzie in einem Interview, kann Harold Shand nicht gewinnen, weil er es mit einer Idee zu tun hat, die man nicht dadurch totkriegt, dass man Leute umbringt: "Was für den einen ein Terrorist ist, ist für den anderen ein Freiheitskämpfer." Das war auch eine Aussage über den Bürgerkrieg, der nicht endete (oder wenigstens ausgesetzt wurde), weil eine Seite die andere besiegte, sondern weil sich die vom Töten erschöpften Konfliktparteien am 10. April 1998 in Belfast auf ein Friedensabkommen einigten. Der 10. April war ein Karfreitag, weshalb das Abkommen als Good Friday Agreement bekannt wurde. Besser hätten es die Macher von The Long Good Friday nicht erfinden können.

Was kostet die Welt?

Bob Hoskins, früher Lastenträger im nicht mehr existierenden (und in Hitchcocks Frenzy filmisch konservierten) Obst- und Gemüsemarkt Covent Garden, war eher zufällig als Schauspieler entdeckt worden und erst kürzlich - als seine Frau betrügender Verkäufer von gedruckten Notenblättern in Dennis Potters Miniserie Pennies from Heaven (1978) - zum populären TV-Darsteller geworden. Seine Filmerfahrung war begrenzt. Barry Hanson hatte ihn auf der Bühne gesehen, als Richard III. (ebenfalls ein Gangster, nur mit Königskrone) in einer Cockney-Version des Shakespeare-Stücks, und war sehr beeindruckt gewesen.

Als Hanson Keeffes Drehbuch las dachte er sofort an Hoskins. Keeffe war ganz dafür. Die beiden machten den Darsteller schließlich im Londoner Krankenhaus für Tropenkrankheiten ausfindig, wo ihm in einer komplizierten Prozedur ein Bandwurm entfernt wurde, den er aus Südafrika mitgebracht hatte, von den Dreharbeiten zu Zulu Dawn. Hoskins erzählte gern von seinem Abenteuer mit den Zulus, die ihn zu ihrem Ehrenhäuptling ernannten. Bei dem Ritual musste er ein rohes Stück Rindfleisch essen, und dabei zog er sich den Bandwurm zu, der mit jeder Wiederholung der Geschichte länger wurde.

Was kostet die Welt? (12 Bilder) [10]

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The Long Good Friday

Hoskins war Feuer und Flamme, als ihm Hanson und Keeffe ihr Projekt präsentierten. Aufgewachsen in Finsbury Park, einem ziemlich rauen Viertel, hatte er eine gute Vorstellung davon, was ein Londoner Villain war und was ihn von den Karikaturen unterschied, die in den meisten Filmen ihr Unwesen trieben. Mit Harold Shand konnte er sich sofort identifizieren. Dieser Gangster, sagt er in "Bloody Business", dem Making-of zu The Long Good Friday, hat es in seinem Metier bis an die Spitze geschafft, so wie er auch gerade dabei war, in seinem Beruf als Schauspieler ganz weit nach oben zu kommen, nur eben ohne Kriminalität.

Gleich bei seinem ersten Auftritt weiß man, dass Hoskins die Idealbesetzung ist. Begleitet von einer Wiederaufnahme der energetischen Titelmusik des Curved-Air-Keyboarders Francis Monkman [12] (einer der besten im britischen Film der 1970er), stolziert er mit der Präpotenz eines durch nichts zu bremsenden Emporkömmlings durch die Ankunftshalle von Heathrow, als gehöre ihm nicht nur dieser Flughafen, sondern London und morgen die ganze Welt, oder doch wenigstens Europa. In diesen ersten Sekunden kommt schon die Hybris zum Ausdruck, die den Mann zu Fall bringen wird. Hoskins braucht dafür nur seinen Blick und seine Körpersprache. Harold Shand war die Rolle seines Lebens.

Durch die Liberalisierung des Glücksspiels war London in den 1960ern für die amerikanische Mafia interessant geworden. Keeffe hatte The Profession of Violence gelesen, John Pearsons Buch über die Krays. Da erfährt man, dass es Pläne gab, so etwas wie einen gemeinsamen Markt für kriminelle Geschäfte zu etablieren und dass Ronnie Kray zur Intensivierung der transatlantischen Beziehungen nach New York gereist war. Shand war in den USA, um Investoren für seine Immobilienpläne zu gewinnen. Ein Mafiaboss kommt mit einem späteren Flug hinterher, um die Verhandlungen vor Ort abzuschließen.

Harold Shand träumt davon, in einem im Krieg bei deutschen Luftangriffen schwer beschädigten und danach nie ganz wieder aufgebauten Teil des Londoner Handelshafens, rund um die St. Katharine Docks, Vergnügungsetablissements (mit Spielcasino), Läden, Restaurants, Büros und Luxuswohnungen zu errichten. 1977, als Barrie Keeffe die erste Drehbuchfassung schrieb, war das visionär. Verglichen mit dem, was dort heute steht, ist allenfalls zu bemängeln, dass Harolds Modell, das er stolz vorzeigt, viel zu bescheiden ausgefallen ist. Es hätte groß sein müssen wie Manhattan, meinte Keeffe 2014 mit Blick auf den Canary-Wharf-Komplex [13].

Profitabler Fortschritt in Europa

Um den Tag gebührend zu feiern, an dem er hofft, sein Bauvorhaben unter Dach und Fach zu bringen, hat Harold Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf seine Yacht geladen. Auch Chefinspektor Parker ("Parky") ist gekommen, ein auf seiner Gehaltsliste stehender Polizist. Der inzwischen aus New York eingetroffene Mafiaboss mit dem schönen Namen Charlie Restivo hat Tony mitgebracht, seinen Anwalt (und vielleicht auch Lover). Für Harold ist das gewöhnungsbedürftig, weil seine Transformation vom rustikalen Gangster zum smarten Geschäftsmann noch nicht abgeschlossen ist.

Den Mafioso sollte ursprünglich der vor allem durch Hauptrollen in amerikanischen Fernsehserien wie Matt Helm bekannt gewordene Anthony Franciosa spielen. In Robert Sellers’ Buch Very Naughty Boys erzählt Mackenzie, dass Franciosa ein Drogenproblem hatte, was vorher keiner wusste. Als Profi hatte er seinen Text gelernt, kam jedoch nicht damit klar, dass bei den Dreharbeiten dauernd die Dialoge geändert wurden. Davon überfordert, flog er nach drei Tagen zurück in die USA.

Profitabler Fortschritt in Europa (14 Bilder) [14]

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The Long Good Friday

In "Bloody Business" spitzt Mackenzie die Geschichte dramatisch zu: Hanson fährt nach Heathrow, um Franciosa abzuholen und überreicht ihm eine neue Drehbuchfassung. So etwas mache ich nicht mit, sagt Franciosa und nimmt den ersten Flug zurück nach Los Angeles. Als Ersatz wurde Eddie Constantine engagiert, der sich als FBI-Agent Lemmy Caution durch französische Kriminal- und Abenteuerfilme geprügelt und charmiert hatte und dann vom europäischen Arthaus-Kino entdeckt worden war (Alphaville, Warnung vor einer heiligen Nutte, Die dritte Generation). Franciosa lässt er nicht vermissen.

Ein großer Tag verlangt eine große Rede. Harold Shand versichert einleitend, dass er kein Politiker ist und erinnert doch sehr an Margaret Thatcher, die im Mai 1979 die Parlamentswahlen gewonnen hatte. "Ich bin ein Geschäftsmann mit einem Sinn für Geschichte", sagt Shand. "Und ich bin auch ein Londoner, und heute ist ein Tag von großer historischer Bedeutung für London. Unser Land ist keine Insel mehr. Wir sind ein führender europäischer Staat." Dann entwirft er das Bild einer glänzenden Zukunft für Großbritannien, das seit 1973 Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft war und 1975 bei einem Referendum beschlossen hatte, das auch zu bleiben (67 Prozent für Remain).

Harold tut seine Überzeugung kund, dass man nun eine Dekade einläute, in der London zur Hauptstadt Europas aufsteigen werde. Wenn das Alte und das Überholte erst weggeräumt seien habe man riesige Flächen Bauland zur Verfügung, auf denen man seinen Wohlstand begründen könne. Keine andere Stadt der Welt verfüge über eine solche Gelegenheit zu "profitablem Fortschritt". Darum sei es so wichtig, dass die richtigen Leute das neue London planen, und diese Leute habe er heute eingeladen. Dazu sieht man Gangster, korrupte Politiker und Polizisten, Society-Typen und so weiter.

Im Sommer 1979, schreibt Mark Duguid (im Booklet der bei Arrow erschienenen Bob-Hoskins-Box), als Margaret Thatcher selbst noch nicht wusste, was Thatcherismus ist, schien The Long Good Friday schon einen bestechend scharfen Blick für das zu haben, was kommen würde: "In den 1980ern gestaltete die Thatcher-Regierung Großbritannien radikal um - nicht nur politisch, sozial und ökonomisch, sondern physisch. Fabriken, Essen, Hüttenwerke und Werkshallen überall in den einst bedeutenden Industriestädten ließ man in der Folge einer rasend schnellen und zerstörerischen Deindustrialisierung leer und baufällig herumstehen."

Thatcher machte London nicht zur Hauptstadt Europas, wohl aber zur Welthauptstadt des Finanzkapitalismus. Den Preis dafür bezahlten andere Landesteile. "Was einst Britanniens stolzeste Industrie gewesen war, der Kohlebergbau", so Duiguid, "wurde praktisch eingestellt. Geld floss aus Schottland ab, aus dem Norden und aus den Midlands, aber es flutete London, und besonders die City. Im Osten und im Süden, und ganz speziell entlang der Themse, wurde London von Grund auf neu gebaut." Bis 2012 war die City of London der Ort, wo mehr im Finanzsektor beschäftigte Menschen arbeiteten als sonst irgendwo in Europa. Dann wurde sie von Canary Wharf überholt.

Hands across the ocean

Harold Shand, Chef einer als "The Corporation" firmierenden Gangsterbande, nimmt schon die 1981 gegründete, von Filz und Korruptionsskandalen geplagte London Docklands Development Corporation vorweg, unter deren Aufsicht da, wo früher die Hafenanlagen gestanden hatten, Büro- und Wohngebäude im obersten Preissegment hochgezogen wurden. Ganz so, als hätte sie Shands Rede gehört, pries die Thatcher-Regierung die Docklands als "nationale Ressource" für private und öffentliche Investitionen an, fühlte sich dann aber nur in sehr geringem Umfang an ihr Versprechen gebunden, bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener zu schaffen.

Wer wissen möchte, was aus Harold Shands Traum geworden ist und aus Flugscham keinen Billigflieger nach London buchen will kann sich mit der Einleitungssequenz des James-Bond-Films The World Is Not Enough (1999) behelfen. Pierce Brosnan tötet mittlerweile im Auftrag Ihrer Majestät, nicht mehr für die IRA. Nach einer Explosion im Hauptquartier des MI6 rast er im Schnellboot die Themse hinunter, passiert das Parlament und die Tower Bridge und liefert sich eine Verfolgungsjagd mit der Attentäterin, die ihn durch ein Eldorado der Reichtumsvermehrung führt und auf dem Dach des Millennium Dome endet.

Hands across the ocean (9 Bilder) [16]

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The Long Good Friday

Im Zeitalter ständig verfehlter und nach hinten verschobener Klimaziele kann man es auch gut finden, wenn eine Regierung Schluss mit energieintensiver Industrie und Kohlebergbau macht. Die Rücksichtslosigkeit aber, mit der das geschah, hat tiefe, bis heute nicht vernarbte Wunden gerissen. "So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht", lautet ein berüchtigter Thatcher-Spruch. Es gibt nur Individuen, Männer und Frauen, die sich um sich selber kümmern, um ihre Familie und vielleicht noch um ihre Nachbarn. Der Staat, so das Credo der Premierministerin, muss "schlanker" (= auf einen reinen Reparaturbetrieb reduziert) werden und die Bürger am besten sich selbst überlassen.

Margaret Thatcher war eine Bewunderin von Ronald Reagan, der sein Land ähnlich brachial auf einen neoliberalen Kurs zwang wie sie das ihre. Die schon von Winston Churchill beschworene "spezielle Beziehung" (special relationship) zwischen den USA und Großbritannien wurde unter diesen "ideologischen Seelenverwandten" (Maggie über sich und Ronnie) noch spezieller. So etwas wünscht sich auch Harold Shand, ein ebenso enthusiastischer Verfechter der freien Marktwirtschaft und der Entgrenzung der Ökonomie (genregemäß in der Gangster-Variante) wie Thatcher und Reagan.

"Unsere amerikanischen Freunde", Charlie und Tony, seien gekommen (sagt er am Ende seiner Rede), um den globalen Charakter des Unternehmens zu unterstreichen. Dann bringt er einen Trinkspruch aus, den die Gäste brav wiederholen: "Hands across the ocean!" Wir strecken (metaphorisch) die Hände über das Meer aus, um unsere spezielle transatlantische Beziehung mit den Amerikanern zu festigen. Das könnte O-Ton Maggie Thatcher sein, bei einer Ansprache vor ihrem Kabinett oder vor dem Wahlvolk, das mit solchen Phrasen davon abgelenkt wurde, dass die Regierung dabei war, die Sozialleistungen zu reduzieren und den Einfluss der Gewerkschaften zu minimieren, um die Wirtschaft zu entlasten.

Seefahrer an der Tower Bridge

Mackenzie verzichtet auf die üblichen Postkartenbilder von London. Man sieht keine Doppeldeckerbusse, keine roten Telefonzellen, keine schwarzen Taxis, keine Bobbys und keine Paläste. Bei Harold Shands Rede macht er eine Ausnahme. Den Hintergrund gibt die 1894 fertig gestellte Tower Bridge ab, die man auch viel einfacher hätte haben können. In ihrer Monumentalität und technischen Komplexität ist sie ein Emblem jenes London, das sich im 19. Jahrhundert stark veränderte und mit Bauwerken ausgestattet wurde, die der Welt signalisieren sollten, dass keine Stadt größer und mächtiger war als diese.

Die Brücke gehört zu der Art von Architektur, die "den britischen Heroismus auf dem Schlachtfeld" feiert, "die britische Herrschaft über fremde Länder, den Reichtum und die Macht der Briten, oder, kurz gesagt, den britischen Imperialismus", wie der Historiker Jonathan Schneer in seinem Buch London 1900 schreibt, aus dem man viel über den heutigen Finanzplatz lernen kann, obwohl es vom 19. Jahrhundert handelt. Das Geschichtsbewusstsein, das Shand an historischer Stätte offenbart, ist das von Margaret Thatcher: Man beruft sich auf eine große britische Vergangenheit und räumt dann ab, was dem "profitablen Fortschritt" im Wege steht.

Seefahrer an der Tower Bridge (14 Bilder) [18]

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The Long Good Friday

Mitten auf der Themse und mit Blick auf die Tower Bridge, die gebaut wurde, als der Londoner Hafen der größte der Welt war und das Bindeglied zwischen dem vergleichsweise winzigen Mutterland und einem Imperium von enormer Ausdehnung: Einen besseren Schauplatz für seine Rede hätte Harold Shand kaum finden können. Die eigenen Vorhaben mit der Behauptung zu vergolden, Glanz und Gloria vergangener Jahrhunderte wiederherstellen zu wollen, ist in Großbritannien sehr beliebt, seit die britische Flotte mit Sir Francis Drake als Vizeadmiral 1588 im Ärmelkanal die Armada vernichtete und damit die Eroberungspläne des spanischen Königs vereitelte.

Die Vernichtung der Armada fand mehr in der elisabethanischen Propaganda als in der Wirklichkeit statt, und auch das Weltreich ließ noch eine Weile auf sich warten, aber das macht gar nichts. Aus der Propaganda entwickelte sich die identitätsstiftende Erzählung von der uneinnehmbaren Insel, deren Bewohner hinaus in die Welt fahren, Handel treiben und prosperieren. Wer sie daran hindern will wird erfahren, wie unbeugsam diese Seefahrer sind. Das ist der Stoff, aus dem man - mit viel Mut zur Lücke - nationale Mythen formt.

Nicht nur die Armada, auch der Zweite Weltkrieg und die Abwehrschlacht gegen Nazideutschland werden immer wieder gern genommen. Winston Churchill sagte in einer berühmten Durchhalterede, dass sich Großbritannien nie ergeben werde. Den Brexiteers ist das Vorbild und Verpflichtung. Wer gar nicht oder nur mit Vertrag aus der EU austreten will, behaupten sie, schickt eine Kapitulationserklärung nach Brüssel (Nostalgiker dürfen Berlin einsetzen). Diese Kriegsrhetorik ist ziemlich plump, findet aber viel Gefallen bei radikalisierten Rentnern, weil es an eine lange, das Bewusstsein prägende Tradition anknüpft.

Francis Drake der Immobilienbranche

Als The Long Good Friday entstand kam man an Francis Drake nicht vorbei. Vor 400 Jahren hatte der Kulturheld der Engländer die Welt umsegelt, was drei Jahre lang gefeiert [20] wurde (unter anderem mit einer großen Ausstellung in der British Library), weil die Weltumsegelung so lang gedauert hatte, von 1577 bis 1580. Damals war es noch leichter, den Seehelden und Entdecker in einen positiv konnotierten Zusammenhang mit der EU zu bringen, weil der 1973 vollzogene und 1975 per Referendum bekräftigte Beitritt der Briten zur Europäischen Gemeinschaft als Aufbruch in eine goldene Zukunft verstanden wurde.

Auch der Film von Barrie Keeffe und John Mackenzie bedient sich beim Francis-Drake-Mythos, dies allerdings mit Subtilität und Ironie. Harold Shand will nicht als Freibeuter des späten 20. Jahrhunderts um den Globus segeln. Das England seiner Träume ist kein Weltreich, sondern ein Land mit ungenützten Flächen, die sich in ein Paradies für private Investoren, Immobilienspekulanten und Gentrifizierer verwandeln lassen. Unter Berufung auf Brauchtum, große Vergangenheit und nationale Identität (ohnehin ein interessengesteuertes Konstrukt) ist so etwas besser zu verkaufen.

Francis Drake der Immobilienbranche (10 Bilder) [21]

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The Long Good Friday

Also zelebriert der Gangsterboss seinen Einstieg ins Immobiliengewerbe auf der Themse, wie es sich geziemt, wenn eine Seefahrernation in eine große Zukunft unterwegs ist. Segelschiffe, mit denen Großbritannien einst die Weltmeere beherrschte, besitzt er nur in Form von Ölgemälden (und einen Globus in der Kapitänskajüte), aber immerhin hat er eine Yacht, auf der er seine Gäste an historischer Stätte bewirten kann. Damals waren die (in Abwicklung befindlichen) Docks unterhalb der Tower Bridge noch nicht mit Luxusimmobilien zugestellt und man hatte einen guten Blick auf das alte Werftgelände, wo Francis Drake 1581 nach erfolgreicher Weltumsegelung mit der Golden Hinde vor Anker gegangen war.

Auf der Golden Hinde schlug Elisabeth I. den Freibeuter zum Ritter, und auf Befehl der Königin wurde das Schiff in King’s Yard (später Convoys Wharf), der von ihrem Vater Heinrich VIII. in Deptford eröffneten Werft, auf ein Trockendock gelegt, damit es von der Öffentlichkeit gebührend bewundert werden konnte. Das war ein Top-Event des Elisabethanischen Zeitalters, nachgestellt [23] bei den 400-Jahr-Feiern zur Weltumsegelung. Im Vorfeld der Feierlichkeiten wurde ein Nachbau der Golden Hinde [24] angefertigt [25]. Die Authentizität ist garantiert, obwohl die Baupläne nicht erhalten sind.

Francis Drake; Nachbau der Golden Hinde. Bild: Dee8654 / CC-BY-SA-3.0 [26]

Das Original verrottete, nachdem Elisabeth I. 1581 versprochen hatte, es zur "immerwährenden Erinnerung" für die Nachwelt zu bewahren. Aus den letzten brauchbaren Holzstücken soll 1662 ein Stuhl gezimmert worden sein, der in der Bodleian Library [27] in Oxford zu besichtigen ist. Der Dokumentarfilm [28] zur Entstehung der neuen Golden Hinde endet da, wo Harold Shand seinen "Sinn für Geschichte" unter Beweis stellt, indem er sein Bauprojekt mit Casino, Hotels und Restaurants präsentiert: an der Tower Bridge in London, dem Symbol des Imperialismus im 19. Jahrhundert, der Francis Drake zu seinem Helden erkor.

Die großartigsten Docks der Welt

Mackenzie konterkariert den Drake-Mythos mit böser Ironie. Harold Shand, der wackere Nachkomme des Freibeuters der Königin, ist eine Landratte. Mackenzie lässt ihn auf der Themse hin und her und dann zurück zum Anlegeplatz in den St. Katharine Docks fahren (seit der Brachialgentrifizierung ist nur noch die Brücke am St. Katharine’s Way zu identifizieren, über die der Rolls mit Harolds Mutter fährt), nicht hinaus in die Welt oder wenigstens bis zur Themsemündung in Southend, wo er das Meer sehen könnte.

Das hindert Harold nicht daran, auf seiner sicher vertäuten Yacht, dem Statussymbol der Neureichen, davon zu träumen, dass die Queen (inzwischen römisch Zwei) auch ihm einen Titel verleihen wird, wenn er sein Bauprojekt realisiert hat. Die St. Katharine Docks, jetzt ein Wohn- und Vergnügungsviertel mit Dickens Inn, sind der richtige Platz für solche Träumereien. Die heutigen Betreiber des Dickens Inn [29] zitieren den Urenkel des Autors mit dem Satz, dass sein Uropa den Laden bestimmt geliebt hätte (was man bezweifeln darf). "A sense of history" muss man schon haben, sagt Harold.

Die großartigsten Docks der Welt (12 Bilder) [30]

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The Long Good Friday

Bei der Themsefahrt wird Harold kurz melancholisch. "Früher lagen hier zur gleichen Zeit 80 oder 90 Schiffe", sagt er. "Sie mussten praktisch Schlange stehen, um reinzukommen, den ganzen Weg von Gallions Reach bis runter nach Tilbury. Früher mal, da waren das die großartigsten Docks der Welt." Da das Drehbuch von Barrie Keeffe ist und Harold seine Dialoge spricht sind die beiden Orte nicht einfach so dahingesagt. Es geht um englische Geschichte.

In Gallions Reach kollidierte 1878 die Princess Alice mit einem Frachtschiff, brach in zwei Teile und sank. Von rund 800 Passagieren des Ausflugsdampfers überlebten etwa 150. Ob die Tagesausflügler aus der Arbeiterklasse schwimmen konnten oder nicht spielte eine untergeordnete Rolle. An der Unfallstelle war die Themse eine stinkende Kloake und so mit Chemikalien, Industrieabfällen und sonstigem Unrat kontaminiert, dass sie hochgiftig war. Wer bei Gallions Reach in den Fluss fiel und Wasser schluckte war dem Tod geweiht.

The Great Stink. (William Heath: Monster Soup commonly called Thames Water). Bild: Public Domain

Für Sozialreformer war die Katastrophe das Sinnbild einer ungerechten Klassengesellschaft, in der die Arbeiterschicht unter menschenunwürdigen Umständen leben musste und dann vergiftet wurde, wenn sie einen freien Tag hatte. Wie häufig in solchen Fällen wurde eine sich lang hinziehende Untersuchung mit überschaubaren Konsequenzen eingeleitet. Es gab ein paar Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit auf Passagierschiffen, London wurde angehalten, auch da etwas für die Sauberkeit der Themse zu tun, wo die Armen wohnten, dann wurden die Opfer bald vergessen, weil sie nicht wichtig genug waren. Die Princess Alice war der Grenfell Tower des viktorianischen England.

Zeitgenössische Darstellung des Unglücks der "Princess Alice". Bild: Public Domain

Iain Sinclair hat mit Downriver einen mitunter sehr kryptischen Roman geschrieben, dessen unterschiedliche Erzählströme durch die Princess Alice und das Schicksal ihrer Passagiere verbunden werden. Bei Sinclair kann man auch die Vorschläge besorgter Bürger lesen, wie solche Katastrophen in Zukunft zu vermeiden wären: durch Kurse in Brustschwimmen für die Armen beispielsweise. Die Leute, die die Muße hatten, solche Überlegungen anzustellen, lebten vermutlich in Gegenden, die von Sir Joseph Bazalgettes revolutionärem Abwassersystem profitierten.

Der große Gestank von London

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde London von Choleraepidemien geplagt. Eine der schlimmsten gab es 1853/54: 10.000 Menschen starben an der Krankheit. Damals dachte man, dass die Cholera durch üble Gerüche ausgelöst werde. Dann kam der heiße Sommer von 1858 und mit ihm der "Great Stink of London". Von der Themse stieg ein unerträglicher Gestank auf. Unter öffentlichem Druck und beeinflusst von den eigenen Nasen bewilligten die Abgeordneten im (direkt am Fluss liegenden) Parlament das Geld, das Bazalgette zum Bau eines unterirdischen, seit längerem geplanten Abwassersystems brauchte.

Dank Bazalgettes großer Ingenieursleistung flossen die Abwässer nicht mehr ungeregelt in die Themse. Sie wurden gesammelt, in unterirdischen Kanälen abtransportiert und nun erst unterhalb der Stadt in den Fluss geleitet, und von da weiter ins Meer (Kläranlagen kamen später). Die Einleitung des gesammelten Gifts musste an einem Punkt geschehen, an dem die Abwässer nicht durch die Gezeiten zurückgestaut wurden und wieder im Londoner Stattgebiet landeten. Nach umfangreichen Versuchen fand Bazalgette bei North Woolwich eine geeignete Stelle.

Die Princess Alice fuhr am 3. April 1878 von der London Bridge die Themse hinunter, über Gravesend nach Sheerness und von da zurück nach London. Auf der Höhe von Gallions Reach, in Sichtweite des North-Woolwich-Piers, stieß sie mit einem Kohlenfrachter zusammen, der nach Newcastle unterwegs war (die Heimatstadt von Jack Carter). Das in London gesammelte Gift war da am konzentriertesten. Mit Brustschwimmen war einem nicht geholfen, wenn man ins Wasser fiel. Bei der gerichtlichen Untersuchung kam heraus, dass der Tod vieler Opfer durch starkes Erbrechen und die daraus resultierende Dehydrierung beschleunigt worden war. Andere waren an ihrem Erbrochenen erstickt.

Der große Gestank von London (23 Bilder) [32]

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Frenzy

Einer, der für solche Dinge (und für die Londoner Stadtgeschichte) ein feines Sensorium hatte, war Alfred Hitchcock. Am Anfang von Frenzy fliegt die Kamera auf die Tower Bridge zu (im Bild rechts die St. Katharine Docks, wo Harold Shand sein Bauprojekt realisieren will). Flussaufwärts, vor der County Hall [34], hält ein Politiker eine Rede. Er lobt sich und die von ihm vertretene Regierung für eine Gesetzgebung, durch die aus der Themse ein sauberer, nicht länger die Gesundheit gefährdender Fluss werden soll.

Gleich gegenüber, am anderen Ufer, steht das Parlamentsgebäude, in dem 1858 das Geld für Bazalgettes Abwassersystem bewilligt wurde. Zwanzig Jahre danach brachte das den Ausflüglern auf der Princess Alice den Tod. Während in Frenzy der Gesundheitsminister über den Umweltschutz referiert wird eine nackte Frauenleiche angespült, das jüngste Opfer des Krawattenmörders. Hitchcock nutzt das, um das Ausflugsschiff, Sozialkritik, Jack the Ripper und die Gegenwart durch ein System von versteckten Anspielungen zu verbinden, wie nur er es konnte.

Man beachte die Armbewegung, mit der der Minister anzeigt, wo die Themse sauberer werden soll: Von der County Hall flussaufwärts. Die Wohngebiete der Armen lagen traditionell flussabwärts und im Osten, wohin der Wind den Gestank der Schlachthöfe und Fabriken blies. Die meisten von den armen Leuten, die zwei Schillinge sparten, um sich einen Ausflug auf der Princess Alice nach Gravesend leisten zu können (und dann mit 800 anderen auf ein Schiff gepfercht wurden, das für 500 Passagiere zugelassen war), stammten aus dem East End.

Namenspatronin der Princess Alice war eine Tochter von Königin Victoria. Anhand dieses Schiffes ließe sich von einer erschreckend ungerechten Gesellschaft erzählen. Die Katastrophe war weitgehend vergessen (nicht von Hitchcock), als Keeffe die erste Fassung des Drehbuchs schrieb. 1978, als er das Buch überarbeitete, wurde sie durch eine Reihe von Gedenkveranstaltungen zum hundertsten Jahrestag zurück in das öffentliche Bewusstsein geholt. Für Harold Shand ist Gallions Reach Teil einer nostalgisch verklärten Vergangenheit. An dem Ort zeigte sich aber auch, dass diese Vergangenheit so grandios nicht war, jedenfalls nicht für alle.

Die Vergangenheit respektieren, die Zukunft im Auge behalten

Und in Tilbury, was war da? Man kann Geschichte von unten oder von oben erzählen. Die Geschichte von oben ist das, was man üblicherweise in der Schule lernt. Da bauen dann die Könige ihre Paläste, als hätten sie das Maurerhandwerk gelernt und selbst den Mörtel angerührt. In England gehört Tilbury zum Geschichtsunterricht (der Untergang der Princess Alice eher nicht), weil dort Elisabeth I. ihre berühmteste Rede [35] hielt. Von der Rede gibt es drei Versionen. Welche davon die Queen tatsächlich hielt ist umstritten, und einige Historiker bezweifeln sogar, dass sie überhaupt eine Rede hielt.

Als verbürgt darf gelten, dass sie wirklich vor Ort war und eine Rüstung trug, oder zumindest einen Helm und einen Brustpanzer. In Tilbury zog Elisabeth im August 1588 den Hauptteil ihrer Truppen zusammen. Dort sollten die Spanier, die England erobern wollten, daran gehindert werden, mit der Armada die Themse hochzufahren und so London zu erreichen. Zu Kampfhandlungen kam es nicht, weil die Armada schon daran gescheitert war, in Flandern die Invasionsarmee abzuholen, aber jedenfalls hielt Königin Elisabeth I. in Tilbury die berühmte Rede an die Truppen.

In Fire Over England [36], einem britischen Propagandafilm von 1937, macht es Flora Robson (1939 in The Lion Has Wings [37] recycelt), bevor Laurence Olivier die Armada in Brand setzt. 2005, im Mehrteiler The Virgin Queen [38], schickte die BBC Anne-Marie Duff nach Tilbury, 2007 gefolgt von Cate Blanchett in Elizabeth: The Golden Age [39]. Ein Jahr vor Blanchett lieferte Harolds Freundin Victoria (alias Helen Mirren) die berühmte Rede ab, in Elizabeth I. [40]. Bei so viel Patriotismus und Kampfesmut angesichts der Invasionspläne fremder Mächte darf man auch mal sentimental werden wie Harold, der auf der Themse den alten Zeiten nachtrauert.

Die Vergangenheit respektieren, die Zukunft im Auge behalten (18 Bilder) [41]

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Elizabeth I

"Die Dinge ändern sich, Harold", ermahnt ihn Charlie, der Mafioso aus New Jersey. Man dürfe nicht nostalgisch sein, sondern müsse in die Zukunft blicken: "Ist dir klar, dass ihr 35 Minuten von Europa entfernt seid? Großes Potential. Ich lebe in einem neuen Land, und ich respektiere die Vergangenheit, aber ich behalte die Zukunft im Auge." Eben. Harold Shand muss er nicht lange überzeugen. Shand ist einer von den Leuten, die über die glorreiche Vergangenheit schwadronieren, über das historische Erbe und die Größe der Nation, um dann zügig den "profitablen Fortschritt" voranzutreiben.

Iain Sinclair wird seit Jahren nicht müde, The Long Good Friday zu empfehlen. In 70x70, seinem "Leben ausgepackt in 70 Filmen", ist ein Text dazu abgedruckt und ein Gespräch, das er 2014 mit Barrie Keeffe geführt hat. Harold Shands patriotische Rede, sagt Sinclair, könnte auch von Margaret Thatcher sein, und außerdem komme sie ihm vor wie "eine Bauchrednerversion von Boris Johnson". Wer wollte ihm da widersprechen? Johnson, damals Londons Bürgermeister und später aus Karrieregründen zum Anführer der Brexiteers mutiert, wusste schon immer, wie man den profitablen Fortschritt mit folkloristischen Girlanden verziert, und mit ein paar historischen Vergleichen.

Im Unterschied zu Donald Trump schreibt Johnson seine Bücher selbst. Weil er auch noch andere Sachen zu tun hat bleibt selten Zeit für Genauigkeit und Faktencheck, aber gute Unterhaltung ist garantiert. 2006 legte der studierte Althistoriker The Dream of Rome vor, das Buch zu einer vorher ausgestrahlten BBC-Sendung, in dem er die EU mit dem römischen Imperium vergleicht und Brüssel rät, sich am alten Rom zu orientieren, wo die Steuern niedrig waren, die Bürokratie gering und der Handel mit dem Rest der Welt anarchisch.

In dem Buch plädiert der künftige Posterboy der Leave-Kampagne nicht etwa für den EU-Austritt der Briten. Er wirbt [43] vielmehr dafür, die Union zu vergrößern und endlich die Türkei aufzunehmen, um so die seit der Reichsteilung von 395 bestehende Spaltung Europas in ein Weströmisches und ein Oströmisches Reich zu überwinden und rund um das Mittelmeer einen multikulturellen, von Harmonie geprägten Wirtschaftsraum zu schaffen, der von der Straße von Gibraltar bis zum Bosporus und von Tunis bis Lyon reicht.

2016, als Johnson sich den Brexiteers angeschlossen hatte, gab er dem Telegraph [44] ein Interview, in dem er auf sein Rom-Buch verwies und die durchaus europafreundliche Haltung, die darin zum Ausdruck kommt, einfach wegließ. Die Wahrheit sei die, sagte er, dass man seit 2000 Jahren bestrebt sei, die "verlorene Kindheit Europas wiederzuentdecken", ein "Goldenes Zeitalter des Friedens und des Wohlstands", indem man versuche, Europa zu einen. Napoleon hätte das genauso ausprobiert wie Hitler, und immer habe es tragisch geendet. Als Medienprofi vergleicht er die EU mit dem Dritten Reich und die Brüsseler Bürokraten mit Nazis, indem er versichert, sie nicht vergleichen zu wollen.

Vanity-Projekte im High Quality Living Environment

Der Held von The Dream of Rome ist nicht der Kriegspremier Winston Churchill (aus Gründen der Chronologie war das schlecht möglich), sondern Kaiser Augustus, Johnsons zweites großes Vorbild. Der Imperator sicherte seine Macht ab, indem er Gegner rücksichtslos beiseite räumte und sich mit einem Personenkult umgab. Auf beiden Gebieten zeigt Johnson gute Ansätze. Weniger erfolgreich war er bisher in seinem Bestreben, sich in seiner Hauptstadt als Baumeister zu verewigen wie Augustus, der auf dem Sterbebett gesagt haben soll, er habe in Rom eine Stadt aus Ziegeln vorgefunden und hinterlasse eine Stadt aus Marmor.

Einer Berechnung des Guardian [45] zufolge wendete Johnson in seiner Zeit als Bürgermeister eine knappe Milliarde Pfund für "Eitelkeitsprojekte" auf, mit denen er London schöner machen wollte und die entweder nie realisiert oder sehr viel teurer wurden als behauptet. Shands Bauvorhaben in den Docklands war - viel gigantischer, als es sich der Gangster 1979 hatte vorstellen können - als Canary Wharf bereits verwirklicht. Blieb noch das Convoys-Wharf-Projekt, das wie mit dem Schuhlöffel in die Gegend mit der großen Vergangenheit gedrückt werden soll.

Das ist dort, wo einst (siehe oben) die Golden Hinde zu bestaunen war und einige der Schiffe gebaut wurden, die unter Elisabeth I. gegen die Armada zum Einsatz kamen. 2014 setzte sich der Bürgermeister über die Entscheidung der Baubehörde und der lokalen Verwaltung hinweg [46], vorerst keine Planungsgenehmigung für das Großprojekt zu erteilen (3500 Wohneinheiten mit einem Investitionsvolumen von mehr als einer Milliarde Pfund), weil es da eine Hafenanlage mit historischem Bestandsschutz gab und zu viele offene Fragen.

Die Investoren beklagten sich über "unrealistische Forderungen" der lokalen Behörden und fanden ein offenes Ohr bei Boris Johnson, der die Parole ausgegeben hatte, möglichst viele Wohnungen auf möglichst engem Raum zu bauen. Inzwischen kämpft der Volkstribun an einer anderen Front. Vom Projekt Convoys Wharf, dem er den Weg geebnet hat, hieß es kürzlich, dass in einem ersten Bauabschnitt 456 Einheiten (nebst Läden, Restaurants und Cafés) im Luxussegment errichtet werden.

Die 500 bezahlbaren Wohnungen für Londoner Familien, die versprochen wurden, sollen folgen - wenn nicht gleich, dann eben später, eher am Ende des Projekts. "Bezahlbar" ist ohnehin ein dehnbarer Begriff, und bei Immobilien, die international vermarktet werden, ganz besonders. Von der Pflicht, Sozialwohnungen zu bauen, können sich die Investoren freikaufen. Diese Wohnungen entstehen dann woanders, weiter weg. Die Convoys Wharf hat keinen Platz dafür. Dafür wird dem alten Werftgelände ein "Bewusstsein für den Ort und ein Sinn für Identität" zurückzugeben, wie die Projektentwickler [47] sagen.

Das soll gelingen, indem man ein "high quality living environment" schafft, also Luxuswohnungen für Investoren aus aller Welt. Wenn das nicht reicht, um die Identität wiederherzustellen, schafft man eben Platz für den Nachbau eines Kriegsschiffs [48] von 1678; die garantiert authentische Golden Hinde hat man ja schon. Angedacht ist auch, an der Stätte, wo Drakes Flagschiff einst vor Anker lag und der Freibeuter zum Ritter geschlagen wurde, eine Gedenktafel aufzustellen, wenn erst alles zugebaut ist. So betont man die Verbindung zur großen Vergangenheit.

Gangster, Demagogen und Buchautoren

Mit Downriver hat Iain Sinclair, der Fan von The Long Good Friday, unter dem Eindruck des Thatcherismus eine surreale Apokalypse in zwölf Erzählungen geschrieben. Thatcher selbst (die 1991, kurz vor Erscheinen des Romans, aus dem Amt gedrängt wurde) tritt als "die Witwe" auf, ein Avatar der Roboter-Maria aus Fritz Langs Metropolis. Die Umgestaltung entlang der Themse, von der Tower Bridge flussabwärts, ist für Sinclair eine Form des Kolonialismus. Das ahnt man schon, wenn man die Hardcover-Ausgabe aufschlägt und die zwölf Photopostkarten auf dem Vorsatzblatt sieht: Ein Dutzend Bilder aus der imperialen Vergangenheit Großbritanniens.

Nicht mit Afrika oder Indien, sondern mit der Themse als Schauplatz beschreibt Sinclair die Verdrängung der indigenen Kultur durch eine im Zeichen des Neoliberalismus durchgeführte Stadtentwicklung. "Die Witwe und ihre Bande", heißt es einleitend, hatten beschlossen, dass die Gegend unerfreulich und die beste Option die war, "sie einfach loszuwerden, sie in Stücke zu hacken und unter dem schlimmsten Hoch- und Tiefbau-Haufen seit der Berliner Mauer zu ersticken". In The Long Good Friday wird dasselbe Thema verhandelt, nur dass da ein Gangster aus dem East End die Bande leitet, nicht die Witwe.

Roman wie Film erinnern uns daran, dass der Traum von Britanniens Größe ein kolonialer ist. Harold Shand träumt ihn, weil das Land der EU beigetreten ist und nicht nur Gangster einen Wirtschaftsboom erwarten. Die Brexiteers unserer Tage träumen ihn, weil das Land (oder wenigstens eine Hälfte davon) wieder austreten will. Shand wie die Brexiteers bemühen Glanz und Goria vergangener Jahrhunderte, von Elisabeth I. bis zu Königin Viktoria, in deren Reich die Sonne bekanntlich niemals unterging, um eine goldene Zukunft in Aussicht zu stellen, die sich auf tolle Handelsverträge mit den früheren Kolonien gründet.

Shand plant ein Joint Venture mit der amerikanischen Mafia (die Baugenehmigung für das neue Spielcasino ist schon durch). Und die Inder warten scheinbar nur darauf, mit den ehemaligen Kolonialherren Freihandel zu treiben, sobald diese das Joch der Brüsseler Bürokratie endgültig abgeschüttelt haben. Einmal soll der Wiederaufstieg zu alter Größe innerhalb der EU angetreten werden, einmal außerhalb von ihr. Ansonsten besteht da erstaunlich wenig Unterschied. Immer ist es die Geschichte, die zur Beglaubigung des jeweiligen Projekts herhalten muss.

Jacob Rees-Mogg, Rechtsaußen der Konservativen Partei, hat in diesem Frühjahr ein hingeschludertes Buch über das viktorianische Zeitalter vorgelegt, um sich, sein reaktionäres Weltbild und den Brexit zu promoten. Die unteren Schichten und die Kolonisierten, erfährt man in The Victorians: Twelve Titans who Forged Britain, hatten zwar ein paar "berechtigte Klagen", kommen aber eigentlich nicht vor in Rees-Moggs Modell für die Post-Brexit-Welt, weil die einfach nicht so wichtig waren wie etwa der General Charles Napier, der im heutigen Pakistan ein Blutbad anrichtete, um den Einflussbereich der Ostindienkompanie zu erweitern.

Einzige Titanin neben elf Titanen, die Britannien geformt haben, ist Königin Viktoria, die "nicht weniger Frau wurde, als sie lernte, sich auf [ihren Gatten] Albert als Partner zu verlassen und ihm zu vertrauen". Offenbar war das ihre größte Leistung. Titanenstatus erhält auch ein Anwalt namens Albert Dicey. Er wusste schon damals, dass Referenden vor der Diktatur schützen (bei den Nazis gab es davon eine ganze Menge, weil sich das Volk so schön manipulieren lässt) und für langfristige Stabilität sorgen. Wer würde da widersprechen wollen?

Harold Shand, anders als Rees-Mogg und Johnson nicht mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren, hat weder Zeit noch Neigung, zur Legitimierung des eigenen Projekts ein Buch über große Imperien der Weltgeschichte zu schreiben. Als Selfmade-Unternehmer aus einfachen Verhältnissen geht er die Sache direkter an. Am Anfang des Films erfahren wir, dass er vor zehn Jahren, als er zum König der Londoner Unterwelt aufstieg, seine Gattin Paula durch eine Gefährtin namens Victoria ersetzt hat. Harolds historisch grundierte Ambitionen bestimmen sogar sein Liebesleben. Allerdings sollte er auf der Hut sein.

Shand ist eine Figur in einem Film, der sich wie er auf eine in die Zukunft weisende Vergangenheit bezieht, dies aber nicht mit der Naivität des Gangster-Thatcheristen, sondern um ebenso subtil wie ironisch die Handlung zu kommentieren und Warnzeichen zu setzen. Es gab nicht nur die Königinnen Elisabeth I. und Viktoria, Francis Drake, Tilbury und den Sieg über die Armada in der britischen Geschichte. Harold Shand teilt sich den Vornamen mit zwei Premierministern (Wilson und Macmillan), aber auch mit jenem König, der zuerst, in der Schlacht von Stamford Bridge, das wahre England erfolgreich gegen die Norweger verteidigte, um dann gegen Wilhelm den Eroberer zu unterliegen.

Nach der Schlacht bei Hastings am 14. Oktober 1066 war die im Teppich von Bayeux [49] dargestellte Invasion durch die Normannen nicht mehr aufzuhalten. Für England brachte das - je nach Sichtweise - eine vorteilhafte Anbindung an das zivilisatorisch höher stehende Kontinentaleuropa (das Fundament des englischen Rechtssystems ist ein normannischer Import) oder eine traumatische, bis heute nicht aus dem kulturellen Gedächtnis verschwundene Besetzung durch eine fremde Macht vom Kontinent mit Königen, die in den folgenden 300 Jahren das Französisch der Normannen sprachen.

Für King Harold jedenfalls ging die Sache schlecht aus. Der am häufigsten erzählten Version nach traf ihn ein Normannenpfeil im Auge. Dann war er tot und Wilhelm, der Herzog aus der Normandie, bestieg seinen Thron. Harold, der König der Londoner Gangster, hat die IRA zum Gegner. Am Schluss glaubt er, dass er die Entscheidungsschlacht gewonnen hat. Dann sitzt plötzlich Pierce Brosnan in seiner Luxuslimousine (ein mobiler Thron, gewissermaßen). Der Killer hat eine Pistole dabei. Als Zuschauer mit ein paar Kenntnissen zur Geschichte Englands ahnt man, wohin er zielen wird. Doch der Reihe nach.

Hitler vom Nil

Rekapitulieren wir: Er sei ein Geschäftsmann und außerdem ein Londoner, sagt Shand, der lokalpatriotische Gangster, bei der Flussfahrt mit Investoren, korrupten Politikern und gekauften Polizisten, mit deren Hilfe er die Docklands in ein Paradies für Immobilienspekulanten verwandeln will. Als EU-Mitglied sei Großbritannien keine Insel mehr (eine Albtraum-Vorstellung für Brexiteers), die Anbindung an Europa schaffe ungeahnte Möglichkeiten der Geldvermehrung. Wo sonst gebe es mitten in der Innenstadt ein so großes Areal mit ungenutztem Baugrund wie in London?

Shand tut dabei so, als sei das Interesse Londons identisch mit dem im Rest des Vereinigten Königreichs. Damals war das auch schon falsch, aber man konnte leichter daran glauben, weil die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen mit moderner Infrastruktur ausgestatteten Großstädten und abgehängten Regionen in der Provinz noch nicht so groß war. Die neue Regierungschefin Margaret Thatcher war dabei, das zu ändern, als Mackenzie und seine Filmcrew an Bord der gemieteten Yacht gingen, damit Bob Hoskins im nautischen Francis-Drake-Ambiente seine Rede halten konnte.

Auf Thatchers neoliberaler Agenda stand die Deindustrialisierung des Landes zugunsten des Finanz- und des Dienstleitungssektors. Davon profitierten London und Teile von Südengland. Andere Regionen verarmten (insbesondere der Norden Englands mit seiner einst stolzen Kohle- und Stahlindustrie, aber bei weitem nicht nur dieser) und mussten selber sehen, wo sie blieben, weil es zu Thatchers Politik gehörte, den Staat auf einen reinen Reparaturbetrieb zurückzufahren und den Rest den Kräften des Marktes zu überlassen, die es schon richten würden. Das taten sie nicht.

Thatcher setzte in die Tat um, was Harold Shand den Investoren auf seiner Yacht verspricht. Sie räumte das Alte weg, um den Weg freizumachen für den "profitablen Fortschritt" (Shand), durch den auch die London Docklands unter die Räder kamen, die Werftgelände entlang der Themse mit ihrer Jahrhunderte alten, bis in die Zeit von Elisabeth I. zurückreichenden Geschichte. Stuart Hall [50], der den Begriff "Thatcherismus" prägte, bezeichnet Thatchers politisches, die britische Gesellschaft umkrempelndes Projekt als "reaktionäre Modernisierung".

Hall meint damit die Kombination eines modernen, global ausgerichteten und marktradikalen Kapitalismus mit einer verklärenden, rückwärts gewandten Sicht auf viktorianische Werte und eine glorreiche Vergangenheit, die es wiederzubeleben gelte. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem, was Thatcher damals säte und dem Brexit - inklusive der Spaltung der Gesellschaft, die der Thatcherismus förderte, weil die Namensgeberin die oft mühsam ausgehandelten Kompromisse zwischen Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften (bei schwierigen Fragen sogar unter Einbeziehung der Opposition) verachtete.

Anthony Barnett schreibt in The Lure of Greatness, dass es "England’s Brexit" sei, für den 2016 gestimmt wurde. Die Verlockung der (einstigen) Größe ist in England viel intensiver als in den übrigen Teilen des Vereinigten Königreichs, wo man andere historische und kulturelle Erfahrungen hat. Bezeichnend ist, dass viele Konservative Theresa May nach ihrem Amtsantritt zur neuen "eisernen Lady" hochjubelten, die in die Fußstapfen des großen Vorbilds treten werde. Als sie den Brexit nicht liefern konnte ("deliver Brexit" war bis zuletzt ihr Mantra) wurde sie zur schlechtesten Premierministerin seit Anthony Eden erklärt.

Es gäbe andere Premierminister, mit denen man die überforderte Theresa May vergleichen könnte, aber natürlich muss es Anthony Eden sein, der ins Amt kam, als die Träume vom Empire mit der Wirklichkeit kollidierten. 1945 hatte das Vereinigte Königreich den Krieg gegen Nazi-Deutschland gewonnen und gehörte doch zu den Verlierern, weil der Status als imperiale Großmacht nicht mehr zu halten war. Das wurde den Briten schmerzlich vor Augen geführt, als Gamal Abdel Nasser, der Machthaber in Ägypten, 1956 die Suezkanal-Gesellschaft verstaatlichte, um sein Land aus der britischen Einflusssphäre zu lösen.

Die Suezkanal-Gesellschaft wurde bis zur Verstaatlichung von Briten und Franzosen kontrolliert und mit ihr der Kanal, der sehr wichtig für die Erdölversorgung war. Eden, in seiner früheren Funktion als Außenminister ein bedächtiger Diplomat, war Chef der Regierung, die beschloss, Nasser zu stürzen und Ägypten mit Luftlandetruppen und Royal Marines anzugreifen, mit Franzosen und Israelis als Alliierten. Das ging daneben, was nicht zuletzt an der fehlenden Unterstützung durch die USA lag. Nasser, von den Briten zum "Hitler vom Nil" erklärt, saß anschließend fester im Sattel als zuvor.

Für Großbritannien endete die Suezkrise mit einer schlimmen Demütigung und mit der bitteren Erkenntnis, dass es von der Groß- zur Mittelmacht geschrumpft war und seine Interessen militärisch nur noch durchsetzen konnte, wenn die Amerikaner mit an Bord waren. Imperial gesinnte Engländer, die sich damit nicht abfinden wollen, werfen Eden nicht etwa die nach anfänglichen Erfolgen kläglich gescheiterte Desperadoaktion vor. Sie können ihm nicht verzeihen, dass er die Briten blamierte, statt sie zurück zu alter Größe zu führen. Darum der Vergleich mit Theresa May, die den mit ähnlichen Erwartungen überfrachteten Brexit nicht geliefert hat.

England ohne London

Hinterher ist man immer klüger. Rückblickend lässt sich sagen, dass sich Mays Scheitern bereits in ihrer ersten Rede als Premierministerin abzeichnete. "Weil wir beim Referendum als ein Vereinigtes Königreich abgestimmt haben", sagte sie da, "werden wir als ein Vereinigtes Königreich verhandeln, und wir werden die Europäische Union als ein Vereinigtes Königreich verlassen." Dreimal "ein Vereinigtes Königreich" in einem Satz. May musste das so betonen, weil es nicht der Realität entsprach. Die Briten stimmten gemeinsam ab (am selben Tag), aber nicht als "ein Vereinigtes Königreich".

Wer, wie Theresa May in ihrer Rede, von den "vier Nationen in unserem Vereinigten Königreich" spricht und dann das Gesamtergebnis zum einzig relevanten Resultat erklärt (eine Mehrheit von nicht ganz 1,3 Millionen Stimmen für den Brexit), macht es sich zu einfach. Man kann das auch anders betrachten, nämlich regional. Dann stellt man fest, dass es nur in England (53,3 Prozent) und Wales (52,5) eine Mehrheit für den Austritt gab. Deutlicher fiel in Schottland (62 Prozent) und Nordirland (55,8) die Mehrheit für den Verbleib in der EU aus.

Barnetts Meinung nach sollte man sogar von fünf Landesteilen sprechen, wenn man versuchen will, das Ergebnis des Referendums und die möglichen Auswirkungen auf das "eine Vereinigte Königreich" zu verstehen. In London waren 60 Prozent der Wahlberechtigten, die am Referendum teilnahmen, für den Verbleib in der EU, im restlichen England 55,4 Prozent dagegen. In England ohne London war die Wahlbeteiligung am höchsten, und dort leben die meisten Menschen. 55,4 Prozent heißt umgerechnet: eine Mehrheit von gut 2,5 Millionen Stimmen für den Brexit.

Im Rest des Landes war eine Mehrheit von nicht ganz 1,5 Millionen Referendumsteilnehmern für den Verbleib. Daraus ergibt sich der Sieg der Brexiteers mit einem Vorsprung von gut einer Million Stimmen. Wem das zuviel Arithmetik ist: Man kann es auch anders formulieren. Es ist nicht "England’s Brexit", der seit 2016 geliefert werden soll (der von Schottland und Nordirland sowieso nicht, und der von Wales nur knapp), sondern der von England ohne London. Am Resultat des Referendums zeigt sich nicht, wie vereinigt das Königreich ist, sondern wie zerrissen. Kein Wunder, dass die Zustellung des Brexit nicht funktioniert.

Und was hat das mit Harold Shand zu tun, der im Geiste des Thatcherismus ein Bauprojekt plant, um sein schmutziges Geld zu waschen und den Sprung ins legale Geschäftsleben zu schaffen? Shand agiert genauso wie Theresa May und ihr Nachfolger Boris Johnson, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Alle drei versprechen (versprachen) den Investoren/Wählern eine glänzende Zukunft, in der Britannien wieder groß sein wird: Harold, weil das Land in die EU eingetreten ist und Theresa und Boris, weil es wieder austreten wird. Man muss das Brexit-Drama nicht immer mit Shakespeare oder dem alten Rom vergleichen. Ein Gangsterfilm reicht aus.

Shand setzt London und dessen Interessen mit denen des ganzen Landes gleich. Vierzig Jahre und ein Referendum später tat ein Stück flussaufwärts die Tory-Chefin so, als stelle sie dem gesamten Königreich ein Wunschpaket zu und nicht - spiegelbildlich zum Gangsterboss - England ohne London. Inzwischen ist auch Theresa May auf ihrem Weg in eine grandiose Zukunft an den ungelösten Problemen einer kolonialen Vergangenheit gescheitert, ohne die Britanniens Größe schwer denkbar ist. Der Stolperstein war Irland, die Jahrhunderte lang von den Engländern besetzte und 1921 geteilte Nachbarinsel.

Vom Bürgerkrieg zum kalten Frieden und zurück?

The Long Good Friday ist ein Film, der sehr genau auf die Details achtet. Vor zehn Jahren hat Harold den Bandenkrieg gewonnen, der ihn nach oben spülte. Ebenfalls vor zehn Jahren haben in Nordirland die "Troubles" begonnen, die weiter andauern. Während die einen den auf Gewalt beruhenden Frieden genießen (Harold hat alle seine Rivalen umgebracht) sind die anderen im Bürgerkrieg. Auf Dauer, sagt der Film, kann das nicht gut gehen, weil Nordirland wie eine schwelende Wunde ist, die sich nicht isolieren lässt.

Prompt scheitert Harolds "Make Britain great again"-Projekt daran, dass ihm die IRA in die Quere kommt. Die Fiktion holt damit nur nach, was in der Realität längst der Fall war, denn die IRA hatte den Bombenterror von Nordirland nach England (mit London) ausgeweitet. Als Barrie Keeffe das Drehbuch zu The Long Good Friday schrieb war kaum vorstellbar, dass die Bürgerkriegsparteien zwanzig Jahre später, am Karfreitag 1998 (ein schöner Zufall), ein Friedensabkommen unterzeichnen würden. Noch weniger war vorstellbar, dass das Vereinigte Königreich eines Tages aus der EU wieder austreten würde.

Auch wenn es angesichts eines durch den Brexit gespaltenen Landes schwer zu glauben ist: In allen Umfragen zu den Problemen britischer Bürger rangierte die Frage der EU-Mitgliedschaft ganz weit hinten, bis David Cameron in der irrigen Annahme, so eine radikale Minderheit von EU-Gegnern in seiner Partei mundtot machen zu können, ein Referendum versprach. Nicht umsonst waren es zwei seiner Vorgänger, die ehemaligen Premierminister John Major und Tony Blair, die im Vorfeld der Abstimmung durch das Land reisten und vor neuen "Troubles" warnten.

Ansonsten wurde das Thema mit derselben Ignoranz behandelt, mit der Harold Shand auf die Bedrohung durch die IRA reagiert. Major und Blair hingegen wussten aus eigener Erfahrung, wie schwierig es gewesen war, nach vielen Rückschlägen dieses Abkommen zustande zu bringen, mit dem aus dem nordirischen Bürgerkrieg zwischen katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten ein "kalter Frieden" wurde. Sie wussten auch, dass das nur gelungen war, weil Großbritannien und die Republik Irland in der EU waren. So konnte man auf Grenzkontrollen verzichten und die dafür nötige Infrastruktur abbauen.

Im Umkehrschluss muss man kein Alarmist sein, um zu befürchten, dass alles von vorne losgeht, falls erneut Kontrollen nötig werden sollten. Der mittlerweile berüchtigte "Backstop"in Mays Austrittsvertrag mit der EU sollte verhindern, dass es nach dem Brexit wieder eine sichtbare Grenze gibt - wobei sie für diejenigen, die sie erlebt und erlitten haben, bis heute [51] so unsichtbar nicht ist. Wahrscheinlich muss man ein Brexiteer mit imperialen Reflexen und einem Hang zur Realitätsverweigerung sein, um zu verkennen, was da an Sprengstoff liegt.

Ob Johnsons "neuer" Deal mit der EU die Probleme wirklich löst darf bezweifelt werden. Der Plan, die Zollgrenze in die Irische See zu verlegen, war ursprünglich Bestandteil des May-Deals, bis Mays Mehrheitsbeschaffer von der nordirischen Democratic Unionist Party ihr Veto einlegten. Von den Briten durchgeführte Kontrollen in nordirischen Häfen, in welcher Form auch immer, sind für Unionisten ein Schritt zur Abspaltung Nordirlands von Großbritannien, so wie Kontrollen zwischen der Republik Irland und Nordirland für irische Nationalisten eine Teilung ihrer Insel zementieren, die sie überwinden wollen. Auf beiden Seiten, bei Unionisten wie Nationalisten, gibt es ein beträchtliches Gewaltpotential.

Johnsons Entschluss, seinen Aus-alt-mach-neu-Deal gegen den Widerstand der DUP zur Abstimmung zu stellen, hat bei den Unionisten die Befürchtung verstärkt, dass die Brexiteers letztlich bereit sein könnten, Nordirland zu opfern, um ungehindert in die grandiose Zukunft zu segeln. Kampflos würden die Unionisten das nicht hinnehmen. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Briten in der Vergangenheit hohe Strafzahlungen an Brüssel leisten mussten, weil sie bei Warenimporten von außerhalb der EU zu lasch kontrollierten. Sollte aus Nordirland ein Einfallstor für Schmuggler und Umsatzsteuerbetrüger werden ist damit zu rechnen, dass schnell wieder über Kontrollen an der inneririschen Grenze debattiert wird.

Harold Shand erlebt das irische Dilemma vom anderen Ende der Entwicklung her, die sich im schlimmsten Fall als Kreisbewegung erweisen könnte, von einem Bürgerkrieg (beendet nach dem EU-Beitritt) zu einem anderen (gestartet nach dem Austritt). Während er auf der Yacht noch seinen Patriotismus bekundet und von der großen Historie spricht, an die er anknüpfen will, um den profitablen Fortschritt zu gestalten, hat ihn die Vergangenheit bereits eingeholt. Die IRA hat zwei seiner Leute getötet, Eric und Colin, seine Mutter liegt im Krankenhaus. In Harolds Casino wurde eine Bombe gelegt, die nicht detonierte.

König der Unterwelt und andere Royals

Harold kann sich nur vorstellen, dass jemand den Immobiliendeal mit der Mafia torpedieren will, weiß aber nicht, wer das sein könnte. Seit zehn Jahren ist er unumstrittener König der Londoner Unterwelt, und so lange herrscht Frieden zwischen den Gangs. Zeitlich fällt der Beginn von Harolds Vorherrschaft zusammen mit dem Ende der Krays und der Richardsons, die sich einen Bandenkrieg lieferten und nach Sensationsprozessen zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Barrie Keeffe, der Drehbuchautor, kannte sich aus, weil man ihn als jungen Lokalreporter des Stratford Express oft da hingeschickt hatte, wo Blut geflossen war.

Zum Gefühl des Authentischen, das einem der Film vermittelt, trägt auch die Besetzung von Darstellern wie des in Deptford aufgewachsenen P.H. Moriarty [52] bei, der in den Docks als Schauermann arbeitete, als er für die Schauspielerei entdeckt wurde. In The Long Good Friday heißt er so wie das Werkzeug, das er zur Berufsausübung braucht: Razors. Er spielt einen Villain, also einen dieser Gangster, die mit Gewalt und Einschüchterung ihr Geld verdienen. (Wer Guy-Ritchie-Filme mag hat ihn vielleicht als Hatchet Harry in Lock, Stock and Two Smoking Barrels gesehen.)

König der Unterwelt und andere Royals (10 Bilder) [53]

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The Long Good Friday

Bei einer denkwürdigen Autofahrt sinniert Shand darüber, wer Böses gegen ihn im Schilde führen könnte. "Wer ist groß genug, um es mit dir aufzunehmen?", fragt Razors. "Na ja, da waren schon ein paar", sagt Harold. "Wer zum Beispiel?", will Razors wissen. Harold überlegt. "Nein", sagt er dann. "Sie sind alle tot." Shand hat umgebracht, wer ihm hätte gefährlich werden können. Darum ist er jetzt so ratlos. Auf der Rückbank sitzt Jeff, seine rechte Hand. Mackenzie zeigt ihn uns in einem Zwischenschnitt, während Harold und Razors darüber reden, wer hinter den Anschlägen stecken könnte. Jeff weiß es, behält es aber für sich.

Die Drei sind auf dem Weg zum King George V Dock, wo Parky auf sie wartet, der auf Harolds Lohnliste stehende Chefinspektor. Nichts in The Long Good Friday ist ohne (historischen) Hintersinn. Gebaut von 1912 bis 1921 (mit einer Unterbrechung im Ersten Weltkrieg) ist dieses Dock das letzte Hafenbecken, das in London unterhalb der Tower Bridge angelegt wurde. Ein Jahr, nachdem Mackenzie dort drehte, 1980, wurde es zusammen mit den beiden anderen Royal Docks, dem Royal Albert Dock und dem Royal Victoria Dock, für den Frachtschiffverkehr geschlossen.

Benannt ist die Hafenanlage nach dem Souverän aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha, der von 1910 bis 1936 auf dem britischen Thron saß und seine Dynastie 1917 in Windsor umbenannte (nach der Stadt mit der royalen Residenz), weil der bisherige Name, anglisiert zu Saxe-Coburg and Gotha, Zweifel an der Loyalität der Königsfamilie weckte. In einer Phase der Geschichte, in der man gegen die deutsche Verwandtschaft Krieg führte, schien es ratsam, die eigene Englishness zu betonen. Für einen Film, in dem der König (der Unterwelt) so gern davon redet, wie Englisch er ist und was die Welt den Engländern zu verdanken hat, ist dieses historische Detail nicht ganz unbedeutend. Wichtiger ist aber etwas anderes.

George V war der letzte britische Monarch, der sich König von Großbritannien und Irland nennen durfte. Nach dem Irischen Unabhängigkeitskrieg und dem Anglo-Irischen Vertrag von 1921, der zur Teilung der Insel führte, war er nur noch König von Großbritannien und Nordirland. Seither kämpft die IRA für ein Vereinigtes Irland. Als Mensch mit einem Sinn für Geschichte, der zu sein er vorgibt, könnte Shand auf der Fahrt zum King George V Dock durchaus eine Idee haben, wer die Bombenleger sind. Er denkt aber nur an mit ihm konkurrierende Gangster, weil sein Horizont beschränkt ist.

Gefrierfleisch und Himbeereis

Die wichtigste Ware, die durch das Dock ging, bevor man in den 1960ern auf (für die Londoner Häfen zu große) Containerschiffe umstellte und die Transportaktivitäten mehr und mehr nach Tilbury verlagert wurden (da, wo Elisabeth I. ihre berühmte Rede hielt), war tiefgekühltes Fleisch. Der Bademeister, an dessen Arbeitsplatz Colin erstochen wird, weiß deshalb gleich, wie mit der Leiche zu verfahren ist. Der tote Colin wird im Schwimmbad von einem (unverdächtigen) Eiscremeauto abgeholt und wie Gefrierfleisch in den Kühlraum eines Schlachthofs gebracht, wo er bleiben soll, bis man den Körper unauffällig entsorgen kann.

Dieser Gangsterfilm hat die Eigenschaften, die sich die Immobilienbranche gerne zuschreibt, um ihre Bauprojekte genehmigt zu kriegen und die Preise für ihre Produkte in die Höhe zu treiben: Ortsbewusstsein und einen Sinn für Identität. Im Schlachthof wird Shand, der ein angesehener Geschäftsmann sein will und von einem Ritterschlag träumt, wie er dem Piraten Francis Drake zuteil wurde, zu seinen alten Praktiken zurückkehren und zeigen, dass er doch nur ein Metzger ist.

Gefrierfleisch und Himbeereis (13 Bilder) [55]

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The Long Good Friday

Vorher, im Schwimmbad, hat Shand einen der nostalgischen Momente, in denen er darüber klagt, dass früher alles besser war. Früher, sagt er, hätte Colin - sein ältester Freund, der ihm in der gemeinsamen Zeit beim Militär sogar das Leben gerettet hat - ein anständiges Begräbnis erhalten. Jetzt wird er im Eiswagen weggefahren. Harold jammert über die Würdelosigkeit von Colins Ende: "Going out like a raspberry ripple."

Das ist einer der vielen gelungenen, in Zusammenarbeit von Keeffe, Mackenzie und Hoskins entstandenen Gangsterdialoge des Films, die man kaum adäquat übersetzen und schon gar nicht deutsch synchronisieren kann. Das in Großbritannien seit den 1920ern sehr beliebte Raspberry Ripple ist so alt wie das King George V Dock. Nach einer langen Ganovenkarriere macht Colin seinen Abgang als eine Portion Vanilleeis mit eingespritztem Himbeersirup, wodurch das Eis aussieht, als ob es rote Rippen hätte. (Im Slang der Cockneys ist raspberry ripple auch - je nach Situation - ein Synonym für Krüppel oder Brustwarze, weil sich ripple auf cripple und nipple reimt.)

Der Gangsterboss könnte dafür sorgen, dass der gute alte Freund in allen Ehren bestattet wird, doch so weit geht die Sentimentalität dann doch nicht. Harold ist ein Mann der Zukunft und nicht der Vergangenheit, deren Leichen nur die Geschäfte stören. Also steckt er dem Bademeister einen großen Schein zu. Das ist der Dank dafür, dass der Mann den Mord vertuscht und bereits den Abtransport organisiert hat. Mackenzie beendet die Szene mit grimmiger Ironie. In der letzten Einstellung sieht man Handtücher, rot gerippt mit Colins Blut. Dazu ist das mit dem Blut getränkte Badewasser zu hören, das in den Abfluss läuft.

Wie es weitergeht erfährt man im zweiten Teil, in dem wir uns einem mit Bob Hoskins befreundeten Celebrity-Gangster zuwenden werden, dem Kampf für ein Großbritannien, das wieder weiß werden soll und einem der bedrückendsten britischen Politskandale der letzten Jahrzehnte:

Der Traum vom besseren Leben: Biffo, die fliegende Minirocknonne und ein Schiff aus der Karibik [57]


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[36] https://www.youtube.com/watch?v=xPgmRejo26w
[37] https://www.youtube.com/watch?v=41h3ex7GqbQ
[38] https://www.youtube.com/watch?v=fbjj9Nmn6ZU
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[43] https://www.youtube.com/watch?v=SVUemAsXGO8
[44] https://www.telegraph.co.uk/news/2016/05/14/boris-johnson-interview-we-can-be-the-heroes-of-europe-by-voting/
[45] https://www.theguardian.com/politics/2017/aug/18/bridge-940m-bill-boris-johnsons-mayora-vanity-projects-garden-bridge-routemaster-bus
[46] https://www.andyworthington.co.uk/2014/04/28/as-boris-johnson-approves-monstrous-convoys-wharf-development-new-campaign-opposes-236-planned-towers-in-london/
[47] https://www.convoys-wharf.com/
[48] http://www.buildthelenox.org/
[49] http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost11/Bayeux/bay_tama.html
[50] https://www.versobooks.com/blogs/2448-stuart-hall-gramsci-and-us
[51] https://www.youtube.com/watch?v=LIBwEFny5Ik
[52] https://www.echo-news.co.uk/news/8997749.master-gangster-is-big-softie/
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[57] https://www.heise.de/tp/features/Der-Traum-vom-besseren-Leben-Biffo-die-fliegende-Minirocknonne-und-ein-Schiff-aus-der-Karibik-4584551.html