Mangelwirtschaft, Ethik und Eventim

Impfausweis als zusätzliche Eintrittskarte für Konzerte? - Eventim will sich noch nicht festlegen. Symbolbild: Pixabay / Public Domain

Der Deutsche Ethikrat ist vorerst gegen Erleichterungen nur für Geimpfte. Er begründet dies mit Mangel an Vakzinen und Erkenntnissen. Ein Tickethändler fühlt sich missverstanden

Der Deutsche Ethikrat hält es für falsch, Covid-19-Beschränkungen für Geimpfte früher zu beenden - zumindest, solange nicht ausreichend Vakzine vorhanden sind, um die gesamte Bevölkerung durchzuimpfen und es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, inwieweit Geimpfte eine unerkannte Infektion mit dem Coronavirus weitergeben können. "Solange sich nicht alle Personen impfen lassen können, würde ein Teil der Bevölkerung eine individuelle Rücknahme staatlicher Freiheitsbeschränkungen nur für bereits Geimpfte als ungerecht empfinden", gibt der Ethikrat in einer am Donnerstag veröffentlichten "Ad-hoc-Empfehlung" zu bedenken.

"Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte aufgrund der noch nicht verlässlich abschätzbaren Infektiosität der Geimpften eine individuelle Rücknahme staatlicher Freiheitsbeschränkungen für geimpfte Personen nicht erfolgen." Stattdessen sollten "mit dem Fortschreiten des Impfprogramms" die allgemeinen Beschränkungen "schrittweise zurückgenommen werden". Als Maßstab hierfür seien aber statt der reinen Infektionszahlen die Hospitalisierungszahlen sowie die Anzahl schwerer Krankheitsverläufe und Todesfälle heranzuziehen.

Spielraum für private Anbieter

In der Stellungnahme geht der Ethikrat auch auf mögliche Beschränkungen durch private Anbieter ein. Der Chef des Online-Tickethandels CTS Eventim, Claus-Peter Schulenburg, hatte zuvor in einem Interview laut darüber nachgedacht, beispielsweise Konzertbesuche vom Impfausweis abhängig zu machen. "Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen", hatte Schulenburg am Mittwoch der Wirtschaftswoche gesagt.

Nach teils empörten Reaktionen im Netz stellte Eventim klar, dass er sich damit selbst noch nicht habe festlegen wollen: "Es ist falsch, dass CTS Eventim die Teilnahme an Konzerten und Veranstaltungen an eine Impfung gegen das Coronavirus binden will", twitterte die Social-Media-Abteilung des Unternehmens.

Der Ethikrat erklärt hierzu allgemein, dass "Einschränkungen der Vertragsfreiheit" privater Anbieter gerechtfertigt sein könnten, "wenn der Zugang zu ihren Angeboten für eine prinzipiell gleichberechtigte, basale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unerlässlich ist".

Letzteres dürfte sehr unterschiedlich empfunden werden. Die an Konzert- und Festivalbesuchen meistinteressierte Altersgruppe der 20- bis 29jährigen wird zur Zeit allerdings noch gar nicht gegen Covid-19 geimpft - mit Ausnahme derer, die in sensiblen Einrichtungen arbeiten oder selbst von Vorerkrankungen betroffen ist, die einen schweren oder tödlichen Verlauf begünstigen. Aktuell werden Impftermine vor allem an Menschen im Alter ab 80 Jahren vergeben.

Isolation in Heimen soll "schnellstmöglich" enden

Dringenden Lockerungsbedarf sieht der Ethikrat aktuell für diejenigen, deren Lebenszeit auch ohne Infektion eng begrenzt ist und die wegen der strengen Corona-Regeln in entsprechenden Heimen Gefahr laufen, einsam zu sterben. "Die noch immer bestehenden gravierenden Isolationsmaßnahmen in Pflege-, Senioren-, Behinderten- und Hospizeinrichtungen" sollen demnach "mit dem Fortschreiten des Impfprogramms schnellstmöglich aufgehoben werden". Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtungen, die aufgrund spezieller Vorerkrankungen oder ihres Allgemeinzustands nicht geimpft werden können, sollten dann "über die weiter geltenden allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen hinaus mithilfe anderer Maßnahmen (FFP2-Masken, Schutzkleidung für Pflegekräfte, Schnelltests etc.) besonders geschützt werden".

Die "pauschale Aufrechterhaltung" der rigiden Kontaktrestriktionen für alle Bewohnerinnen und Bewohner solcher Einrichtungen - mit erwartbaren Konsequenzen wie Depressionen, dem schnelleren Fortschreiten von Demenz oder schlicht dem Verlust des Lebenswillens - wäre aber nach Meinung des Ethikrats nicht mehr angemessen.

Dessen Vorsitzende Prof. Dr. Alena Buyx sprach sich bei der Vorstellung der Empfehlungen am Donnerstag in der Bundespressekonferenz in Berlin dagegen aus, von "Privilegien" für Geimpfte zu sprechen: "Ich würde mich freuen, wenn man den Begriff nicht mehr benutzen würde." Die Wortwahl sei unpräzise und sorge für eine unnötige Verschärfung der öffentlichen Debatte.