Maskenpflicht in Frankreich: Freiheitsstrafe für wiederholtes Nichtbefolgen
In Hunderten von Gemeinden und Städten ist das Tragen von Schutzmasken auch im Freien Pflicht
In 340 französischen Städten und Gemeinden gibt es derzeit eine Maskenpflicht, entweder ausschließlich für Märkte - das macht etwa die Hälfe aus -, oder ausgeweitet auf "bestimmte Zonen": Strände, Häfen und besonders belebte Plätze in der Innenstadt. In manchen Orten gilt die Tragepflicht nur nachts, andere wiederum sehen dies auch tagsüber für große Teile der Innenstadt vor. Die Regelungen sind unterschiedlich.
Nizza, Toulouse, Biarritz und Bayonne, La Rochelle und Lille gehören zu den bekanntesten größeren Städten, wo die Verwaltungen eine Pflicht zum Tragen des Nasen-Mundschutzes in der Öffentlichkeit verhängt haben. Angeordnet wird dies entweder von den Bürgermeistern oder Präfekturen, die Regierung hat die Möglichkeit dafür Ende Juli bekannt gemacht, aber dies nicht angeordnet.
Auch die Pariser Bürgermeisterin machte nun ihre Absicht öffentlich, für bestimmte Zonen in der Hauptstadt eine Maskenpflicht anzuordnen.
Öffentliche Kritik daran findet sich bislang hauptsächlich in sozialen Netzwerken. In den reichweitenstarken großen Medien ist kaum etwas zu finden. Die liberale Zeitung L'Opinion veröffentlicht einen dreiminütigen Videoclip, der anhand von Zitaten aus der Regierung die Kurzgeschichte einer erstaunlichen Kurswende zum Maskentragen dokumentiert.
Wende in die Gegenrichtung
Sie fängt an mit den Worten des vor kurzem zurückgetretenen Regierungschefs Edouard Philippe, der vor Wochen erklärte, dass das Tragen von Schutzmasken in den Straßen "nichts nützt". Auch die frühere Gesundheitsministerin Agnès Buzyn wird im Video mit einer Erklärung zitiert, dass es keinen Anlass gebe, Masken zu tragen; ihr Nachfolger Olivier Véran äußerte sich zu Anfang seiner Amtszeit ähnlich. Für die Bevölkerung sei das Tragen der Masken "weder zu empfehlen noch nützlich".
Der Kurs der Regierung hatte dann mit dem Lockdown (französisch: Confinément) im April eine Wende in die Gegenrichtung vollzogen. Erklärt wurde dies von den Regierungspolitikern mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen; ab und an gab es auch Eingeständnisse, dass die ablehnenden Äußerungen zuvor auch mit Versorgungsschwierigkeiten zusammenhingen. In Frankreich gab es große Probleme, für genügend Masken selbst beim Personal in den Krankenhäusern zu sorgen.
Jetzt scheint es genügend zu geben; diskutiert wird nun, ob man sie den Haushalten, die wenig Geld haben, kostenlos zur Verfügung stellt. Mit Kritik am Kurs der Regierung gehen die französischen Medien recht sparsam um; es gibt sie, aber sie sorgt anders als die Kritik in Deutschland an den Corona-Maßnahmen und am Vorgehen der Regierung bislang für wenig öffentliche Unruhe. Anders als in Deutschland bleiben Demonstrationen untersagt.
Strafen
135 Euro Bußgeld kostet es, wenn eine Person gegen die Verpflichtung zum Maskentragen verstößt - nicht nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Gebäuden, sondern auch für Fußgänger draußen, "en extérieur", wie der Figaro heute noch einmal ins Gedächtnis ruft und dazu unterstreicht, dass es für "Wiederholungstäter" sehr teuer werden kann: 1.500 Euro Strafe kostet es beim zweiten Mal und 3.750 Euro sowie eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten riskiert eine Person, die zum dritten Mal gegen die Pflicht zum Tragen einer Maske verstößt.
Die Beunruhigung angesichts steigender Infektionszahlen, von der die Medien seit einiger Zeit schon berichten, wurde gestern durch die Veröffentlichung des Berichts des Wissenschaftlichen Rats, weiter genährt. Der Bericht ist als Empfehlung ausgewiesen. Sein Titel mahnt die "Vorbereitung auf die Rückkehr des Virus im Herbst an". Indessen spricht der neue Premierminister Jean Castex bei seinen Auftritten davon, dass das Virus "keinen Urlaub macht".
"Fragiles Gleichgewicht"
Das Gleichgewicht sei fragil, die Situation könne jederzeit kippen und zu einer unkontrollierten Wiederkehr der Epidemie in Frankreich führen, lautet ein Kernsatz des Berichts des conseil scientifique, der heute seine Kreise durch alle großen französischen Medien zieht. Gewarnt wird vom Wissenschaftlichen Rat, der bei den politischen Entscheidungen der Regierung zur Begrenzung der Epidemie "federführend mitwirkt" vor einem "wenig kontrollierten Szenario wie in Spanien".
Bei France Info kommt ein Virologe zu Wort, der zu einer Relativierung rät. Man sei in Frankreich nicht in einer Phase wie im März. Es werde signalisiert, dass das Virus zirkuliert. Aber von einer Panik, die die ganze Bevölkerung betreffe, will Alexandre Bleibtreu, der in Krankenhaus La Pitié Salpêtrière in Paris arbeitet, nicht sprechen.
Derzeit gebe es genaue Zahlen vor allem, wenn es um die Einlieferungen ins Krankenhaus gehe und Einlieferungen auf Intensivstationen sowie die Todesfälle. Bei den Infektionen sei man im Dunklen darüber, wer infiziert ist, aber keine Symptome zeige. Weswegen Bleibtreu nicht von einer zweiten Welle sprechen will, sondern lieber von einem "Eisberg". Eine echte Entwarnung ist das auch nicht.
Die Zahlen der Einlieferungen in die Intensivstationen geben demgegenüber noch keinen Anlass zur Panik. Seit Freitag zählt man 13 Fälle von insgesamt 384, wie berichtet wird. Die Indikatoren für die Inanspruchnahme von Intensivstationen und Krankenhäusern hätten sich "nicht auf eine wichtige Weise gesteigert", so die bisher letzte Meldung von Santé Publique.
Dort wird allerdings auch von einer Steigerung bei den Zahlen der Neuinfizierten berichtet. In der Woche vom 20. bis 26. Juli habe man eine Zunahme von 54 Prozent festgestellt (5.592 wird als Gesamtzahl der Neuinfizierten genannt). Zudem sei die Marke von 1.000 neuen Fällen pro Tag überschritten worden.