Maskenpflicht von Oktober bis Ostern?

Corona: Bundesländer fordern gesetzliche Voraussetzungen für schärfere Maßnahmen, Regierung erwägt generelle "O-O-Regel"

Aus der Regierungskoalition werden Überlegungen laut, ab Oktober eine Maskenpflicht einzuführen. Wie die Welt am Sonntag vom Bundeskanzleramt erfuhr, werde "eine solche Verpflichtung als eine von mehreren möglichen Regelungen für die anstehende Novellierung des Infektionsschutzgesetzes in Erwägung gezogen".

Laut der Sonntagszeitung, die sich dabei auf Informationen aus Regierungskreisen beruft, ist die sogenannte "O-bis-O-Regel" im Gespräch. Das hieße, dass von Oktober bis Ostern eine Maskenpflicht für Innenräume gelten soll. Die Regel stammt aus einem völlig anderen Bereich: dem der Winterbereifung für Autofahrer. Und: Sie ist eine Empfehlung. "O-bis-O" für Winterreifen sei eine "Faustformel", ein "grober Hinweis", wie der ADAC erklärt, "rechtlich ohne Relevanz":

Eine generelle Winterreifenpflicht gibt es in Deutschland nicht, stattdessen eine situative.

ADAC

Pflicht seien Winterreifen nur bei winterlichen Straßenverhältnissen, wenn es kritisch wird. Wieso nicht auch diesen Grundsatz beherzigen, wenn es um bei Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus geht, da man ohnehin schon mit einer derartigen Regelübernahme liebäugelt?

Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen drängen laut SZ im Vorfeld der Konferenz der Gesundheitsminister, die morgen und übermorgen stattfindet, darauf, gesetzliche Voraussetzungen für schärfere Schutzmaßnahmen zu schaffen. "Dazu zählen insbesondere Maskenpflicht in Innenräumen, 3-G/2-G-Zugangsregeln, Testpflichten, Personenobergrenzen und Kontaktbeschränkungen", wird aus dem Vorschlag der vier Länder zitiert.

Am 23. September läuft das Infektionsschutzgesetz in der bisherigen Form aus. Bislang hieß es aus Berlin, dass die Regierung nach der Sommerpause über eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes beraten wolle.

Laut der aktuellen SZ-Meldung fordern die vier genannten Länder, dass die Koalition noch vor der Sommerpause eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorlegen soll. Außerdem wollen die Länder, dass sie stärker in die Gestaltung einbezogen werden.

Uneinigkeit in der Koalition

Ohnehin müssen, wie es aussieht, schon innerhalb der Ampel-Koalition einige Brücken geschlagen werden. Zwar rechnet Gesundheitsminister Lauterbach, der mit der Winterreifen-Regel offenbar viel anfangen kann, mit einer schnellen und einvernehmlichen Lösung bei der Wiedereinführung einiger Corona-Maßnahmen im Herbst ("Das Drama, auf welches jetzt alle warten, wird ausbleiben"). Aber Justizminister Marco Buschmann meldete schon Zweifel an der Maskenpflicht an. Er setzt auf Freiwilligkeit.

Ich habe nichts gegen die Maske, meine Frau und ich tragen sie auch, wenn wir in den Supermarkt gehen – aber eben freiwillig. Will der Staat Masken vorschreiben, etwa in Innenräumen, muss das evidenzbasiert und verhältnismäßig sein. Ob das der Fall ist, besprechen wir, wenn alle Gutachten vorliegen.

Marco Buschmann

Die Evaluation der bisherigen Coronamaßnahmen durch den Sachverständigenrat, auf die sich Buschmann bezieht, soll am 30. Juni vorgelegt werden. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats warnte jedoch schon vor "zu hohen Erwartungen" an die Stellungnahme der Kommission. Man werde keine Empfehlungen an die Politik abgeben.

Evidenz

Indessen heizt sich die Diskussion auf. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, kritisiert den Justizminister scharf:

Problematisch an Buschmanns Aussage ist nicht das Abwarten des Expertenvotums, sondern dass er Spielraum für Diskussionen über den wissenschaftlich erwiesenen Schutz von Masken lässt.

Frank Ulrich Montgomery

Die wissenschaftliche Evidenz zum Sinn einer Maskenpflicht und von Impfen bezeichnete Montgomery als "erdrückend".

Der damit statuierte wissenschaftliche Konsens wird aber nicht von allen geteilt; verwiesen wird auf Studien, die ein uneinheitliches Bild ergeben, mit Widersprüchen zur Behauptung einer wissenschaftlich erwiesenen Evidenz.

Es geht um die Glaubwürdigkeit der Politik. Die Verabschiedung von Präventivmaßnahmen, die zum Beispiel nicht die tatsächliche Situation in den Krankenhäusern berücksichtigen oder die örtliche Situation, ist nach zwei Jahren Erfahrungen mit Corona-Maßnahmen der Weisheit letzter Schluss?