Mehr Hunde als Kinder: Warum Haustiere uns so wichtig sind

Statt einem Kind schauen fünf Mini-Yorkshire mit Haarschmuck aus einem Kinderwagen.

(Bild: Wulandari Wulandari / Shutterstock.com)

In einigen Ländern gibt es inzwischen mehr Hunde als Kinder. Was steckt hinter diesem Trend? Eine ungarische Forscherin hat eine überraschende Erklärung.

Manche Menschen betrachten ihre Hunde wie Familienmitglieder oder sogar wie ihre eigenen Kinder. Einige schätzen ihren Vierbeiner mehr als jeden anderen Menschen. Ist das nur eine Marotte von übereifrigen Hundebesitzern? Oder steckt mehr dahinter?

Professorin Enikő Kubinyi von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest hat dazu eine spannende Theorie aufgestellt. Sie glaubt, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der steigenden Zahl an Hunden und den sinkenden Geburtenraten gibt – aber nicht so, wie man vielleicht denken könnte.

Auch in Deutschland ist der Trend zu beobachten: Laut Statistik leben hierzulande derzeit knapp 10,9 Millionen Kinder unter 14 Jahren. Die Zahl der Hunde liegt mit 10,5 Millionen fast gleichauf. Zum Vergleich: Katzen gibt es sogar noch mehr, nämlich 15,7 Millionen.

Während die Kinderzahl nach einem jahrelangen Rückgang seit 2014 wieder leicht ansteigt, nimmt die Zahl der Hunde kontinuierlich zu. Doch warum entscheiden sich manche Menschen eher für einen Hund als für ein Kind?

Sind Hunde die neuen Kinder?

"Manche sagen, Hunde seien die neuen Kinder, während andere diese Idee empörend finden", erklärt Kubinyi. "Papst Franziskus beispielsweise hat es als egoistisch bezeichnet, dass Kinderlose Haustiere verwöhnen."

Tatsächlich deuten einige Studien darauf hin, dass Hundebesitzer oft eine negativere Einstellung zur Elternschaft haben, so Kubinyi. Mütter, die Hunde besitzen, empfinden demnach die Kindererziehung häufig als belastender. Das könnte ihre Bereitschaft verringern, mehr Kinder zu bekommen. In manchen Fällen können Hunde sogar Beziehungen belasten.

Doch es gibt auch Argumente dafür, dass Hunde die Geburtenrate sogar erhöhen könnten. "Familien mit Kindern besitzen eher Hunde", so Kubinyi. "Und einige Paare betrachten ihr Haustier als eine Art Übungskind, als Vorbereitung auf die Familiengründung."

Außerdem finden Frauen demnach Männer mit Hunden attraktiver, was die Chancen auf Vaterschaft steigern könnte. Hunde ersetzen also nicht unbedingt Kinder, sondern können auch ein Schritt auf dem Weg zur Elternschaft sein.

Wenn soziale Netzwerke bröckeln

Doch warum werden Hunde für viele Menschen immer wichtiger? Kubinyi glaubt: "Die Zahl der Kinder geht nicht zurück, weil die Zahl der Hunde steigt. Aber hinter beiden Phänomenen steht derselbe Trend: die Veränderung sozialer Netzwerke."

Früher sei die Kinderbetreuung eine Gemeinschaftsaufgabe gewesen. Doch in modernen Gesellschaften seien diese Unterstützungssysteme oft zusammengebrochen. Viele Eltern fühlten sich dadurch bei der Erziehung alleingelassen.

Manche Menschen hätten auch in Beziehungen mit Menschen Verletzungen erlebt. Hunde spenden ihnen schließlich Trost und bedingungslose Zuneigung. Und die heutige Kultur fördere es, dass der Hang zur Fürsorge auf Haustiere ausgeweitet werde.

"Fast 90 Prozent der ungarischen Erwachsenen verbringen nicht einmal eine Stunde pro Woche mit der Betreuung von Kleinkindern", berichtet Kubinyi. Hunde füllen diese Lücke. Sie werden Gefährten und geben das Gefühl, gebraucht zu werden.

Wenn der Hund zum Familienmitglied wird

Diese Rolle prägt auch die Hunde: Kleine Rassen mit Knopfaugen und Stupsnase erinnern an menschliche Babys. Das weckt Fürsorgeinstinkte. Doch übertriebene Verwöhnung kann auch zu Verhaltensproblemen führen.

"Die sich wandelnde Rolle der Hunde zeigt, dass viele Menschen einen Mangel an Fürsorge und Unterstützung verspüren", resümiert Kubinyi. Sie versuchten, das durch Haustiere auszugleichen.

Ihre Lösung: "Wir müssen familienbasierte Unterstützungssysteme stärken und die Isolation verringern." Wie dies aber geschehen kann, bleibt offen.