Mehr als "Gaz off": Die Klimabewegung und der Krieg in der Ukraine
- Mehr als "Gaz off": Die Klimabewegung und der Krieg in der Ukraine
- Umweltschutz statt Aufrüstung – oder Standort-Nationalismus?
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Gründe für den Abschied von russischem Gas gibt es viele – nicht alle sind emanzipatorisch. Und nicht alle Alternativen sind klimafreundlich
"Gaz off" stand auf den bunten Plakaten, die am Donnerstagvormittag rund um die Gazprom-Dependance in der Berliner Innenstadt angebracht waren. Dort war das Logo des russischen Gaskonzerns leicht verfremdet worden. Über dem stilisierten G war eine Rakete aufmontiert. Die Plakate wurden von jungen Antimilitaristen und Pazifisten angebracht, die mit der Berliner Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner:innen (DFG-VK) kooperieren. Die Gruppe nennt sich Antimilitaristische Aktion Berlin (Amab).
Gut zwei Dutzend Menschen nahmen am Donnerstag an der Aktion teil, allerdings wurde sie von den Medien kaum beachtet. Ein Radioteam, das eine Liveschaltung geplant hatte, sagte kurzfristig wieder ab – sei es wegen der überschaubaren Teilnehmerzahl oder wegen der Inhalte. Schließlich lehnt die Gruppe sowohl die rhetorische Aufrüstung der letzten Tage als auch die Waffenlieferungen an die Ukraine ab.
Auf dem Transparent vor der Gazprom-Filiale stand nur: "Klimaschutz statt Krieg – Nord Stream 1 stoppen". Damit fordern die Aktivisten auch das Ende der Gastransporte aus Russland, die bis jetzt noch weitergehen.
Fossiler Kapitalismus nährt autoritäre Regime – nicht nur in Russland
"Statt weiter aufzurüsten, müssen wir die Geldströme nach Russland stoppen, weil damit der Krieg in der Ukraine finanziert wird", begründete Amab-Sprecher Jan Hansen gegenüber Telepolis die Aktion. "Die Pipelines müssen geschlossen und die Erneuerbaren Energien ausgebaut werden, damit die Wirtschaft unabhängig vom Öl und Gas der Kriegstreiber und autoritären Machthaber wird."
Hansen erinnerte daran, dass es in der Umweltbewegung schon vor Jahrzehnten Diskussionen über den Zusammenhang zwischen der fossilen Industrie und dem Ausbau autoritärer Staaten geführt werden. Damals ging es vor allem um die ölproduzierenden Staaten im Nahen Osten.
Jetzt sehen viele der Umwelt- und Klimabewegten im Stopp der Gaslieferungen eine Alternative zur Aufrüstung. Die Gruppe benennt auch Alternativen zum 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm, das am vergangenen Sonntag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt wurde.
"Statt 100 Milliarden in Waffen zu stecken, die die Nazi-Prepper aus der Bundeswehr nach Hause schleppen, sollte die Regierung lieber 500 Milliarden in ein Sofort-Investitionsprogramm für erneuerbare Energien stecken", so Hansen. Diese Summe ließe sich innerhalb von acht bis zehn Jahren beim Wehretat einsparen, so der doch sehr optimistische Vorschlag zur Gegenfinanzierung.
Da die Ursachen für den aktuellen Konflikt auch in einer jahrzehntelangen globalen Aufrüstung und der Erweiterung der Nato in Richtung Osten lägen, könne ein weiteres Aufrüsten nicht die Lösung sein, betonen die Antimilitaristen, die damit trotz klarer Verurteilung des russischen Einmarschs in die Ukraine auch die Nato nicht aus der Verantwortung nehmen.
Als positiv betrachtet es Hansen, dass auch im linken Flügel der SPD diskutiert wird, einen Teil des Milliardenprogramms in die Energiewende zu stecken.
"Es ist doch prima, wenn sogar in der SPD einige erkannt haben, dass die Gelder für den Klimaschutz statt in die Aufrüstung fließen sollte", erklärt Hansen. Tatsächlich rückt die Forderung nach Kappung aller Energiekontakte mit Russland mittlerweile bei verschiedenen politischen Kreisen in den Mittelpunkt. Bei vielen steht das allerdings im Kontext, die EU unter deutscher Dominanz wehrfähig zu machen. Schon länger wird es auch in wichtigen Kapitalfraktionen äußerst negativ gesehen, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem kapitalistischen Konkurrenten Russland noch zu eng sind.
Hier dient also die Kappung der Energiebeziehungen zur Stabilisierung des Standorts Deutschland – und dafür zieht der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sogar längere Laufzeiten für Atom- und Kohlekraftwerken in Betracht. Wenn es um den Standort Deutschland geht, müssen auch ihm ökologische Fragen hintanstehen.