Meinungen über Einwanderung in Deutschland
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Sozialwissenschaftler berichten über Ergebnisse zu Integration, Willkommenskultur und Feindseligkeit
Unter der Leitung von Professor Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld erschien kürzlich die vierte Erhebung über Einwanderung in Deutschland. In den repräsentativen Befragungen ging es um die Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit verschiedener Kulturen in Deutschland. Daher der Name des Forschungsprojekts: "ZuGleich". Gefördert wurde es von der Mercator Stiftung in Essen.
Der neueste Bericht fasst die Ansichten von rund zweitausend Ende 2020/Anfang 2021 interviewten Personen ab 18 Jahren zusammen. Im Durchschnitt waren sie 51 Jahre alt. Schwerpunkte sind Anpassungsvorstellungen, die Willkommenskultur, Zugehörigkeit, Privilegien und Abwehr beziehungsweise Feindlichkeit.
Die Forscher berichten, dass rund 21 Millionen beziehungsweise 26 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen eine "Einwanderungsgeschichte" haben. Diesen Begriff verwenden sie statt des allseits bemühten "Migrationshintergrunds". Unter "Einwanderungsgeschichte" fällt, wer mindestens ein Elternteil hat, der nicht in Deutschland oder nicht mit der deutschen Staatsangehörigkeit geboren wurde.
Integration und Anpassung
Laut der Befragung fanden knapp 74 Prozent der Deutschen, dass Einwanderer am gesellschaftlichen Leben teilhaben sollen; nur 7 Prozent lehnten das ab. Rund 53 Prozent fanden, dass die Eingewanderten das beibehalten sollen, was ihnen kulturell bedeutsam ist; knapp 22 Prozent lehnten das ab.
Daraus berechneten die Forscher, dass knapp 48 Prozent für eine Integration von Einwanderern sind. Das ist eine Teilhabe unter Beibehaltung der ursprünglichen kulturellen Identität. Dem stehen 31 Prozent für eine Assimilation gegenüber, eine Teilhabe, bei der die ursprüngliche kulturelle Identität eher aufgegeben wird.
Im zeitlichen Verlauf fällt auf, dass der Wert für Integration 2014 noch bei 60 Prozent lag. Das heißt, dass heute von den Einwanderern mehr Anpassung erwartet wird als noch vor einigen Jahren. Gleichzeitig verdoppelte sich die Anzahl derer, die die Teilhabe von Einwanderern eher ablehnen, von 5 bis 6 Prozent (2014) auf 10 bis 11 Prozent (2020).
Direkt nach der Anpassung befragt, fanden knapp 63 Prozent, dass sich Migranten mehr an die Deutschen anpassen müssen. Umgekehrt meinten knapp 15 Prozent, Deutsche müssten sich mehr an die Migranten anpassen. Interessanterweise verlangten auch die bereits länger in Deutschland lebenden Einwanderer von den "Neuen" mehr Anpassung. Das bezeichnen Forscher als "Integrationsparadox".
Insgesamt zeige sich, so die Sozialwissenschaftler, dass sich jüngere Menschen, Menschen mit höherer Bildung und politisch links orientierte Menschen eher für eine Annäherung aussprechen. Ältere (über 60), weniger gebildete und politisch rechts orientierte Menschen lehnten das eher ab.
Wie steht es um die Willkommenskultur?
Der zweite Schwerpunkt der Untersuchung ist die sogenannte Willkommenskultur. Dieses Konzept gewann durch die Aufnahmen von Flüchtenden in den Jahren 2015 und 2016 an Bedeutung. Positiv verstand man darunter zivilgesellschaftliches Engagement für die Hilfesuchenden. Gegner von Einwanderung kritisierten das Konzept hingegen.
Aussagen wie "Es gefällt mir, dass sich so viele Migranten für Deutschland als neue Heimat entscheiden" (45 Prozent Zustimmung, 27 Prozent Ablehnung) oder "Ich freue mich wenn Deutschland noch vielfältiger und bunter wird" (62 Prozent Zustimmung, 20 Prozent Ablehnung) wurden 2020/2021 überwiegend zustimmend bewertet. Es scheint zurzeit also gut um die Willkommenskultur bestellt.
Bei diesem Thema zeige sich kein Unterschied zwischen Frauen oder Männern. Bei den vergangenen Befragungen hätte sich vereinzelt eine größere Zustimmung bei den Jüngeren gezeigt. Dieser Effekt sei nun aber wieder verschwunden. Insgesamt äußere sich aber auch hier die Bildung: Menschen mit höherer Bildung sähen die Willkommenskultur positiver als diejenigen mit niedrigerer Bildung.
Die Forscher werfen selbst die Frage auf, inwiefern das Konzept der Willkommenskultur heute noch von Bedeutung ist. Insofern sollte man die jüngst stark gestiegene Zustimmung auch nicht überbewerten: Wo es kaum noch Mobilität gibt, hat eine abstrakte Zustimmung kaum praktische Folgen.
Was ist wichtig für die Zugehörigkeit?
In Migrationsdebatten geht es immer wieder darum, was für eine Zugehörigkeit zu Deutschland von Bedeutung ist. Dies haben die Forscher mit ihrem dritten Schwerpunkt untersucht. Hierbei lassen sich Kriterien unterscheiden, die man sich aneignen kann, etwa die deutsche Sprache zu sprechen, und auf die man selbst keinen Einfluss hat, beispielsweise der Geburtsort.
Die Studie gab hier elf Kriterien vor, denen gegenüber die Befragten Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken konnten. Sortiert nach der Zustimmung sind die Antworten: Sprechen der deutschen Sprache (94 Prozent Zustimmung), Achtung von politischen Institutionen und Gesetzen (93 Prozent), Erwerbstätigkeit (86 Prozent), Einsatz für die Allgemeinheit (82 Prozent), keine Sozialhilfe zu empfangen (82 Prozent), deutsche Werte und Traditionen zu achten (70 Prozent), sich deutsch zu fühlen (53 Prozent), die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen (42 Prozent), die meiste Zeit in Deutschland gelebt zu haben (33 Prozent), Christ zu sein (28 Prozent) und schließlich in Deutschland geboren zu sein (26 Prozent).
Damit führen also Kriterien die Liste an, auf die die Menschen selbst einen Einfluss haben: die Sprache zu sprechen, die öffentliche Ordnung zu achten und einer Arbeit nachzugehen. Dafür spielt aber natürlich auch etwa der Zugang zu Sprachkursen oder eine Arbeitserlaubnis eine Rolle. Wo man geboren ist oder ob man Teil der christlichen Gemeinschaft ist, spielen laut der Befragung die geringste Bedeutung.
Bei der näheren Untersuchung fanden die Forscher hier Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte: Bei Ersteren spielen die Kriterien, die man erwerben kann, eine größere Bedeutung; für Letztere waren beispielsweise die deutsche Staatsangehörigkeit, Achtung der Werte und Traditionen oder Zugehörigkeit zum Christentum wichtiger.