Meinungen über Einwanderung in Deutschland
Seite 2: Vorrechte und Abwehr
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Die letzten beiden Schwerpunkte behandelten Themen mit großem Konfliktpotenzial: einerseits Privilegien für die Einheimischen, was die Forscher "Etabliertenvorrechte" nannten, und andererseits Feindlichkeit gegenüber Einwanderern.
Zu dem Standpunkt, "Wer in Deutschland neu ist beziehungsweise später dazu kommt, sollte sich mit weniger zufriedengeben", waren Ablehnung und Zustimmung mit jeweils rund 39 Prozent in etwa gleich groß. Dass die Neuen "auf keinen Fall Forderungen stellen oder Ansprüche erheben" sollten, lehnten mit 42 Prozent aber mehr der Befragten ab (Zustimmung: 34 Prozent).
Hier gab es im Laufe der Zeit eine deutliche Veränderung: Bei den vorherigen Befragungen schwankte die Zustimmung zu Etabliertenvorrechten zwischen nur 5 und 16 Prozent. Bei der letzten Befragung von 2020/2021 lag sie nun bei 34 Prozent, also mehr als doppelt so hoch.
Die Forscher spekulieren, dass die Folgen von Einwanderung nun konkreter geworden seien. Es könnte aber auch sein, dass die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Coronapandemie die Forderung nach Privilegien für die eigene Gruppe erhöht.
Mit mehreren Stellungnahmen untersuchten die Forscher Feindlichkeit gegenüber Einwanderern, die Abwertung von Geflüchteten und die Muslimfeindlichkeit. Diese nahmen im Verlauf der Befragungen seit 2014 allesamt zu.
So meinten bei der letzten Erhebung beispielsweise 41 Prozent der Befragten, es lebten zu viele Migranten in Deutschland; 39 Prozent lehnten das ab. 35 Prozent fanden, die Zahl der in Deutschland lebenden Migranten sollte begrenzt werden; 33 Prozent lehnten das ab. Allerdings fanden auch 48 Prozent, die Anwesenheit von Einwanderern fördere die Anerkennung unterschiedlicher Lebensweisen.
Spezifisch zu den Muslimen fanden 37 Prozent, dass deren Zahl begrenzt werden soll; 34 Prozent lehnten das ab. Dass zu viele Muslime in Deutschland leben würden, fanden aber nur noch 27 Prozent (Ablehnung: 39 Prozent). Ähnlich verhielt es sich bei der Stellungnahme, die muslimische Kultur habe einen gefährlichen Einfluss auf die deutsche Kultur: 34 Prozent bejahten dies, 45 Prozent lehnten es ab.
Damit ist zwar nicht die Mehrheit der Befragten muslimfeindlich, zwischen 27 Prozent und 37 Prozent sehen Menschen mit dieser Religion aber kritisch. Bei näherer Betrachtung fanden die Forscher übrigens heraus, dass die Muslimfeindlichkeit unter Befragten mit Einwanderungsgeschichte mitunter größer ist. Diese sprachen sich beispielsweise eher für eine Begrenzung der Zahl von Muslimen in Deutschland aus.
Bei diesem Themenkomplex fanden die Forscher wenige soziodemografische Unterschiede. Beispielsweise seien die männlichen Befragten nur vorübergehend 2018 etwas fremden- und muslimfeindlicher gewesen. Wie so oft gab es hier aber einen Zusammenhang mit dem Bildungsniveau und der politischen Einstellung.
Fazit
Der neueste ZuGleich-Studienbericht zeigt zwar einerseits, dass immer noch eine große Mehrheit der Deutschen für die Teilhabe von Einwanderern ist. Der Trend geht hier aber stärker vom Gedanken der Integration zur Anpassung beziehungsweise Assimilation. Dazu passt, dass diejenigen, die schon länger in Deutschland sind, jetzt vermehrt Privilegien für sich beanspruchen.
Auch wenn die Werte für die Willkommenskultur hoch sind, hat die Fremden- und vor allem Muslimfeindlichkeit laut der neuesten Befragung deutlich zugenommen. Inwiefern diese Entwicklungen dauerhaft sind oder beispielsweise auch mit der (hoffentlich bald vorübergehenden) Coronapandemie zusammenhängen, muss sich noch zeigen. Die derzeitige Situation in Afghanistan könnte die Meinungen über Einwanderung auch wieder verändern.
Die Forscher machen aufgrund ihrer Ergebnisse Vorschläge, wie man vom Willkommen zum echten Ankommen in Deutschland gelangen kann. Dass die Zugehörigkeit dabei überwiegend von erwerbbaren Faktoren abhängt, werten sie positiv. Die Vielfalt der Meinungen und Kulturen bringe aber auch besondere Herausforderungen mit sich.
Fest steht: Das Thema Einwanderung dürfte Deutschland noch über viele Jahre beschäftigten. Nach dem Rückzug der westlichen Soldaten aus Afghanistan erwartet die UN nun eine neue Fluchtbewegung. Währenddessen warnte Detlef Scheele, Chef der Arbeitsagentur, erst vor Kurzem vor dem Mangel an Arbeitskräften.
Er spricht 400.000 benötigten Einwanderern pro Jahr: "Man kann sich hinstellen und sagen: Wir möchten keine Ausländer. Aber das funktioniert nicht."