"Merken Sie eigentlich jenseits Ihrer Blase, dass Sie gerade das letzte Quäntchen Vertrauen verspielen?"
Seite 2: Wer gibt bei den Grünen gerade die Richtung vor, wenn Habecks Wort egal ist?
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Vierte Unterbrechung durch den Moderator:
Okay, Sie beantworten meine Frage nicht. Meine Frage war ja, was die Kindergrundsicherung mit dem Wachstumspaket von Christian Lindner zu tun hat. Das haben sie jetzt nicht beantwortet.
Aber vor allen Dingen haben Wirtschaftsminister, Christian Lindner, und der Bundeskanzler eine Sache vereinbart: Dass dieses Wachstumspaket von Christian Lindner durch das Kabinett geht.
Wieso hat dann Lisa Paus diese Vereinbarung, die ja ihr grüner Vizekanzler mit den anderen Koalitionspartnern getroffen hat, torpediert?
Philipp May
Auch die vierte Antwort setzt den allgemeinen Sermon fort:
Wir haben Beratungsbedarf. Da sind wirklich gute Schritte voran gemacht worden, deswegen ist es doch richtig und deswegen ist es auch gut, wenn auch noch mal weiter darüber gesprochen werden kann.
Ich sage Ihnen gerne noch mal ein Beispiel: Die neue Freigrenze von Vermietung und Verpachtung ist auch in diesem Gesetz drin. Da kann man sich schon mal den Gedanken gönnen, ob man nicht da fokussiert.
Andreas Audretsch
Jetzt reißt Philipp May der Geduldsfaden:
Sie lesen immer wieder ihren Sprechzettel vor. Andere Frage: wer gibt denn eigentlich bei Ihnen in der Partei gerade die Richtung vor, wenn offensichtlich Robert Harbecks Wort, das er den Koalitionspartnern gibt, egal ist?
Philipp May
Wieder keine Antwort, sondern: "Wir brauchen beides. Wir brauchen das Investitionspaket und wir brauchen die Kindergrundsicherung ... "
Direkt nach der Sommerpause das nächste Machtspielchen
Jetzt hat May endgültig genug und mischt die nächste Frage mit eigenem Kommentar:
Okay, Herr Audretsch, ich fasse noch einmal zusammen: Robert Habeck, der Vizekanzler, gibt grünes Licht für ein Gesetz, das auch noch in seinen Beritt Wirtschaft fällt, und dann kommt Lisa Paus und stellt in letzter Minute auf Rot aus offenbar sachfremden Gründen.
Das muss man ja alles auch im Kontext des letzten halben Jahres sehen: der permanente öffentliche Streit, der in der Bevölkerung nur noch Kopfschütteln hervorruft, schlimmer noch Verunsicherung. Dann der Vorsatz von allen Seiten, die Außendarstellung zu verbessern. Und dann direkt nach der Sommerpause das nächste Machtspielchen.
Sogar Ihnen wohlgesinnte Zeitungen schreiben: Erpressungsversuch. Ganz ehrlich: Merken Sie eigentlich jenseits ihrer Blase, dass sie gerade das letzte Quäntchen Vertrauen verspielen mit sowas?
Philipp May
Auch diesmal bleibt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen unfähig zu einer politischen Antwort, behauptet, dass es eine "unglaublich produktive Debatte" gäbe, dass man sich im Ziel einig sei.
Der öffentliche Eindruck ist ein vollkommen anderer. Audretschs Auftritt ist gerade in schweren Zeiten, wachsender Krise und vermehrt Fragen darüber, ob die von massiven inneren Vertrauensverlusten gebeutelte Ampel-Koalition die Legislaturperiode durchsteht, nicht kluge Polit-PR, sondern ein Kommunikationsdesaster.
Denn auch intern funktionieren die Kommunikationswege innerhalb der Grünen gerade offenbar suboptimal. Das öffentliche Ansehen der Grünen ist zuletzt massiv gesunken.
Geht es nur um die Sache, dann ist Audretsch in seiner Stellung nach diesem Auftritt jetzt angezählt.
Noch prekärer ist aber die Position von Lisa Paus: Die Familienministerin vom linken Flügel der Grünen hat – unabhängig von der Sache – den Kanzler schon länger gegen sich, den Finanzminister sowieso. Jetzt hat sie auch ihren eigenen Minister beschädigt. Vielleicht muss Paus früher ihren Stuhl räumen, als man glauben möchte.
Die erste Woche nach der parlamentarischen Sommerpause ist vorbei, und schon wackeln zwei Stühle bei den Grünen.