Milliardenmoratorium läuft aus: Jetzt wird die Ukraine zur Kasse gebeten

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Private Gläubiger haben Angebot aus Kiew abgelehnt. Mehrere Staaten kürzen Zuwendungen. Scheitert der Krieg aus finanziellen Gründen?

Die Ukraine sieht sich mit einer bedeutenden finanziellen Herausforderung konfrontiert: Ein zweijähriges Moratorium für Staatsanleihen im Wert von 20 Milliarden Dollar geht dem Ende zu. Die Regierung in Kyjiw muss demnächst wieder Zinszahlungen an private Gläubiger aufnehmen. Doch die Verhandlungen über eine Umschuldung sind bisher ohne Einigung geblieben.

Die wichtigsten Punkte sind, wie viel die Anleihegläubiger von ihren Investitionen opfern sollen und wie die Ukraine ihre begrenzten Ressourcen zwischen der Kriegsführung und dem Erhalt der staatlichen Dienste aufteilt.

Finanzlage der Ukraine angespannt

Fast das gesamte inländische Aufkommen der Ukraine fließt in die Kriegsfinanzierung. Finanzielle Unterstützung für soziale Dienste kommt von der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Ein Hilfspaket der USA über 61 Milliarden US-Dollar, das im April genehmigt wurde, umfasst 7,8 Milliarden US-Dollar für den Staatshaushalt. Ukraines Finanzminister Serhiy Marchenko deutet an, dass diese Hilfe das Budget für dieses Jahr decken wird, warnt jedoch vor einem möglichen "zusätzlichen" Defizit von bis zu zwölf Milliarden US-Dollar für 2025, sollte der Krieg weiterhin in der aktuellen Intensität andauern.

Die Prognose der finanziellen Kapazität der Ukraine bleibt jedoch ungewiss und ist vom Verlauf des Krieges abhängig. Der russische Angriff auf kritische Infrastruktur hat zugenommen, während die Regierung eine Wachstumsprognose von 3,5 Prozent für dieses Jahr hat, herabgestuft von früheren 4,6 Prozent.

Das Bruttoinlandsprodukt liegt immer noch ein Viertel unter dem Niveau von vor der russischen Invasion im Februar 2022.

Positionen der Anleihegläubiger

Bei den Verhandlungen mit privaten Kreditgebern, die am 14. Juni ohne Einigung endeten, waren die Gläubiger mit dem vorgeschlagenen Niveau der Schuldentilgung unzufrieden. Die Ukraine forderte einen Schuldenschnitt von bis zu 60 Cent pro Dollar, während die Anleihegläubiger nur bereit waren, Verluste von 22,5 Prozent zu tragen.

Die Ukraine schlug vor, die Zahlungsverpflichtungen hinauszuschieben und bot an, die ausstehenden Anleihen gegen neue Schulden mit Fälligkeiten bis zum Jahr 2040 zu tauschen.

Die Zinszahlungen sollten bei einem Prozent für die ersten 18 Monate beginnen und dann schrittweise auf sechs Prozent steigen. Zusätzlich bot die Regierung den Investoren ein sogenanntes staatliches Eventualinstrument an, das erst nach 2027 Zahlungen leisten könnte und an die vom IWF festgelegten Steuereinnahmenziele gekoppelt wäre.

Die Rolle des IWF

Der IWF spielt eine entscheidende Rolle, da das 15,6 Milliarden US-Dollar schwere Darlehen, das dem Land im März 2023 gewährt wurde – eine Premiere für eine Nation im Krieg – Maßstäbe für tragbare Schuldenzahlungen setzt.

Die neuesten Vorschläge der Ukraine entsprechen diesen Maßstäben, so die Regierung. Ein aktualisiertes Bild der Wachstums- und Schuldenprognosen des IWF wird erwartet, wenn sein Exekutivdirektorium am 28. Juni einen Teil seines Programms über 2,2 Milliarden Dollar genehmigt.

Mögliche Folgen eines Scheiterns der Schuldengespräche

Die Ukraine möchte gute Beziehungen zu den privaten Investoren aufrechterhalten und steht somit vor der Wahl: Entweder wird die Schuldenstruktur neu verhandelt oder das Moratorium verlängert, um einen Staatsbankrott zu vermeiden. Analysten von JPMorgan Chase & Co. halten eine Verlängerung des Moratoriums um einige Monate für möglich, allerdings nicht für weitere zwei Jahre.

Das Moratorium endet am 1 August mit einer fälligen Zins- oder Copuponzahlung für eine auf 2026 datierte Anleihe. Die Ukraine könnte in Verzug geraten, wenn sie nicht innerhalb einer zehntägigen Kulanzfrist zahlt. Seit dem formellen Scheitern der Verhandlungen finden weitere Gespräche zwischen den Beratern beider Seiten statt, die sich nach der Veröffentlichung des neuesten Wirtschaftsgutachtens und der Schuldenanalyse durch den IWF beschleunigen dürften. Finanzminister Marchenko äußerte sich zuversichtlich, dass vor Fristablauf eine Einigung erzielt wird.

Wer sind die Anleihegläubiger?

Die Gläubigerbasis der Ukraine ist fragmentiert, ein Verhandlungsausschuss repräsentiert nur etwa 20 Prozent der ausstehenden Schulden. Zu dieser Gruppe gehören Amundi SA, BlackRock Inc., Pimco und Amia Capital LLP. Die Ukraine gibt an, sich auch mit Gläubigern außerhalb des Ausschusses zu engagieren.

Ein Konsens ist entscheidend, da die Inhaber von mindestens zwei Dritteln der ausstehenden Schulden einem Deal zustimmen müssen, damit dieser für alle Gläubiger bindend ist, wobei für jede Anleihe eine Mindestquote von 50 Prozent erforderlich ist.

Steigende Militärausgaben

Für das Jahr 2024 waren ursprünglich Verteidigungsausgaben in Höhe von 42,2 Milliarden Euro vorgesehen. Diese sollen nun um fast 30 Prozent steigen. Die vorgeschlagenen Änderungen müssen noch das Parlament passieren und von Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet werden, um rechtskräftig zu werden.

Das Finanzministerium begründet die geplanten Mehrausgaben mit dem wachsenden Bedarf im Sicherheits- und Verteidigungsbereich und betont die Notwendigkeit, sich auf eigene Ressourcen zu verlassen.

Internationale Unterstützung unsicher

Die Ukraine bereitet sich zudem darauf vor, dass internationale Unterstützung geringer ausfallen könnte. Die Bundesregierung plant für 2025 etwa Kürzungen der Ukrainehilfen von bisher 7,48 Milliarden auf vier Milliarden Euro. Auch der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump sprach sich gegen eine weiter hohe Beteiligung an den Kriegskosten aus.

Selenskyj und die britische Rüstungsindustrie

Parallel strebt die Ukraine an, die eigene Produktion von Waffen und Rüstungsgütern zu stärken. Bei einem Besuch in Großbritannien traf Selenskyj Vertreter der dortigen Rüstungsindustrie und diskutierte unter anderem die gemeinsame Produktion von Munition, Flugabwehrsystemen und Drohnen. Großbritannien, das bereits schwere Waffen und Panzer an die Ukraine geliefert hat, unterzeichnete als erstes europäisches Land ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine.