Millionen Steuergeld für Meinungsmache: Ist das legitim?

Steuergeld-Abstauber des Tages: Ralf Fücks. Bild: Stefan Roehl / Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA 2.0

Themen des Tages: Viele Medikamente sind knapp. Die Inflation könnte sich verlangsamen. Und eine Fake-NGO sorgt für Debatten.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Die Teuerung macht allen zu schaffen. Verlangsamt sich der Trend nun?

2. Knappe Medikamente bleiben knapp.

3. Auf Seite 2: Bewusstseins-Arbeiter oder verbale Prügelperser? Über eine fragwürdige NGO und eine notwendige Debatte.

Doch der Reihe nach.

Knappe Medikamente

Ausgerechnet während eines historisch hohen Krankenstands, der sich auch auf die Versorgungssicherheit in Kliniken auswirkt, werden in Deutschland Medikamente knapp, schreibt heute Telepolis-Redakteurin Claudia Wangerin. Laut einer Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte seien es vor allem Fieber- und Hustensäfte, Schmerzmittel und Antibiotika, aber auch Arzneimittel zur Krebsbehandlung sowie gegen Bluthochdruck und Diabetes.

Da zurzeit besonders viele Kinder teils schwere Atemwegsinfekte haben, bekommen alle Generationen das Problem zu spüren. Anfang der Woche waren laut einem Bericht des Ärzteblatts fast zehn Prozent des Klinikpersonals ausgefallen.

Gescheiterte Förderung

Eine gute Nachricht aus dem Bereich der Energie- und Klimapolitik bringt heute Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn: Der Verwaltungsrat der Förderbank KfW habe auf seiner Sitzung Ende letzter Woche einen umstrittenen Leitlinienentwurf von der Tagesordnung genommen. "Gut möglich, dass der von den Umweltverbänden erzeugte öffentliche Druck dazu geführt hat", so Pomrehn:

Wir hatten letzte Woche berichtet, dass in einem Entwurf der neuen Finanzierungsrichtlinien der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ausdrücklich Abschied von der Pariser Klimaschutzübereinkunft genommen wurde. Es sah ganz so aus, als sollten auch künftig mit hiesigen Steuergeldern in aller Welt Kredite für Öl- und Gas-Pipelines, LNG-Terminals und ähnliches vergeben werden, "auch wenn sie (die finanzierten Projekte) nicht kompatibel mit dem 1,5-Grad-Pfad sind".

Weniger Teuerung

Eine Meldung des Statistischen Bundesamtes macht Hoffnung, so Telepolis-Autor Bernd Müller: Das zweite Mal in Folge verlangsame sich der Anstieg der Erzeugerpreise. Im November 2022 lagen sie um 28,2 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Im Oktober waren es 34,5 Prozent und im September 45,8 Prozent.

Die Entwicklung fiel besser aus, als Experten erwartet hatten. In einer Konsensprognose gingen sie davon aus, berichtete Reuters, dass die Preise im Vergleich zum Oktober um 2,5 Prozent fallen würden. Tatsächlich waren es 3,9 Prozent.

Gesinnungspolizei der Ampel: Die Debatte kommt in Gang

Langsam lauft eine mediale und politische Diskussion an über eine wachsende Phalanx fragwürdiger Vorfrontorganisationen der Bundesregierung, die mit Millionenmitteln in den medialen Diskurs und damit in die politische Meinungsbildung eingreifen. Nachdem Telepolis im Juni als erstes Medium auf ein entsprechendes Projekt des Thinktanks Zentrum Liberale Moderne eingegangen ist, haben sich unter anderem der Videoblogger Tilo Jung, die Tageszeitung Welt und das Politmagazin Cicero diesem merkwürdigen Konstrukt gewidmet. Das Zentrum Liberale Moderne und sein Mitbegründer Ralf Fücks kamen dabei nicht gut weg.

Diese Organisation gehöre zu diversen Thinktanks, die von Bundesregierung und Bundeskanzleramt "mit erheblichen Summen" finanziert würden und "mit mitunter fragwürdigen Methoden und politisch einseitig agieren", schrieb bei Cicero der SPD-Politiker und ehemalige Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Mathias Brodkorb: "Der Staat greift damit in die unabhängige Meinungsbildung der Bürger ein."

Und das lässt sich die Bundesregierung einiges kosten. Aus mehreren Regierungstöpfen und dem Bundespresseamt waren der Struktur nicht lange nach Gründung gut 4,5 Millionen Euro zugeschanzt worden, so eine Recherche des Medienjournalisten Friedrich Küppersbusch. Insgesamt seien es zwischen fünf und sechs Millionen, ist inzwischen klar.

Darauf ging auch der Videoblogger Thilo Jung ein. "Unsere Unabhängigkeit ist uns wichtig", sagte Fücks im Gespräch mit Jung. Man versuche die Finanzquellen zu diversifizieren, man könne auch ohne Regierungsgelder überleben. Nach ein paar Minuten (hier etwa am 01:14.00) blieb von dieser Behauptung nur noch wenig übrig.

Im Telepolis-Gespräch hatte die Grünen-Politikerin und ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer die Arbeit von Fücks und seiner Ehefrau Marieluise Beck deswegen heftig kritisiert:

Diese sogenannte NGO ist ein besonders eklatantes Beispiel eines hybriden politischen Thinktanks. Zwei ehemalige Spitzenpolitiker nutzen sämtliche Netzwerke der Institutionen, in denen sie lange tätig waren, und gründen dann mit Staatsgeld einen antirussischen Thinktank, den sie "Non Government Organisation" nennen und der durch keine echte Praxis im Land ausgewiesen ist.

Antje Vollmer

Eine öffentliche Debatte über diese fragwürdige Entwicklung ist wichtig, zumal eine Hauptaufgabe des Fücks’schen Denkpanzers offenbar zunehmend darin besteht, Andersdenkende zu diffamieren. Ein Instrument dazu ist das Projekt Gegneranalyse, das inhaltlich so schludrig arbeitet, dass die Verwendung öffentlicher Gelder dafür es im Grunde ein Fall für den Bundesrechnungshof ist.

"Bewusstseins-Arbeiter auf Staatskosten", nennt der Sozialdemokrat Brodkorb dieser Art von regierungsalimentiertem Aktivismus. Man könnte sie auch die verbalen Prügelperser der Ampel nennen. Dem Journalisten Matthias Meisner etwa, der für das Zentrum Liberale Moderne inzwischen auf Honorarbasis tätig ist, führt auf Twitter eine obsessiv wirkende Kampagne gegen Oppositionspolitiker, die viele User inzwischen peinlich berührt aufnehmen. Er geht zugleich jeder Art inhaltlicher Kritik an seiner und der von ihm verantworteten Arbeit aus dem Weg.

Seit Telepolis im Juni einem ersten steuerfinanzierten Papier des Projektes "Gegneranalyse" schwere inhaltliche Fehler nachwies, reagierte Meisner lediglich auf einen Forenkommentar, den er als Morddrohung interpretierte. Heise hatte den Kommentar damals umgehend gelöscht, Meisner verbreitet ihn bis heute auf Twitter.

Während die methodologischen Fehler einer bezahlten Auftragsarbeit über das Portal Nachdenkseiten unverändert online stehen, fragte Meisner in unserem Haus nach einem halben Jahr unlängst erneut nach dem Forenkommentar, der "als Morddrohungen (…) gelesen werden" könne.

Im folgenden Tweet wurden aus dieser Interpretation flugs faktische "Kommentare mit den Morddrohungen", von der Antwort zitierte er nur einen Satz. Daher hier nun die gesamte Antwort der Pressestelle der Heise Gruppe an Matthias Meisner:

Das Online-Magazin Telepolis der Heise Gruppe hat in mehreren Artikeln die Arbeit des Projektes Gegneranalyse sowie der dafür verantwortlichen Organisation Zentrum Liberale Moderne aufgegriffen. Die in den Artikeln geäußerte inhaltliche Kritik an der Arbeit ist valide und hat sich inzwischen auch durch Recherchen anderer Medien vollumfänglich bestätigt.

Sowohl die inhaltlichen Defizite eines von Telepolis thematisierten Aufsatzes des Projektes Gegneranalyse als auch die Finanzierung der Trägerorganisation Zentrum Liberale Moderne wurden in Folge der Telepolis-Berichte unter anderem von den Journalisten Friedrich Küppersbusch und Tilo Jung kritisch thematisiert.

Im Interview mit Telepolis hat die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Antje Vollmer, das Zentrum Liberale Moderne und seine Arbeit grundsätzlich problematisiert. Zudem ist das Thema inzwischen Gegenstand der Berichterstattung überregionaler Medien.

Wie Ihnen bekannt ist, haben wir den besagten Beitrag im Forum von Telepolis unverzüglich nach Kenntnis gelöscht. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir darüber hinaus keine Auskünfte über ein weiteres rechtliches Vorgehen erteilen können.


Redaktioneller Hinweis: Auf Basis eines Hinweises haben wir drei Passagen bezüglich Matthias Meisner präzisiert.

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