NRW-Polizei setzt Drohne gegen Sozialleistungsbetrug ein
Neben Bayern gehört Nordrhein-Westfalen zu den Vorreitern beim Einsatz von Polizeidrohnen. Nun werden damit beim Jobcenter erschlichene Leistungen verfolgt
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat eine Drohne beschafft, um "bandenmäßig strukturierte Tätergruppierungen" beim Erschleichen von Sozialleistungen zu überführen. Das teilte das Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mit. Das über den EU-Fonds für Innere Sicherheit finanzierte Gerät ist demnach zur Verfolgung von "Sozialleistungsbetrug durch Unionsbürger" in Nordrhein-Westfalen bestimmt.
Um welches Gerät es sich handelt und welche Firma den Auftrag erhielt, will das Bundesministerium aus Gründen des "Staatswohls" nicht mitteilen. Andernfalls könnten sich die Adressaten der Maßnahme dagegen schützen, schreibt der zuständige Staatssekretär Hans-Georg Engelke.
Bundes- und Landesregierung angeblich nicht informiert
Die Geheimhaltung überrascht, denn Nordrhein-Westfalen gehört neben Bayern zu den Bundesländern, die in großem Stil Drohnen beschaffen. Ab diesem Jahr erhält die dortige Polizei 106 Quadrokopter, die vor allem zur Beweissicherung nach schweren Straftaten oder Verkehrsunfällen genutzt werden. Einsätze erfolgen auch zur Verkehrsbeobachtung oder für die Wasserschutzpolizei. 276 Polizisten werden als "Fernpiloten" in der Steuerung der Luftfahrzeuge ausgebildet.
Der Einsatz der von der EU finanzierten Drohne erfolgt in der neu gegründeten "Kommission Organisierte Kriminalität" (KOK), der außer dem BKA die Bundespolizei, der Zoll sowie verschiedene Landeskriminalämter angehören. Zur Verfolgung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität haben die Beteiligten einen "KOK-Prozess 2.0" gestartet, der aus insgesamt fünf Teilprojekten besteht. Insgesamt beantragte das BKA dafür eine halbe Million Euro bei der EU-Kommission. Das Drohnen- Projekt trägt den Titel "Union" und wird vom Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen angeführt.
Fraglich ist, wie die NRW-Landesregierung in das Gesamtprojekt eingebunden ist. Eine Informationsfreiheitsanfrage hatte das Düsseldorfer Ministerium des Innern noch im März mit völliger Unkenntnis beantwortet und empfohlen, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen.
Auf parlamentarische Anfragen von Bundestagsabgeordneten antwortete das Bundesinnenministerium ebenfalls, ihm lägen außer dem BKA-Antrag ebenfalls "keine weiteren" bzw. "keine weiteren aktuellen" Erkenntnisse zur Nutzung der Drohne vor.
Späht die Drohne Arbeitsstätten aus?
In der vom BKA eingereichten Projektbeschreibung für den "KOK-Prozess 2.0" verwiesen die Antragssteller darauf, dass bereits 2015 einzelne Jobcenter entsprechende Verdachtsfälle eines "organisierten Leistungsbetruges durch Unionsbürger" gemeldet hätten. Dabei würden "gezielt eigene Landsleute aus südosteuropäischen EU-Staaten" nach Deutschland gebracht.
Es ist jedoch weiterhin unklar, in welchen Szenarien die Drohne diesbezüglich für Aufklärung sorgen soll. Denkbar ist, dass die Polizei Arbeitsstätten ausspäht, in denen Menschen ohne Sozialversicherungsabgaben beschäftigt werden.
Womöglich wird auch aus der Luft beobachtet, ob vom Jobcenter gemeldete Leistungsempfänger in Wahrheit einer Tätigkeit nachgehen. Denn die angeblich organisiert zur Schwarzarbeit nach Deutschland gebrachten Personen ließen sich laut dem BKA zusätzlich Sozialleistungen auszahlen, diese Gelder würden dann "von den Hintermännern einbehalten". Das Drohnen-Projekt "Union" soll deshalb einen Einblick zu "personellen Zusammenhängen und kriminellen Strukturen" ermöglichen, woraufhin die zuständigen Behörden Ermittlungsverfahren einleiten können.
Eine solche Maßnahme hatten Ermittler des nordrhein-westfälischen LKA vor einem Monat zusammen mit dem Zoll und der Steuerfahndung gegen eine "Tätergruppe aus Düren" durchgeführt.
Gegen 32 Personen wurde zuvor wegen "Steuerhinterziehung, Sozialleistungsbetrug, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitslohn sowie Menschenhandel und Zwangsarbeit" ermittelt. Ob die damit verbundenen Razzien in über 48 Objekten in Zusammenhang mit dem KOK-Projekt stehen, geht aus der polizeilichen Pressemitteilung nicht hervor. Die Straftaten seien unter anderem auf Baustellen von Abbruch-Firmen erfolgt.
Polizeidrohnen sollen auch Versammlungen beobachten
Das drohnengestützte EU-Vorhaben begann am 1. Dezember 2019, das planmäßige Ende ist auf den 31. Oktober dieses Jahres verschoben. Danach erstellen die Teilnehmer einen nicht-öffentlichen Bericht, der auch an die EU-Kommission als Sponsor geschickt werden muss. Das unbemannte Luftfahrzeug bleibt anschließend im Bestand des LKA und kann dort zur Strafverfolgung in anderen Bereichen genutzt werden.
Die EU-finanzierte Drohne ergänzt die neue unbemannte Ausstattung durch die Landesregierung. Auch die Bereitschaftspolizei in Nordrhein-Westfalen soll in diesem Zusammenhang 76 Quadrokopter verschiedener Größen erhalten. Laut Innenminister Herbert Reul (CDU) könnten diese zur "Verfolgung von Tätern" in die Luft steigen. Gemäß dem geplanten neuen Versammlungsgesetz wäre ihr Einsatz auch im Rahmen von Demonstrationen und Kundgebungen erlaubt.