Nach Eklat in Washington: Bruch zwischen USA und Ukraine zeigt erste Konsequenzen
Bei der Ankunft gestichelte Trump, später eskalierte die Lage. Bild: Joshua Sukoff/ Shutterstock.com
Bruch zwischen USA und Ukraine zeigt Konsequenzen. Hilfe für Kiews Energienetz gestoppt. Europas Regierungen stehen vor einem Dilemma.
Das mit Spannung erwartete Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump am Freitag im Weißen Haus endete in einem diplomatischen Debakel. Statt der erhofften Einigung auf ein Rohstoffabkommen und einer Demonstration amerikanischer Unterstützung für die Ukraine eskalierte das Gespräch im Oval Office zu einem hitzigen Schlagabtausch, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten.
Das ganze Ausmaß der Tragödie beschrieb die New York Times. Ihr zufolge war der Besuch Selenskyjs in Washington eigentlich als "Moment des Triumphs" geplant, um die Unterstützung der USA im Kampf gegen die russische Invasion zu zementieren. Doch das Gegenteil war der Fall: Selenskyj musste sich von Trump und Vizepräsident JD Vance als "respektlos" beschimpfen lassen, als er davor warnte, dass Russland auch jenseits der Ukraine eine Bedrohung darstelle.
Trump sagte laut CNN, er vertraue darauf, dass Russland einen Waffenstillstand einhalte. Selenskyj reagierte empört: Einen Waffenstillstand könne es nur geben, wenn die Ukraine Sicherheitsgarantien erhalte. "Wir werden niemals ohne Sicherheitsgarantien zustimmen", stellte der ukrainische Präsident klar.
Trump und Vance warfen Selenskyj daraufhin Undankbarkeit für die bisherige US-Unterstützung vor. Der US-Präsident habe herablassend erklärt, Selenskyj habe "die Karten nicht in der Hand", hieß es in einem Bericht der New York Times. Der ukrainische Staatschef konterte: "Ich spiele hier keine Karten."
Selenskyj bleibt hart – zunächst
Von den zentralen ukrainischen Forderungen rückte Selenskyj nicht ab: Platz am Verhandlungstisch bei Waffenstillstandsgesprächen, Luftabwehr zum Schutz von Städten und Kraftwerken sowie militärische Unterstützung für eine mögliche europäische Friedenstruppe.
Zum Eklat trug auch bei, dass Selenskyj wie üblich in schlichter Militärkleidung statt im Anzug erschien. Er wolle damit seine Solidarität mit den ukrainischen Soldaten zeigen, sagte Selenskyj. Trump spottete jedoch bei seiner Ankunft: "Heute hat er sich wirklich in Schale geworfen! Ein Reporter des rechtslastigen Senders One America News legte nach und fragte Selenskyj provokativ, ob er überhaupt einen Anzug besitze und den Respekt vor dem Präsidentenamt vermissen lasse.
Schlechter Start für Ukrainer
Für einen US-Beamten, der mit den Verhandlungen vertraut ist, hatte Selenskyj bereits einen schlechten Start hingelegt, weil er kein Jackett trug. "Ich weiß, das ist sein Ding, aber er hätte die Situation anders einschätzen sollen", zitiert ihn CNN. Selenskyj hätte "einen viel versöhnlicheren Ansatz wählen" und nicht mit Trump und Vance diskutieren sollen - schließlich gehe es "um die Zukunft seines Landes".
Auf einmal ein Russe im Saal
Wie aufgeheizt die Stimmung war, zeigt auch ein bemerkenswerter Zwischenfall: Bei der Presserunde im Oval Office befand sich unter den handverlesenen Journalisten auch ein Korrespondent der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass, während die westlichen Agenturen AP und Reuters ausgeschlossen waren. Die Sprecherin versicherte später, der Tass-Mitarbeiter habe nicht auf der Gästeliste gestanden und sei sofort hinausbegleitet worden, als man auf ihn aufmerksam wurde. Ob es sich um ein Versehen oder eine kalkulierte Provokation handelte, ist unklar.
Folgen der Eskalation
Das abrupte Ende des Treffens hatte jedenfalls gravierende Folgen: Selenskyj reiste vorzeitig ab, die geplante gemeinsame Pressekonferenz und die Unterzeichnung des Rohstoffabkommens wurden abgesagt. "Selenskyj kann zurückkommen, wenn er zum Frieden bereit ist", schrieb Trump später auf seinem Social-Media-Kanal Truth Social und warf dem Ukrainer vor, "die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrem geschätzten Oval Office respektlos behandelt zu haben".
Reaktion in der Ukraine
Kirill Dmitrijew, ein Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, kommentierte das Video des verbalen Schlagabtauschs mit einem Wort: "historisch". In der Ukraine selbst zeigen sich Militärs verärgert über Trumps Verhalten. "Es ist besser, bis zum Tod zu kämpfen, als den Krieg einzufrieren und dann in drei Jahren ausgesaugt zu werden", sagte ein Offizier laut CNN.
Erste Entscheidung der Trump-Regierung
Der Eklat offenbart die Risse in den ukrainisch-amerikanischen Beziehungen und den Unwillen der Trump-Administration, ihre bisherige Unterstützung für Kiew fortzusetzen. Der Eklat untergrabe "die Fähigkeit dieser Regierung, einen Waffenstillstand auszuhandeln, und signalisiert Russland, dass uns die Ukraine und unsere bisherigen Investitionen egal sind", warnte ein Vertreter der selbst angeschlagenen Entwicklungshilfeagentur USAID.
Auf Geheiß des Außenministeriums müsse die Agentur Programme zur Wiederherstellung des ukrainischen Stromnetzes und für Finanzreformen sofort beenden, berichtete NBC News.
Der Druck auf Selenskyj wächst
Was der Konfrontationskurs Washingtons gegenüber Kiew für den weiteren Verlauf des Krieges bedeutet, ist derzeit ungewiss. Militärisch ist die Ukraine vor allem bei der Luftabwehr auf US-Waffen angewiesen, verfügt aber nach Einschätzung von Analysten über ausreichend Munition bis April oder Mai. Sollten die USA als verlässlicher Partner ausfallen, würde Präsident Selenskyj außen- und innenpolitisch unter Druck geraten.
Europäische Unterstützungszusagen könnten an Bedeutung gewinnen. Ob die EU aber die Rolle des Sicherheitsgaranten übernehmen kann und will, wenn sich die USA zurückziehen, ist höchst fraglich. Im schlimmsten Fall droht eine Lähmung der westlichen Ukraine-Diplomatie, die einer russlandfreundlichen Lösung unter Trump den Weg ebnen könnte.
Deutschland muss sich in jedem Fall auf eine noch exponiertere Rolle bei der Unterstützung der Ukraine einstellen. Die Regierung in Berlin ist nicht nur wegen der versprochenen Leopard-Panzer einer der wichtigsten europäischen Verbündeten Kiews. Finanzielle Hilfen und humanitäre Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge werden umso wichtiger, wenn die USA als verlässliche Stütze ausfallen. Die neue Bundesregierung wird in den kommenden Wochen und Monaten beweisen müssen, wie ernst es ihr mit dem Slogan "Die Ukraine gehört zu Europa" wirklich ist.
Westliche Allianz wackelt
Das turbulente Treffen zwischen Trump und Selenskyj zeigt einmal mehr, auf welch wackeligen Beinen die westliche Allianz zugunsten der Ukraine steht. Putins kalkulierte Eskalationsstrategie und die unberechenbaren Volten eines zunehmend isolationistischen US-Präsidenten setzen Kiew massiv unter Druck. Ob und wie lange Kiew diesem Druck standhalten kann, hängt nicht zuletzt von den Europäern ab.
Die USA haben sich seit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine als mit Abstand größter Einzelgeber von Hilfsleistungen etabliert. Wie aus Daten des Ukraine Support Trackers des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hervorgeht, belief sich die US-Unterstützung allein im Jahr 2024 auf rund 80 Milliarden Euro. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 bis Ende 2024 summieren sich die US-Hilfen auf insgesamt 114 bis 120 Milliarden Euro.
Diese teilen sich auf in 64 bis 66 Milliarden Euro militärische Hilfe und 50 bis 54 Milliarden Euro finanzielle und humanitäre Leistungen. Innerhalb Europas nimmt Deutschland mit Zusagen von 17 bis 18 Milliarden Euro die Spitzenposition ein, gefolgt von Großbritannien mit 15 bis 16 Milliarden Euro.
US-Hilfe kaum zu kompensieren
Insgesamt liegt der Anteil der USA an der weltweiten Hilfe für die Ukraine bei rund 43 bis 45 Prozent. Dies verdeutlicht die dominierende Rolle Washingtons bei der Unterstützung Kiews. Ein möglicher Rückzug der Amerikaner hätte daher weitreichende Folgen, warnen Experten.
Für die Ukraine würde der Wegfall der US-Hilfe eine erhebliche Einschränkung ihrer militärischen Fähigkeiten bedeuten. Die finanzielle Stabilität wäre gefährdet und die humanitäre Hilfe müsste eingeschränkt werden. Im schlimmsten Fall könnte dies zu einem Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigung gegen Russland führen.
Aber auch für Europa hätte ein amerikanischer Rückzug gravierende Folgen. Die europäischen Länder müssten ihre Hilfe für die Ukraine drastisch erhöhen, um die entstehende Lücke zu schließen.
Dies würde eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung bedeuten. Gleichzeitig bestünde die Gefahr einer Destabilisierung der östlichen EU-Außengrenze und erhöhter Sicherheitsrisiken für die Nato-Ostflanke. Bislang scheint in Brüssel und den europäischen Hauptstädten niemand eine substanzielle Antwort auf die neue Lage zu haben, Trotz und Durchhalteparolen dominieren.
Selenskyj reagierte am Ende dann doch noch auf die Kritik der neuen US-Regierung. Sein erstes Posting auf X nach der Zusammenstoß lautete:
Danke Amerika, danke für die Unterstützung, danke für den Besuch. Danke @POTUS, dem Kongress und dem amerikanischen Volk. Die Ukraine braucht einen gerechten und dauerhaften Frieden, und dafür setzen wir uns ein.