Nachträge zu: Freiheit, die gemeint ist
Seite 2: Impfgegner
Von der Impfgegnerschaft handelt auch "blu_frisbee":
Die Esoteriker wollen die staatsferne Freiheit, Globuli gegen Corona nehmen (zu dürfen). Die Rechten sind auch gegen diesen Staat, aber aus ganz anderen Gründen. Dumme Esoteriker erkennen die Rechten nicht als falsche Freunde.
Dieses Spektrum von Naturheilkundlern bis hin zu Ultrarechten hatte sich der Artikel nicht explizit zum Thema gemacht, was nun nachzuholen ist. Dabei wird sich auch zeigen, ob hier "ganz andere Gründe" vorliegen, aus denen "falsche Freunde" hervorgehen.
Der Hinweis von "blu_frisbee" ist sicher richtig, dass eine esoterische Impfverweigerung auf anderen Motiven beruht als eine reichsbürgerliche. Die eine hat ihren Ausgangspunkt in einer eigenwilligen Auffassung von Gesundheit und Medizin und geht von sich aus gar nicht in eine oppositionelle Bewegung über. Die andere entstammt dem politischen Entschluss, den derzeitigen Staat als schlechte Herrschaft zu bekämpfen, die sich in der "Plandemie" heute geradeso zeige wie in der "Umvolkung" gestern oder dem "Klimawahn" morgen.
Der homöopathische, esoterische oder anthroposophische Gesundheitsbegriff, der von unbestimmten, aber ganzheitlichen Selbstheilungskräften ausgeht, schließt allerdings ein, dass das Individuum die medizinische Sorge für sich in die eigenen Hände nehmen kann und muss.
Diese Haltung ist in der bürgerlichen Gesellschaft weit über die Homöopathie hinaus verbreitet und geht davon aus, dass der einzelne Organismus die Belastungen zu schultern hat, die ihm "Zivilisations-" und andere Krankheiten servieren. Den Umstand, dass die Hilfestellung des Gesundheitswesens den Organismus repariert, die marktwirtschaftlichen Schadensgründe aber nicht behebt, führen die Ganzheitlichen dann falsch auf eine "Schul-" oder "Apparate-Medizin" zurück.
Damit geht eine Geringschätzung der Naturwissenschaft und Technologie einher, die erklärtermaßen ins Metaphysische abheben kann. Mit diesem alternativen Kümmern um die "Gesundheit als hohem Gut", auf die ein Konkurrenzbürger angewiesen ist, soll sich die Sicherheit einstellen, die das öffentliche Gesundheitswesen vermeintlich oder tatsächlich nicht hergibt.
Solange der Staat sich nicht weiter in das Vertrauen der alternativen Heilkundler auf Globuli oder Impfnosoden einschaltet, gehen beide ihrer Wege. Wenn er es wie im Fall einer Impfpflicht zu tun droht, steht ein Übergang an. Es muss nicht sein, liegt aber im Umfeld der Esoterik nahe, dass so ein staatlicher Eingriff mit der verwerflichen Absicht verwechselt wird, den Menschen die ureigene Sorge für ihr Wohlergehen aus der Hand zu schlagen. Dann festigt sich die irrige Auffassung, von der sich kein Virus beeindrucken lässt, bei der Gesundheit zähle vor allem anderen das Recht auf den freien Willen und den eigenen Körper.
Ein weiteres Moment kann hinzukommen, das der User "Bernd Riedel" in Extremform so formuliert:
Wacht endlich auf Leute, es ist Schwachsinn, junge, gesunde, kräftige Menschen in die ewige Abhängigkeit zu boostern.
Einen Ausweg aus diesem "Schwachsinn" kennt er auch:
Vielmehr sollten wir die Ungeimpften endlich als das anerkennen, was sie sind. Helden, die bereit sind, sich dem Kampf gegen das Coronavirus zu stellen, und sogar bereit sind, für das heroische Ziel einer soliden Grundimmunität in der gesunden Masse zu sterben.
Der nächste Heroe will "Bernd" vermutlich zu Recht nicht sein. Historische Impfkritiker wie Mahatma Gandhi oder solche aus der anthroposophischen Medizin bemühten zwar nicht den Heldentod, hielten die Gesundheit aber auch für den Ausweis persönlicher Stärke und sprachen der Krankheit eine reinigende Kraft für den einzelnen wie den Volkskörper zu. Ansichten dieser Art sind bezeichnende Überhöhungen der Zwangslagen einer Konkurrenzgesellschaft, die auch in nationalistischen oder rassistischen Milieus zirkulieren.
Im impfgegnerischen Spektrum können sich also Schnittmengen bilden, die den Beteiligten als Zweckbündnisse gelten. Anti-Vaxxer werden durch die staatlichen Maßnahmen weiter politisiert, sehen ihre Freiheit missachtet und wollen sich das nur so erklären, dass ihre Regierung sie entmündigen will.
Vermeintliche Gründe dafür konstruieren sie sich selber, können aber auch auf die Angebote von der rechten Seite zurückgreifen. Dort weiß man ja längst, dass die Pandemie-Politik nur eine der Weisen ist, das Volk und seine Freiheit zu verraten und zu verkaufen, und sieht sich berufen, der Impfgegnerschaft den richtigen Weg zu weisen.
Auch von links her kann sich eine Annäherung ergeben, wenn man an den staatlichen Maßnahmen nur die abstrakte Repression festhält und entsprechend interpretiert:
Da die Corona-Hysterie, in die wir getrieben werden, … aus uns ängstliche, zitternde Wichtelchen machen will, finde ich jeden Wutbürger gut, egal von welcher Seite und Farbe, solange er nicht "Heil Hitler" kräht.
Franz Xaver Kroetz
User "Norbert Münster" weiß:
Die Gurtpflicht war nur der erste Mosaikstein für die kommende Unfreiheit.
Das Problem ist, dass die Politik im Prinzip blinden Gehorsam erwartet. … Das bisschen, das mir noch an Freiheit bleibt, werde ich sicherlich nicht opfern, nur weil die Politik es alternativlos nennt.
Das sind zwar alles politische Urteile neben der Spur. Sie charakterisieren aber eine Opposition, die im Alltag der Marktwirtschaft, um noch einmal den Artikel zu zitieren, "keine 'Freiheitsberaubung' entdecken kann. Das ist eben die 'Normalität', der man sich stellen muss – und in der und gegen die man zugleich die Fiktion eines selbstbestimmten Lebens festhalten will. Durch den unabweisbaren Zwang, zum Monatsersten die Miete zu bezahlen, sieht sich dieser Wille nicht beleidigt, durch eine Masken- oder Impfpflicht aber schon." Und das braucht er sich nicht gefallen zu lassen ...