"Nawalnys Tod wird innerhalb Russlands nicht viel verändern"

Boris Nadeschdin. Bild: Council.gov.ru, CC BY 4.0

Der russische Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin zur neuen politischen Realität des Landes. Wie er zum Ukraine-Krieg steht und wie er den Tod von Alexej Nawalny sieht.

Boris Nadeschdin ist ein Veteran der russischen Politik. In den 1990er-Jahren arbeitete er im russischen Regierungsapparat und war Anfang der 2000er-Jahre Abgeordneter des russischen Parlaments, der Staatsduma. Nach seinem Scheitern bei den Parlamentswahlen 2003 engagierte er sich weiterhin in der Öffentlichkeit und arbeitete als Lehrer.

In den vergangenen Jahren lernten ihn die Russen als regelmäßigen Experten in politischen Fernsehsendungen zu verschiedenen Themen kennen. Seine Antikriegshaltung machte ihn zu einem prominenten Teilnehmer des Präsidentschaftswahlkampfes und gab seiner politischen Karriere neuen Schwung. Nadeschdins Kandidatur fand breite Unterstützung bei oppositionellen Kräften innerhalb und außerhalb Russlands.

Im Telepolis-Interview spricht er über seine weiteren politischen Pläne, räumt mit den Mythen der russischen Kriegspropaganda auf und diskutiert die Rolle Nawalnys in der russischen Politik.

Boris Borisovich, wie würden Sie das politische Regime im modernen Russland charakterisieren?

Boris Nadeschdin: Es ist ein autoritäres Regime, ein personalistisches, autoritäres Regime. Ein Klassiker der Politologie.

Warum glauben Sie dann immer noch an die Institution der Wahlen und warum haben Sie sich entschieden, am Wahlkampf teilzunehmen?

Boris Nadeschdin: Weil ich keinen anderen guten Weg kenne, die Politik des Landes und in Zukunft das Regime, also die Regierung, zu verändern, als durch Wahlen. Alle anderen Wege, die die Geschichte kennt: Revolution, Putsch, was auch immer, ausländische Besatzung, all diese Wege sind viel schlimmer.

Wie sind Sie zu der Entscheidung gekommen, sich zur Wahl zu stellen? Gab es Kräfte, die Sie dazu aufgefordert haben?

Boris Nadeschdin: Nein, es war meine persönliche Entscheidung, die anfangs auf großen Widerstand in meinem Umfeld stieß. Vor allem in meiner Familie, denn ich habe viele Kinder, meine Frau ist im Vergleich zu mir noch sehr jung, und deshalb waren sie natürlich alle besorgt um mein Schicksal, wenn man an den Nawalny denkt, der damals noch lebte.

Aber ich habe es geschafft, ihnen zu erklären, dass es im Interesse unserer Familie ist, dass Russland friedlich und frei wird, und dass ich es mir nicht verzeihen würde, wenn ich mich nicht dafür einsetzen würde. Und so geschah es. Das alles passierte im Sommer.

Einige Analysten vermuten, dass Sie Absprachen mit dem Leiter der Abteilung für Innenpolitik in der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko, getroffen haben, mit dem Sie vor 20 Jahren Mitglied der liberalen SPS-Partei waren. Deshalb durften Sie in diesem Wahlkampf mehr reden als andere. Was ist Ihr Kommentar dazu?

Boris Nadeschdin: Ich hatte und habe keine Absprachen mit Kirijenko oder sonst jemandem. Mein Leben und meine politische Biografie sind lang. Ich habe in den 90er-Jahren im Machtapparat gearbeitet. Ich war in der Regierung von Präsident Jelzin, in der Regierung von Tschernomyrdin und Kirijenko.

Ich kenne die meisten Mitglieder der jetzigen russischen Regierung gut, übrigens auch Putin. Ich habe ihn mehr als einmal getroffen. Als er noch nicht Präsident war und als er Präsident war, in den ersten Jahren seiner Regierung.

Ich kenne zum Beispiel nicht nur Kirijenko gut, sondern auch Schoigu. Ebenso Wolodin, den Präsidenten der Staatsduma, und die Präsidentin des Föderationsrates, Walentina Iwanowna Matwijenko, und das jeweils seit vielen Jahren.

Aber aus irgendeinem Grund erinnern sich jetzt alle an meine Vergangenheit mit Kirijenko. Man könnte sich an jede dieser Personen erinnern und mir vorwerfen, dass sie meine Teilnahme an der Wahlkampagne akzeptiert haben. Das ist nicht der Fall. Ich habe das mit niemandem vereinbart.

Aber Sie bestreiten nicht, dass man Ihnen erlaubt haben könnte, Unterschriften zu sammeln, weil Sie in gewisser Weise zum System gehören.

Boris Nadeschdin: Ich glaube, als ich die Erlaubnis bekam, Unterschriften zu sammeln, konnte absolut niemand vorhersehen, dass es so eine Unterstützung geben würde. In den Umfragen sind bei diesen Wahlen erstaunliche Dinge passiert. Während der Präsidentschaftswahlen publizieren führende russische Umfrageinstitute – VTsIOM, FOM, Lewada – seit der Nominierung der Kandidaten Ratings laufend Meinungsbilder.

Sie haben nur ein einziges Mal ein Rating von mir veröffentlicht. Das war ungefähr Ende Dezember. Und dann haben sie plötzlich aufgehört, diese Ratings zu veröffentlichen. Aber es gab undichte Stellen. Und dann hat ein mutiger Dienst, Russian Fields, Mitte Januar ein Rating veröffentlicht. Es stellte sich heraus, dass ich zehn Prozent hatte. Weit mehr als die anderen Kandidaten. Na ja, außer Putin.

Und dann stellten wir fest, dass wir jede Woche fünf Prozent zugelegt hatten. Und dann gab es noch eine Veröffentlichung, wo ich 16 Prozent hatte, aber die war nicht von einem professionellen Institut. Und ich glaube, die Präsidialverwaltung war sehr überrascht.

Danach haben sie anscheinend beschlossen, mich nicht zu den Wahlen antreten zu lassen, so sehe ich das. Denn ich durfte Unterschriften sammeln, als ich ein Prozent hatte, nicht wahr? Dann haben sie aufgehört, Umfragedaten zu veröffentlichen. Das heißt, sie haben gemerkt, dass ich in den Umfragen stark gestiegen bin. Deshalb haben sie so reagiert.

Die Hauptthesen Ihrer Kampagne waren: die Notwendigkeit friedlicher Verhandlungen mit der Ukraine, der europäische Weg der Entwicklung Russlands, die Abschaffung repressiver Gesetze und die Freilassung politischer Gefangener. Glauben Sie, dass die Gesellschaft das wirklich will? Die staatlichen Medien vermitteln uns ein gegenteiliges Bild.

Boris Nadeschdin: Ich bin gerade dabei, meine eigene Erhebung durchzuführen, da alle Umfragedienste meine Daten geheim halten. Ich habe ein Institut für regionale Gesetzgebungsprojekte, das gerade seine eigene Umfrage durchführt. Wissen Sie, was dabei herauskommt? Die Mehrheit der russischen Bevölkerung ist für den sofortigen Beginn von Friedensverhandlungen.

Ich spreche jetzt aus dem Gedächtnis, aber auf die Frage "Was sollen wir als Nächstes tun: bis zum totalen Sieg kämpfen oder zu Friedensverhandlungen übergehen?" erhält die Antwort "bis zum bitteren Ende kämpfen" nur wenige Stimmen – zwischen 15 und 20 Prozent. Und diese Leute sind fast alle über 60 Jahre alt. Das sind die Älteren.

Wenn man die Jüngeren fragt, gibt es so gut wie keine positiven Antworten auf "bis zum bitteren Ende kämpfen". Insgesamt 30 Prozent aller Befragten antworten mit "sofort Friedensgespräche beginnen". Weitere 20 Prozent sind "eher für Friedensgespräche als für den Kampf bis zum Sieg".

Das heißt, insgesamt sind mehr als 50 Prozent der Befragten im Land für Friedensverhandlungen. Und das zerstört den Mythos, dass alle hinter Putin und der Militäroperation stehen. Das ist ein Mythos. Es ist einfach ein Mythos. Wir müssen den Leuten die richtigen Fragen stellen.

Gut. Die Menschen wollen Frieden, aber wollen sie auch einen europäischen Entwicklungsweg für Russland?

Boris Nadeschdin: Wissen Sie, was interessant ist? Die jungen Leute wollen das auf jeden Fall. Deswegen hat dieses Regime keine Zukunft. Die jungen Leute wollen es. Ich sage Ihnen noch mehr, auch die Elite will zurück nach Europa. Ihr Lebensstil dort, Sie wissen schon, der war, dass ihre Frauen in Mailand einkaufen, dass ihre Kinder in London studieren, dass jemand Weinberge in Frankreich hat und Villen in Italien. Nur einer, Nadeschdin, hatte nie etwas dort, aber aus irgendeinem Grund ist er ein "prowestlicher Oppositioneller". Ich zitiere die russischen Propagandisten.

Oder haben wir vielleicht einen "besonderen dritten Weg", wie man im Fernsehen zu sagen pflegt?

Boris Nadeschdin: Ja, nur dieser dritte Weg, den Putin beschreitet, hat dazu geführt, dass Russland zum Vasallen Chinas geworden ist. Das ist in einigen Bereichen der russischen Wirtschaft bereits deutlich sichtbar. Vor allem in der Automobilindustrie, auf dem Automobilmarkt.

Aber man wird Ihnen entgegenhalten, dass Russland ein Vasall Europas war. Und wenn wir nach Europa zurückkehren, werden wir dann wieder Öl und Gas gegen Lebensmittel und andere Güter tauschen?

Boris Nadeschdin: Der grundlegende Unterschied ist, dass China grundsätzlich mit niemandem eine gleichberechtigte Partnerschaft eingehen will. Man muss sich nur die Geschichte mit der Gaspipeline von Russland nach China anschauen.

Das ist Putin. Der ist so freundlich. Da sagt Lukaschenko: Wladimir Wladimirowitsch, gib mir Geld, sonst verliere ich die Macht. Und Putin gibt.

Aber die Chinesen, wenn sie sehen, dass ein Partner Probleme hat, dann nutzen. sie diese Schwäche und senken die Preise für das Gas, das sie importieren. Das sind ganz andere Typen.

In Europa kann man den ehemaligen Bundeskanzler Schröder in den Vorstand einladen, und dann gibt es Freundschaft und so weiter. Mit den Chinesen wird so etwas nicht funktionieren. Die Chinesen sind sehr, nun ja, praktische Menschen. Wenn der Partner schwach ist und ein Problem hat, ziehen sie ihm dreimal das Fell über die Ohren.

Sie glauben also, dass die russische Wirtschaft, wenn sich die "besondere Militäroperation" in die Länge zieht, nicht standhalten kann und zerstört wird?

Boris Nadeschdin: Die russische Wirtschaft wird nicht zerstört . Russland ist – Gott sei Dank – eine Marktwirtschaft.

Die russische Wirtschaft wächst sogar, auch wenn das Wachstum hässlich ist; es ist nur das Wachstum des militärisch-industriellen Komplexes. Die Militärausgaben werden in diesem Jahr auf hundert Milliarden Euro geschätzt. Natürlich werden die Schwerindustrie, die Metallurgie und so weiter wachsen. Ganz einfach, weil es riesige Aufträge für Panzer und Granaten gibt.

Ein anderes Problem ist, dass es immer weniger Lebensmittel und Medikamente gibt. Nahrungsmittel und Medikamente werden immer teurer. Das ist die andere Seite. Und dann kommt noch hinzu, dass es schon jetzt einen spürbaren Mangel an Arbeitskräften gibt. Bei jungen Männern aus naheliegenden Gründen.

Bedeutet das, dass die Verschlechterung der Situation der russischen Wirtschaft ein Grund für die russischen Behörden sein könnte, mit der Ukraine zu verhandeln?

Boris Nadeschdin: Wir werden keine ernsthaften Probleme mit der Wirtschaft haben, weil wir eine Marktwirtschaft haben. Bis jetzt ist sie noch funktionsfähig. Ja, das Konsumniveau in Russland wird sich verschlechtern, aber es ist seit 2012 nicht mehr gewachsen. Die russische Wirtschaft ist seit 2012 überhaupt nicht mehr gewachsen. Das heißt, das Geldeinkommen der Bürger ist seit, sagen wir, zehn Jahren nicht mehr gestiegen. Um es milde auszudrücken. Und manchmal sinken sie sogar für ein paar Jahre.

Aber es wird keinen Zusammenbruch der Wirtschaft geben. Als Beispiel kann ich den Iran nennen. Der Iran steht seit Jahrzehnten unter strengen Sanktionen, aber gleichzeitig kann man im Iran absolut alles auf dem Markt kaufen.

Auch in Russland werden Lebensmittel und Medikamente nicht knapp werden. Ja, sie werden teurer, aber ich glaube nicht, dass das ein großes Problem der jetzigen Regierung ist.

Und was kann sie dann zum Frieden bewegen?

Boris Nadeschdin: Die Wahlergebnisse. Ich bewege mich tatsächlich in diese Richtung. Ich versuche, an den Wahlen teilzunehmen, so gut ich kann. Ich habe einen Plan, wie ich doch noch Präsident Russlands werden kann und nie wieder diese Unterschriften sammeln muss, für die man sich nicht registrieren lassen kann.

Erzählen Sie uns mehr über diesen Plan.

Boris Nadeschdin: Der Plan besteht aus zwei Teilen. Gegenwärtig klage ich vor Gericht. Es wird eine Berufung geben, dann die Aufsichtsbehörde und dann das Verfassungsgericht, damit das Gericht selbst die Idee für verfassungswidrig erklärt, wenn eine Person offensichtlich von Hunderttausenden unterstützt wird. 211.000 Menschen haben für mich unterschrieben. Und gleichzeitig bemängelt die Zentrale Wahlkommission einige angeblich gefälschte Unterschriften.

Gestern haben wir bei einer Sitzung des Obersten Gerichtshofes etwa 15 Personen vorgeführt, denen die Zentrale Wahlkommission gesagt hat, ihre Schriftgutachter hätten gesagt, das sei nicht ihre Handschrift. Und sie haben gesagt, nein, das ist meine Handschrift. Und sie haben bestätigt, dass sie für mich unterschrieben haben. Unter Eid vor Gericht. (Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Interviews hatte Boris Nadeschdin alle Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof Russlands verloren. Er bereitete einen Antrag an das Verfassungsgericht vor, dessen Sitzung nach den Wahlen stattfinden könnte – Die Redaktion)

Der erste Teil des Plans besteht darin, dass das Verfassungsgericht anerkennt, dass es unmöglich ist, eine Person von den Präsidentschaftswahlen auszuschließen, wenn tatsächlich Hunderttausende für sie unterschrieben haben, und ein paar Kommata oder andere kleine Fehler bemängelt.

Der zweite Teil des Plans ist politischer Natur. 2026 gibt es Wahlen zur Staatsduma, und die wollen wir gewinnen. Und die Partei, die in der Staatsduma sitzt, nominiert Präsidentschaftskandidaten, ohne Unterschriften zu sammeln. Und die nächsten Präsidentschaftswahlen werden viel früher als in sechs Jahren stattfinden, da bin ich mir absolut sicher.

Aber erlauben Sie sich in dieser Phase, einen der anderen Kandidaten zu unterstützen, Ihre Anhänger aufzufordern, für ihn zu stimmen? Oder wird es eine andere Strategie für Ihre Anhänger geben, wenn Sie am Ende nicht zugelassen werden?

Boris Nadeschdin: Nun, zunächst einmal warte ich darauf, dass ich durch die Instanzen gehe. Sie wissen, dass es bei den russischen Wahlen Wunder gab, als ein Kandidat, der von den unteren Gerichten ausgeschlossen worden war, wenige Tage vor der Wahl von den höheren Gerichten wieder zugelassen wurde. Das ist eine außergewöhnliche Geschichte. Die Chance ist eins zu einer Million, aber sie ist nicht null. Ich habe es also bisher nicht eilig, ich warte noch ein wenig .

Schauen Sie, was passiert. Zuerst war da Ekaterina Duntsova, und viele Leute haben sie im Dezember unterstützt. Sie war nicht registriert. Damals haben mich nur wenige Leute unterstützt. Als sie dann anfingen, mich stark zu unterstützen, wurde ich nicht registriert.

Wenn jetzt einer der verbliebenen Kandidaten plötzlich viele Stimmen bekommt, wird er einfach aus dem Rennen geworfen. Deshalb habe ich keine Eile, jemanden zu benennen.

Können Sie sich trotzdem vorstellen, einen anderen Kandidaten zu unterstützen?

Boris Nadeschdin: Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt eine Wette eingehen muss. Ich führe gerade eine Umfrage durch. Neben den Fragen zu der speziellen Militäroperation gibt es auch eine einfache Frage. "Sie wollten für Nadeschdin stimmen, wen werden Sie jetzt wählen? Genauer: Was werden Sie bei den Wahlen tun? Auf diese Frage gibt es unterschiedliche Antworten. Hier sehen wir, was es gibt. Ich sehe noch nicht das ganze Bild. Vielleicht haben sich die Leute schon entschieden, wen sie wählen wollen, ob sie mich wählen wollen.

Unser Gespräch findet vor dem Hintergrund eines für die russische Politik tragischen Ereignisses statt. Alexej Nawalny ist in einer Strafkolonie gestorben. Wie wird sein Tod die politische Landschaft in Russland verändern?

Boris Nadeschdin: Innerhalb Russlands wird sich durch Nawalnys Tod nicht viel ändern. Aber für diejenigen, die das Land verlassen haben, und für die radikale Opposition, wo er natürlich der Hauptakteur war, ist das ein tragisches Ereignis. Dort wird es jetzt zu einer Art Umgruppierung der Kräfte kommen. Julia Nawalnaja hat gesagt, sie ist bereit, seine Arbeit fortzusetzen. Aber leider, oder ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, wird das fast keine Auswirkungen auf die Ereignisse innerhalb Russlands haben.

Warum nicht?

Boris Nadeschdin: Weil es nicht viele Menschen gibt, für die Nawalny eine absolute Symbolfigur ist. Ich sehe auch die Umfragen. Bedauerlicherweise denkt die Mehrheit der russischen Bevölkerung unter dem Einfluss der Propaganda negativ über ihn.

Julia Nawalnaja ist jetzt ein neues Gesicht in der Politik, obwohl sie viele Jahre lang Alexejs Frau und Kollegin war. Glauben Sie, dass ihr Wechsel in die aktive Politik die Einstellung zu Alexej selbst und seinem politischen Kampf verändern kann?

Boris Nadeschdin: Ich denke, dass die Einstellung zu ihm in Russland mittelfristig besser sein wird. Schließlich war es bei Nemzow genau so. Als Nemzow noch lebte, wurde er von der staatlichen Propaganda schlechtgemacht . Und deshalb fanden ihn die Leute auch schlecht. Aber inzwischen finden sie ihn gut.

Werden Sie mit Julia Nawalny zusammenarbeiten?

Boris Nadeschdin: Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, wie das möglich sein soll. Denn ich habe meinen Weg beschrieben: Teilnahme an den Wahlen und an den Gerichten. Ich bin in Russland. Ich verstehe nicht wirklich, wie man an Wahlen teilnehmen kann, ohne in Russland zu sein.

Und die letzte Frage. Wenn Ihre persönliche Sicherheit und die Ihrer Familie bedroht ist, können Sie sich vorstellen, auszuwandern?

Boris Nadeschdin: Sehen Sie, das ist mein Problem. Ich habe eine große Familie, meine Kinder, mein Enkelkind, meine Eltern, die übrigens schon im neunten Lebensjahrzehnt sind - Gott segne sie. Ich kann nicht einfach weggehen. Ich bin Russland sehr verbunden. Nun, ich weiß nicht, etwa fünfzehn Personen bilden meinen engsten Verwandtenkreis. Wie soll ich gehen? Und wohin?

Heißt das, dass Sie für die Sicherheit Ihrer Familie bereit sind, Ihre politische Karriere auf Eis zu legen?

Boris Nadeschdin: Nun, im Moment kann ich weitermachen. Noch sehe ich keine Bedrohung.