Neue Front gegen Atomwaffen: Oppenheimer-Film könnte mehr als Oscars gewinnen
Experten hoffen, dass der Film die Bedrohung wieder zum Politikum macht. Kampagnen, auch in Hollywood, laufen. Was denken die Amerikaner? Gastbeitrag.
Während die Oscar-Verleihung an diesem Wochenende voraussichtlich vom Film Oppenheimer dominiert wird, schlägt Hollywood in Sachen Atomwaffen Alarm.
Atomwaffen verschrotten: Prominente unterschreiben Aufruf
"Als Künstler und Anwälte wollen wir unsere Stimme erheben, um die Menschen daran zu erinnern, dass Oppenheimer zwar Geschichte ist, Atomwaffen aber nicht", schreibt eine Gruppe namhafter Schauspieler und Künstler in einem neuen offenen Brief.
Um unsere Familien, unsere Gemeinden und unsere Welt zu schützen, müssen wir von den führenden Politikern der Welt verlangen, dass sie sich dafür einsetzen, dass Atomwaffen der Vergangenheit angehören – und eine bessere Zukunft aufbauen.
Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören die Schauspieler Yvette Nicole Brown, Michael Douglas, Jane Fonda, Tony Goldwyn, Matthew Modine, Viggo Mortensen und Lily Tomlin. Auch andere namhafte Persönlichkeiten – darunter Bill Nye, Graham Nash und Charles Oppenheimer – haben das Schreiben unterzeichnet.
Der Brief ist nur eine Möglichkeit, wie Oppenheimer, ein neues Biopic über den Mann hinter der Atombombe, das Interesse Hollywoods an Atomwaffen neu entfacht hat. In einer Dankesrede bei der Verleihung des BAFTA-Preises im vergangenen Monat lobte Regisseur Christopher Nolan "Einzelpersonen und Organisationen, die lange und hart dafür gekämpft haben, die Zahl der Atomwaffen in der Welt zu reduzieren".
Kampagne in Los Angeles
"Ich möchte nur ihre Bemühungen anerkennen und darauf hinweisen, dass sie die Notwendigkeit und das Potenzial von Friedensbemühungen zeigen", fügte Nolan hinzu.
Der Vorstoß kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt für die Bewegung, die die Abschaffung von Atomwaffen anstrebt. Atomwaffen sind für die meisten Menschen zu einem "unsichtbaren Thema" geworden, so Joan Rohlfing, ehemalige Regierungsberaterin und Präsidentin der Nuclear Threat Initiative (NTI).
Eine größere öffentliche Aufmerksamkeit für dieses Thema könnte die politischen Entscheidungsträger dazu bringen, das nukleare Risiko wieder ernst zu nehmen. "Ohne öffentliches Bewusstsein gibt es keinen politischen Impuls für Veränderungen", so Rohlfing gegenüber Responsible Statecraft.
NTI, das den offenen Brief der Künstler initiierte, hat in Los Angeles eine großangelegte PR-Kampagne gestartet, um im Vorfeld der Oscar-Verleihung auf das Thema aufmerksam zu machen. Unter anderem hat die Gruppe Plakate auf Werbeflächen anbringen lassen, eine neue Kunstinstallation ermöglicht und Wandmalereien in der Stadt in Auftrag gegeben.
Mehrheit der US-Amerikaner besorgt
Auch wenn die US-Amerikaner ihre Kongressabgeordneten wahrscheinlich nicht wegen Atomwaffen kontaktieren, zeigen Umfragen, dass sich die Durchschnittsbevölkerung tatsächlich sehr für das Thema interessiert. Eine Umfrage aus dem Jahr 2020 ergab, dass 73 Prozent der Amerikaner die Verbreitung von Atomwaffen als eine "große Bedrohung" ansehen – eine Besorgnis, die mit der von Terrorismus sowie der Verbreitung von Infektionskrankheiten gleichzusetzen ist.
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Eine andere Umfrage des Chicago Council on Global Affairs ergab, dass 66 Prozent der US-Bevölkerung der Meinung sind, dass "kein Land Atomwaffen haben sollte".
Jüngere Menschen sind etwas weniger besorgt über Atomwaffen, aber selbst in dieser Gruppe hält Pew Research die Verbreitung von Atomwaffen für 65 Prozent der Befragten für eine Hauptbedrohung.
In Washington sieht man das anders. Stiftungen haben ihre Unterstützung für die nuklearpolitische Arbeit stetig heruntergefahren oder eingestellt, und die einst so erfolgreichen Nuklearstrategieprogramme von Denkfabriken und gemeinnützigen Organisationen sind in der politischen Debatte zur Nebensache geworden.
Nach dem Mauerfall: Andere Prioritäten
Trotz wachsender nuklearer Bedrohungen sind Fachwissen und politischer Wille heute Mangelware. "Wir haben selbst in der politischen Gemeinschaft einen Rückgang des Bewusstseins, des Wissens und der Expertise festgestellt", so Rohlfing.
Dieser Rückgang ist weitgehend eine Geschichte der Prioritätsverschiebung. Als der Kalte Krieg endete, atmeten viele Menschen erleichtert auf.
Das entscheidende existenzielle Risiko des späten 20. Jahrhunderts schien zusammen mit der Berliner Mauer zu verschwinden. Andere Themen – der Terrorismus, der Aufstieg Chinas, der Klimawandel – rückten in den Mittelpunkt, und die Angst der Menschen vor der nuklearen Vernichtung begann zu verblassen.
"Es ist fast so, als ob die Menschheit immer nur eine Apokalypse auf einmal bewältigen kann", sagte Nolan letztes Jahr.
Erhöhtes Risiko
Es gibt jedoch ein Problem: Die Gefahr eines Atomkriegs ist nie verschwunden. Laut Rohlfing ist das Risiko eines nuklearen Einsatzes heute sogar "hoch, über Generationen hinausreichend".
"Wir sehen, wie die Leitplanken von Atomwaffen wegfallen", sagte sie und verwies insbesondere auf den langsamen Zusammenbruch des Atomabkommens zwischen den USA und Russland.
"Wir haben eine Reihe von Rüstungskontrollvereinbarungen geschlossen, um den nuklearen Wettbewerb zu regulieren, zu stabilisieren, die Anzahl der Waffen zu reduzieren sowie die Art ihres Einsatzes zu ändern", sagt Rohlfing. "All das ist erodiert oder einfach beiseitegelegt worden."
Nirgendwo ist die Gefahr eines Atomkriegs so greifbar wie in der Ukraine. Sollte es den ukrainischen Streitkräften gelingen, die russische Verteidigung zu durchbrechen und die Krim anzugreifen, schätzen US-Beamte die Wahrscheinlichkeit, dass Wladimir Putin zu einem Atomschlag greifen würde, auf 50:50.
Putin selbst hat seit seiner Invasion im Jahr 2022 eine Reihe verdeckter nuklearer Drohungen ausgesprochen, und einige seiner Stellvertreter waren in ihren Warnungen weniger subtil.
Funkstille zwischen Moskau und Washington
Da die Spannungen zwischen den USA und Russland nach dem Ende des Kalten Krieges einen Höhepunkt erreicht haben, hörten Washington und Moskau weitgehend auf, über Nuklearfragen zu sprechen.
Das National and Nuclear Risk Reduction Center des US-Außenministeriums, das einst als Clearingstelle für mehr als tausend jährliche Informationen über die nuklearen Aktivitäten Russlands diente, erhielt im vergangenen Jahr gerade einmal zwölf Nachrichten aus Moskau.
"Heute können die Mechanismen, die Frieden bewahren, nicht mithalten mit der Maschinerie des Krieges", schrieb W.J. Hennigan in der New York Times.
Die Regierung Biden hat einige Anstrengungen unternommen, um diesen Trend zu korrigieren. Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan verkündete im vergangenen Juni, die USA seien offen für neue Nukleargespräche mit Russland und China "ohne Vorbedingungen" – ein bemerkenswertes Angebot angesichts des desolaten Zustands der heutigen Beziehungen zwischen den Großmächten.
Nach Ansicht von Rohlfing hat die Regierung jedoch noch einen weiten Weg vor sich, um diese Einladung in echte Rüstungskontrollgespräche umzusetzen. "Trotz der Äußerungen von Jake Sullivan in seiner Rede ist mir nicht klar, dass dieses Angebot wirklich in die Tat umgesetzt wurde", sagte sie. "Wir brauchen ein kontinuierliches, beharrliches Niveau der Bemühungen".
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Sie finden das englische Original hier. Übersetzung: David Goeßmann.